Bericht
23.09.2009
Nachbetrachtung der Besetzung der Fabrik in Battipaglia // Follow-up on the factory occupation in Battipaglia
Am 12. September beendeten die fünf Kollegen, die die italienische ALU Fabrik besetzt hielten, ihre Aktion, weil sie ihre Forderungen erfüllt bekamen. Was ist richtig daran, wie geht es in Battipaglia weiter und was schließen wir von NetzwerkIT daraus? // On September 12th the five workmates who had been occupying the ALU factory ended their protest because their demands had been met. Is this correct? What will happen now in Battipaglia and as Netzwerk IT what do we infer from this?
English below: Follow-up on the factory occupation in Battipaglia
Auf den ersten Blick ist das Ergebnis der Besetzung beachtlich: ein Regierungsminister, Untersekretäre, der Personalverantwortliche von ALU, ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied von ALU Italien, der ALU Verantwortliche für weltweite industrielle Aktivitäten und Vertreter der lokalen und regionalen Behörden mussten im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zusammentreffen. ALU bestätigte dort erneut die Bereitschaft, auf einen Vergleich einzugehen, der auf die Alternativvorschläge der Regierung und Gewerkschaften basiert.
Was hat ALU dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen?
Die Antwort ist einfach wie banal: die Öffentlichkeit! Die Aufmerksamkeit die unsere fünf Kollegen mit ihrer Besetzung erzeugt haben, war beachtlich. ALU hat offensichtlich Angst, dass ihr Image geschädigt wird. Es ist nicht gerade gut fürs Geschäft, wenn verzweifelte Kollegen sich selbst und eine ganze Fabrik womöglich in die Luft sprengen wollen.
Erschwerend kommt hinzu, dass ALU jahrelang mit der Fabrik kräftigt abgesahnt hat. Die Tatsache, dass die Schließung einer Fabrik zur Regierungssache wird, zeigt wie brisant die Lage für das Unternehmen ist.
Die Aktion der fünf Kollegen war daher erfolgreich. Es ist ihnen gelungen, derart viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit auf sich zu lenken, dass sowohl die bis dahin uninteressierten Politiker als auch ALU sich gezwungen sahen, ernsthaft auf die Forderungen der Kollegen und die Gewerkschaften einzugehen. Nachzulesen ist eine Stellungnahme der italienischen Gewerkschaften hier: Auseinandersetzung Alcatel-Lucent Battialia oder im Original hier: VERTENZA ALCATEL LUCENT DI BATTIPAGLIA . Darin wird allerdings nicht Paolo Luongos Teilnahme an den Verhandlungen erwähnt. Die renommierte "Corriere della Sera" schreibt dazu: «An den Verhandlungen hat auch Paolo Luongo teilgenommen. Ein Achtundzwanzigjähriger, der sich fünf Tage lang zusammen mit vier anderen Kollegen im Innern des Werkes mit der Drohung sich anzuzünden verbarrikadiert hatte. Paolo: «Unsere extreme Handlung hat einzig dazu gedient, alles was in diesen sechs Monaten der Auseinandersetzung getan worden ist und in denen wir nie ein Gespräch mit den Behörden hatten, wieder rückgängig zu machen.»
Allerdings war die Taktik, sich selber anzuzünden, buchstäblich ein Spiel mit dem Feuer. Wären die Politiker und ALU nicht auf die Forderungen der Kollegen eingegangen, hätten die Kollegen entweder ihre Drohung in die Tat umgesetzt oder einen Rückzieher gemacht. Einen Mittelweg gibt es in so einer Situation nicht.
So groß die Verzweiflung der Kollegen auch sein mag, es darf nicht unser Ziel sein, zum Märtyrer zu werden, um Gespräche mit der Firma über Alternativen zu Entlassungen zu erzwingen. Wir verstehen nur zu gut die Verzweiflung der Kollegen. Jedoch sollte es andere Aktionsformen geben, die das Ziel haben, Politiker und Unternehmen zum Einlenken zu bewegen. Menschenleben aufs Spiel zu setzen ist die schlechteste Form.
So gibt es durchaus andere Möglichkeiten: In letzter Zeit ist in Frankreich z.B. „Bossnapping“ populär geworden. Bei AEG in Nürnberg wurde eine Mauer vor dem Werkstor errichtet, um Electrolux daran zu hindern, Maschinen abzutransportieren. Phantasie ist gefragt! Außerdem ist es uns wichtig, dass es Aktionen gibt, die nicht nur auf eine kleine Vorhut beschränkt ist.
Was auch immer als Protest getan wird, die erfolgreiche Besetzung der Fabrik in Italien zeigt uns, dass die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden muss, um eine Unterstützung der Bevölkerung zu erreichen, damit Politiker und ALU nicht mehr daran vorbeikommen.
Allerdings werfen solche Aktionen, so erfolgreich sie auch sein mögen, noch Fragen auf.
Wie begegnet man Globalisierungversuchen von Firmen wie ALU, die aus – teilweise vergeblichen Kosteneinsparungsgründen – ganze Entwicklungen und Produktionen von einem Land zum anderen transferieren? Müssen die davon betroffenen Kollegen dies tatsächlich auch noch unterstützen? Wir lassen die Antwort an dieser Stelle offen.
Follow-up on the factory occupation in Battipaglia
At the first glance, the result of the occupation is remarkable: a government minister, undersecretaries, the personnel director of ALU, a managing director of Italy ALU, the ALU manager in charge of global industrial activities, and representatives of local and regional authorities had to meet at the Ministry of Economic Development. ALU reaffirmed at the meeting their willingness to reach an agreement based on the alternative proposals by the Government and trade unions.
What prompted ALU to take this step?
The answer is both simple and banal: publicity! The attention the five workmates raised by their occupation was remarkable. ALU was evidently afraid that their image would be damaged. It is not exactly good for business when desperate workers want to blow themselves up and possibly their factory, too.
What made things worse is that ALU had been riding the gravy train with the factory. The fact that the factory closure had become a government affair shows how volatile the situation had become for the company.
Hence the action of the five colleagues was successful. They managed to generate so much public attention that the politicians as well as ALU, who had shown no interest up to then, were forced to respond seriously to the demands of the workers and the unions. Here you can read a statement of the Italian unions (in Italien) on this. In it there is no mention of Paolo Luongo's participation in the negotiations. The renowned "Corriere della Sera" writes: Also Paolo Luongo took part in the negotiations. A twenty-eight year old who, along with four other workmates barricaded themselves inside the factory for five days and threatened to set themselves on fire. Paolo: Our extreme action had solely lead to a reverse of the situation that in six months of our dispute, we never had a discussion with the authorities.
However, the tactic to set themselves alight was literally playing with fire. Had the politicians and ALU not responded to the workers' demands, either they would have had to carry out their threat or back down. There is no middle course in such a situation.
As large as the desperation of the colleagues may be, it cannot be our aim to become martyrs in order to force talks with the company over alternatives to redundancies. We understand only too well their desperation. However, their must be other forms of action that can achieve the aim of getting politicians and the company to back down. To jeopardise human life is the worst form.
There are definitely other possibilities: for instance, in France “bossnapping” has become quite popular of late. At AEG in Nuremberg a wall was built in front of the factory gate to stop Electrolux removing machines from the factory. Fantasy is needed! Additionally, it is important for us that the actions are not restricted to a vanguard.
Whatever form of protest is taken, the successful occupation of the factory in Italy shows us that the matter must be made public in order to get the support of the population so that the politicians and ALU cannot ignore the issue.
Nevertheless, however successful such actions may be, they do raise questions.
How do we confront the attempts of companies like ALU to globalise, i.e. their in part unsuccessful attempts to save costs by transferring complete development departments or factories from one country to another ? Do the affected colleagues really have to support this? We leave these questions open here.
10.09.2009
Alcatel-Lucent-Fabrik in Battipaglia besetzt! - am Samstag ausgesetzt
Aus Verzweiflung und in der Hoffnung, den Beschluss von ALU, die Fabrik in Battipaglia zu schließen, zu stoppen, haben sich fünf Beschäftigte in der Fabrik verschanzt und drohen, sich selbst in die Luft zu jagen, falls auf ihre Forderungen nicht eingegangen wird.
Wir haben bereits berichtet, dass ALU plant, die Fabrik in Battipalgia, in der Nähe von Neapel, in einer Gegend, die durch hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, entweder zu schließen oder auszulagern. Dies soll geschehen, nachdem Alcatel jahrelang aus europäischen oder italienischen Töpfen Geld für den Standort bekommen hat.
Es ginge nicht „nur“ um hundert Arbeitsplätze in der Fabrik, sondern insgesamt um 1000 Arbeitsplätze in der Region, so die Betroffenen.
So extrem wie diese Aktion der KollegInen klingt, so bescheiden sind ihre Forderungen (hier im Original auf Italienisch):
- Aussetzung des Outsourcings für mindestens sechs Monate
- ernsthafte Diskussion des alternativen Plans der Arbeitnehmer und der betrieblichen Belegschafts- und Gewerkschaftsvertretung (RSU/RSA)
- Diskussion der Angelegenheit auf der Ebene der Ministerien Wirtschaft, Forschung und Auswärtige Angelegenheiten und ebenso auf regionaler Ebene. Anwesenheit eines Konzernvertreters aus Frankreich bei diesen Diskussionen
Solidarität ist gefragt!
Für uns ist klar, dass Solidarität gefragt ist:
Die KollegInnen kämpfen gegen die Schließung ihrer Fabrik, obendrein eine Schließung eines bekanntermaßen kostengünstigen Standortes! Sowohl in Stuttgart, als auch in Nürnberg fühlen wir uns wegen der Zusammenarbeit mit Battipalgia den italienischen Beschäftigten verbunden. Ein erfolgreicher Ausgang in Italien hilft allen in den kommenden Auseinandersetzungen um das gleiche Thema anderswo in Europa!
Bitte schickt Solidaritätserklärungen an mailto:adriana.geppert@alcatel-lucent.it
Weitere Information:
Nachtrag
Heute haben wir erfahren, dass die fünf Kollegen, die die Fabrik besetzt hatten, in der Nacht von Freitag auf Samstag beschlossen, die Besetzung auszusetzen. Der Grund: ALU soll einigen der Forderungen zugestimmt haben.
Am Dienstag den 15. September finden Gespräche in Rom statt. Außerdem soll eine große Demonstration der Gewerkschaften aus Battipaglia vor dem Wirtschaftsministerium stattfinden.
Wir haben das bekommen, was wir verlangt haben“, so äußern sich die fünf Kollegen zur Presse
Ob das stimmt, werden wir in der nächsten Wochen feststellen können.
05.08.2009
Ein Moratorium gilt, gilt nicht oder doch, aber nicht für Alle.
Die unbefristete Übernahme aller AZUBI ist nur ein Punkt, den es einzuhalten gilt.
Wenn ein Moratorium ein Stillhalteabkommen ist, dann erinnert dieses Moratorium vom 15.5.09 (Link funktioniert nur im Intranet) an Eckpunkte früherer Vereinbarungen des GBR mit der Firma. In dem Moratorium zur Verschiebung der Tarifzahlungen ist unter anderem die unbefristete Übernahme aller AZUBI vorgesehen, eine Kleinigkeit - sollte man meinen. Doch so einfach ist das nicht. In einigen bekannten Fällen wird das Moratorium nicht eingehalten, wenn in Wirklichkeit nur Zeitverträge an aus-gelernte AZUBI vergeben wurden und das auch erst nach einem Protestzug.
Um die Bedeutung dieses Moratoriums zu erfassen, das an die Verschiebung der 2%tigen Tariferhöhung von Mai auf Dezember geknüpft ist, macht es sicher Sinn, alle Anschlußverträge einmal genau anzusehen und zu prüfen, ob Berufsanfänger eine Zukunft bei ALU haben. Dabei könnte auch rauskommen, dass dieses Mortuarium eher ein (dr-)eckiges Papier ist, das nur etwas vorgaukelt, aber in Wahrheit die bestens Ausgebildeten und Ausgelernten gar keinen unbefristeten Vertrag bekommen, also keine Berufszukunft bei ALU haben.
(Un)Heimlichtuer
Dass die Firma uns von NetzwerkIT (NIT) beschimpft oder gar Jagd auf uns macht sehen wir gelassen. Es passt einfach nicht in ihr Konzept, wenn die KollegInnen selbständig denken. Ein „flexibler“ Betriebsrat ist so gesehen dieser Firma weitaus lieber. Neu für uns ist aber, dass der Nürnberger IGM-Sekretär (zuständig für ALU) vor Abstimmung eines Haustarifvertrags NIT verunglimpft und uns als Grund benennt, eine wichtige, schriftliche Vereinbarung vor der Sitzung nicht zu verteilen.
Wie wir bereits berichtet haben, wurde in den letzten Wochen über einen Haustarifvertrag verhandelt. Der überwiegenden Mehrheit der Belegschaft waren die Inhalte völlig unbekannt.
Gestern, am 4. August 2009, sollte das Verhandlungsergebnis einer IGM-Mitgliederversammlung vorgestellt und abgestimmt werden.
Das genaue Ergebnis wurde den IGM-Mitgliedern vor der Sitzung vorenthalten und auch mit der Email-Einladung wurden keine Unterlagen versendet. Als Begründung dafür erklärte der zuständige IGM-Sekretär am Anfang der Sitzung, er sei davon ausgegangen, dass diese Inhalte sofort von NIT ins Netz gestellt worden wären, bevor die Sitzung überhaupt stattgefunden hätte.
Unabhängig davon, ob wir sowas veröffentlicht hätten oder nicht, die Angst dieses IGM-Sekretärs davor stinkt doch zum Himmel. Fürchtet er eine (unangenehme) Reaktion der IGM-Mitglieder und/oder der betroffenen Belegschaft? Wäre es schlimm gewesen, wenn die IGM-Mitglieder und die Betroffenen vorher die Chance gehabt hätten, über das Ergebnis zu diskutieren und ihre Meinung darüber zu bilden? Letztendlich wird die ALU-Belegschaft mit dem Ergebnis doch leben müssen. Ist die IGM vielleicht nicht kritikfähig? Wollte der Sekretär das Ergebnis auf Teufel-komm-raus durchpeitschen? Wenn ja, warum?
Wir ahnen mal wieder nichts Gutes. Klar, dass der Geschäftsleitung die Inhalte bereits bekannt waren, hat sie doch schließlich die Vereinbarung mitverhandelt. Das gleiche gilt natürlich auch für die IGM Tarifkommission. Nur die Mehrheit der Belegschaft hält man nach wie vor im Dunkeln - also diejenigen, die es betreffen wird.
Den IGM-Mitgliedern erging es nicht besser. Infos standen nur auf dem Stimmzettel, der bei der Abstimmung abgegeben werden musste - mehr war nicht.
Ergebnis
Tarifgehälter werden 4% unter dem Tarif BW festgelegt. Die Arbeitszeit soll 37,5 Stunden betragen mit Bonus - eine "Kann"-Option der Firma. Die Anpassungszulage ist gedeckelt.
Der neue Haustarifvertrag ein Entgeld-Reduzierungs-Abkommen??
29.07.2009
Denn sie wissen nicht, was sie tun!
Die "zusätzliche Betriebsversammlung" am 28.07.2009, 14:30h anstelle eines Town Meetings bescherte erwartungsgemäß ein volles Haus – Dauerthema: Personalabbau
Vom Hauptsitz der deutschen ALU AG waren 3 Vorstände erschienen. Der Standortleiter glänzte mit Abwesenheit. Es ist schließlich Urlaubszeit.
Nach einer kurzen Begrüßung überreichte der Betriebsratsvorsitzende das Mikrofon an Herrn "WOLF" - ein Freudscher Versprecher vom "Wolf im Schafpelz"?
Vorstand Wulf machte es sich einfach mit seiner Einleitung: "wie sie vielleicht von den Stuttgarter Kollegen schon gehört haben..." Er hatte wohl vergessen, dass die Geschäftsleitung bereits Tage zuvor die Presse über den Personalabbau informiert hatte und jetzt erst auf der Versammlung Stellung beziehen wollte. Er machte in Zahlen deutlich, dass die Firma "drastisch an Wert verloren" hat und "man keine Kunden mehr gewinnen kann, weil die meisten schon Kunden sind". Die anstehende Portfoliobereinigung hätte Auswirkungen auf viele Bereiche, z.B. bei Produkten die sich im "Maintenance Modus" befinden. Hierbei konzentriere man sich auf Länder mit einem geringen Lohnniveau wie Rumänien, China oder Indien.
Besonders wichtig erschien Wulf das Prinzipalmodel. Dies hätte natürlich auch Auswirkungen auf das Personal. Details könne er dazu aber noch nicht nennen. Er erklärte, dass wir zu hohe Kosten erzeugen, der Auftragseingang und damit der Umsatz drastisch zurückgegangen sei. Das 2. Halbjahr sei von einer negativen Auftragslage geprägt. Bezüglich Bonndorf und RFS verzeichne man einen "krassen" Umsatzrückgang. Bonndorf hätte man deshalb seit dem 1. Juli in eine separate GmbH ausgegliedert, mit dem Ziel einen neuen Käufer zu finden.
Zum Schluss machte er "uns allen bewußt", dass "überflüssige Redundanzen konsequent abgebaut werden müssen". Leider blieb uns Wulf die Antwort schuldig, ob auch Managerpositionen betroffen sind. Wenn es sich ein Unternehmen leisten kann, einzelne Direktoren ohne weitere Personalverantwortung in neue, aus dem Boden gestampfte, Abteilungen zu beamen, stellt sich die Frage, ob die Vorstände das Geschäft noch überblicken, das sie leiten sollen. Das Verstecken und Parken hochbezahlter Manager in diesem Unternehmen ist augenscheinlicher geworden als je zuvor.
Von Fehlern im Vorstand sprach Wulf nicht, der Markt sei eben an dieser Situation Schuld. Nun, der Markt muss für vieles herhalten. Der Vorstand hofft auf Besserung, indem er immer wieder Personal abbaut. Wird der Markt dadurch gestärkt oder nur das Gehalt und der Bonus einiger Manager gesichert? Wo sind die mutigen Visionäre, die der Markt von Morgen braucht? Selbstbewusstsein ist nicht, sich vor die Belegschaft hinzustellen und "Personalmaßnahmen" zu verkünden. Das hat nichts mit modernem Unternehmertum zu tun, das ist pure Hilflosigkeit, die dabei unterschwellig zum Ausdruck kommt.
Dann eine Überraschung! Unser neuer Finanzvorstand hat augenscheinlich kürzlich einen Kurs in Präsentationstechnik absolviert. Jedenfalls fiel auf, dass er nun wusste, wo sich das Mikrofon befindet - nämlich direkt vor ihm - und dass man dort möglichst hineinsprechen muss, um von einem Auditorium auch gehört zu werden.
Auch er sprach von "negativem Income", das 1. Quartal 2009 lag unter dem Jahresziel und der Umsatz werde, im Vergleich zum Vorjahr, zurückgehen. Er wiederholte das von Wulf bereits Gesagte, dass das 2. Halbjahr negativ ausfallen wird. In Optical sei ein Umsatzrückgang zu verzeichnen. Die Fixkosten wären nicht wettbewerbsfähig und das operative Ergebnis sei negativ im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz fällt schneller als die Firma die Fixkosten anpassen kann. ALU verliert keine Marktanteile, aber das Marktvolumen nimmt ab.
Für Raunen in der Belegschaft sorgte seine Aussage, dass die Gross Margin leicht besser sei als der Plan, aber nicht besser als 2008.
Um den Anwesenden nochmals klar zu machen, um was es hier geht, wiederholte anschließend der Personalvorstand das zuvor Gesagte mit seinen Worten: "die Kostensituation konnte nicht befriedigend gelöst werden". Damit gab er aber auch indirekt zu, dass der Vorstand zwar schon seit Monaten die Marktsituation kennt, aber bisher nicht in der Lage war, das für alle im Unternehmen befriedigend zu lösen. Ein Armutszeugnis für den Vorstand, den Prinzipal.
Der Personalvorstand erläuterte die Personalabbauzahlen anhand eines Charts. Er argumentierte, dass die (Deutschland-)Zahlen noch nicht auf die Abteilungen herunter gebrochen sind. Wie immer bei solchen Äußerungen ist dies schwer zu glauben, da die Zahlen nicht den Eindruck von "ungefähr" machten. All das müsse noch im Wirtschaftsausschuss am 06.08.2009 diskutiert werden, vorher gibt’s nichts genaueres.
Für die Personalplanung bis 2009/10 sprach er von Kurzarbeit in Optics (50 Personenjahre) und Wireless (30 Personenjahre). Wie dies im einzelnen umgesetzt wird, konnte er noch nicht sagen. Wir sind gespannt, wie die Arbeitsagentur reagieren wird, wenn ALU Personal abbauen will und gleichzeitig Kurzarbeit beantragt.
Wulf ergriff anschließend nochmal das Wort und erläuterte, wie sich die Firma in Zukunft "weiterentwickeln" will. Seine Ausführungen sind an dieser Stelle schnell wiedergegeben: das Wachstum soll neu positioniert, die Bilanzen in Ordnung gebracht, das Prinzipalmodel eingeführt, Wachstum generiert, Kosten in Länder mit niedrigeren Lohnniveau verlagert werden, Web 2.0 zu Web 3.0.
In Anbetracht der jetzigen Lage ist das Gerede von Weiterentwicklung wohl nur Farce. Schwer zu glauben, dass dieser Vorstand in der Lage ist, überhaupt ein Unternehmen im Abwärtstrend positiv weiterzuentwickeln.
Der Vertreter der IGM ergänzte den Satz des Finanzvorstands "Wir sind nicht besser geworden als 2008..." mit "Ja, aber weniger! Ist das der Weg in die Zukunft?" - Er erwähnte den von der IGM initiierten Schutzschirm zu Beschäftigung, gemeint ist darunter im weitesten Sinne keine Entlassungen in der Krise vorzunehmen, sondern andere Instrumente anzuwenden. Denn: "Entlassungen auf Dauer sind gefährlicher für ein Unternehmen, als mal die Ohren anzulegen".
Wulf wurde in der folgenden Diskussionsrunde darauf angesprochen. Er "kenne diesen Schutzschirm nicht, finde es aber auch nicht gut". Das lässt noch tiefer blicken.
Ende der zusätzlichen Betriebsversammlung gegen 16:00h