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Denn sie wissen nicht, was sie tun!

von Alcatel-Lucent — Letzte Änderung 29.07.2009 02:00
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Die "zusätzliche Betriebsversammlung" am 28.07.2009, 14:30h anstelle eines Town Meetings bescherte erwartungsgemäß ein volles Haus – Dauerthema: Personalabbau

Vom Hauptsitz der deutschen ALU AG waren 3 Vorstände erschienen. Der Standortleiter glänzte mit Abwesenheit. Es ist schließlich Urlaubszeit.

Nach einer kurzen Begrüßung überreichte der Betriebsratsvorsitzende das Mikrofon an Herrn "WOLF" - ein Freudscher Versprecher vom "Wolf im Schafpelz"?

Vorstand Wulf machte es sich einfach mit seiner Einleitung: "wie sie vielleicht von den Stuttgarter Kollegen schon gehört haben..." Er hatte wohl vergessen, dass die Geschäftsleitung bereits Tage zuvor die Presse über den Personalabbau informiert hatte und jetzt erst auf der Versammlung Stellung beziehen wollte. Er machte in Zahlen deutlich, dass die Firma "drastisch an Wert verloren" hat und "man keine Kunden mehr gewinnen kann, weil die meisten schon Kunden sind". Die anstehende Portfoliobereinigung hätte Auswirkungen auf viele Bereiche, z.B. bei Produkten die sich im "Maintenance Modus" befinden. Hierbei konzentriere man sich auf Länder mit einem geringen Lohnniveau wie Rumänien, China oder Indien.

Besonders wichtig erschien Wulf das Prinzipalmodel. Dies hätte natürlich auch Auswirkungen auf das Personal. Details könne er dazu aber noch nicht nennen. Er erklärte, dass wir zu hohe Kosten erzeugen, der Auftragseingang und damit der Umsatz drastisch zurückgegangen sei. Das 2. Halbjahr sei von einer negativen Auftragslage geprägt. Bezüglich Bonndorf und RFS verzeichne man einen "krassen" Umsatzrückgang. Bonndorf hätte man deshalb seit dem 1. Juli in eine separate GmbH ausgegliedert, mit dem Ziel einen neuen Käufer zu finden.

Zum Schluss machte er "uns allen bewußt", dass "überflüssige Redundanzen konsequent abgebaut werden müssen". Leider blieb uns Wulf die Antwort schuldig, ob auch Managerpositionen betroffen sind. Wenn es sich ein Unternehmen leisten kann, einzelne Direktoren ohne weitere Personalverantwortung in neue, aus dem Boden gestampfte, Abteilungen zu beamen, stellt sich die Frage, ob die Vorstände das Geschäft noch überblicken, das sie leiten sollen. Das Verstecken und Parken hochbezahlter Manager in diesem Unternehmen ist augenscheinlicher geworden als je zuvor.

Von Fehlern im Vorstand sprach Wulf nicht, der Markt sei eben an dieser Situation Schuld. Nun, der Markt muss für vieles herhalten. Der Vorstand hofft auf Besserung, indem er immer wieder Personal abbaut. Wird der Markt dadurch gestärkt oder nur das Gehalt und der Bonus einiger Manager gesichert? Wo sind die mutigen Visionäre, die der Markt von Morgen braucht? Selbstbewusstsein ist nicht, sich vor die Belegschaft hinzustellen und "Personalmaßnahmen" zu verkünden. Das hat nichts mit modernem Unternehmertum zu tun, das ist pure Hilflosigkeit, die dabei unterschwellig zum Ausdruck kommt.

Dann eine Überraschung! Unser neuer Finanzvorstand hat augenscheinlich kürzlich einen Kurs in Präsentationstechnik absolviert. Jedenfalls fiel auf, dass er nun wusste, wo sich das Mikrofon befindet - nämlich direkt vor ihm - und dass man dort möglichst hineinsprechen muss, um von einem Auditorium auch gehört zu werden.

Auch er sprach von "negativem Income", das 1. Quartal 2009 lag unter dem Jahresziel und der Umsatz werde, im Vergleich zum Vorjahr, zurückgehen. Er wiederholte das von Wulf bereits Gesagte, dass das 2. Halbjahr negativ ausfallen wird. In Optical sei ein Umsatzrückgang zu verzeichnen. Die Fixkosten wären nicht wettbewerbsfähig und das operative Ergebnis sei negativ im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz fällt schneller als die Firma die Fixkosten anpassen kann. ALU verliert keine Marktanteile, aber das Marktvolumen nimmt ab.

Für Raunen in der Belegschaft sorgte seine Aussage, dass die Gross Margin leicht besser sei als der Plan, aber nicht besser als 2008.

Um den Anwesenden nochmals klar zu machen, um was es hier geht, wiederholte anschließend der Personalvorstand das zuvor Gesagte mit seinen Worten: "die Kostensituation konnte nicht befriedigend gelöst werden". Damit gab er aber auch indirekt zu, dass der Vorstand zwar schon seit Monaten die Marktsituation kennt, aber bisher nicht in der Lage war, das für alle im Unternehmen befriedigend zu lösen. Ein Armutszeugnis für den Vorstand, den Prinzipal.

Der Personalvorstand erläuterte die Personalabbauzahlen anhand eines Charts. Er argumentierte, dass die (Deutschland-)Zahlen noch nicht auf die Abteilungen herunter gebrochen sind. Wie immer bei solchen Äußerungen ist dies schwer zu glauben, da die Zahlen nicht den Eindruck von "ungefähr" machten. All das müsse noch im Wirtschaftsausschuss am 06.08.2009 diskutiert werden, vorher gibt’s nichts genaueres.

Für die Personalplanung bis 2009/10 sprach er von Kurzarbeit in Optics (50 Personenjahre) und Wireless (30 Personenjahre). Wie dies im einzelnen umgesetzt wird, konnte er noch nicht sagen. Wir sind gespannt, wie die Arbeitsagentur reagieren wird, wenn ALU Personal abbauen will und gleichzeitig Kurzarbeit beantragt.

Wulf ergriff anschließend nochmal das Wort und erläuterte, wie sich die Firma in Zukunft "weiterentwickeln" will. Seine Ausführungen sind an dieser Stelle schnell wiedergegeben: das Wachstum soll neu positioniert, die Bilanzen in Ordnung gebracht, das Prinzipalmodel eingeführt, Wachstum generiert, Kosten in Länder mit niedrigeren Lohnniveau verlagert werden, Web 2.0 zu Web 3.0.

In Anbetracht der jetzigen Lage ist das Gerede von Weiterentwicklung wohl nur Farce. Schwer zu glauben, dass dieser Vorstand in der Lage ist, überhaupt ein Unternehmen im Abwärtstrend positiv weiterzuentwickeln.

Der Vertreter der IGM ergänzte den Satz des Finanzvorstands "Wir sind nicht besser geworden als 2008..." mit "Ja, aber weniger! Ist das der Weg in die Zukunft?" - Er erwähnte den von der IGM initiierten Schutzschirm zu Beschäftigung, gemeint ist darunter im weitesten Sinne keine Entlassungen in der Krise vorzunehmen, sondern andere Instrumente anzuwenden. Denn: "Entlassungen auf Dauer sind gefährlicher für ein Unternehmen, als mal die Ohren anzulegen".

Wulf wurde in der folgenden Diskussionsrunde darauf angesprochen. Er "kenne diesen Schutzschirm nicht, finde es aber auch nicht gut". Das lässt noch tiefer blicken.

Ende der zusätzlichen Betriebsversammlung gegen 16:00h

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(1) Kommentare

Alcatel-Lucent 17.01.2010 19:21
Kommentar von Anonymer Benutzer am 04.08.2009 21:03

SÜDDEUTSCHE
Massiver Stellenabbau Beckstein: "Siemens macht mir großen Kummer" - 08.07.2008
...Stimmung auch in Nürnberg, wo ebenfalls etliche Stellen wegfallen sollen. So sagte der Nürnberger IG-Metall-Sekretär RUDI LUTZ: "Es herrscht sehr viel Frust."

Electrolux/AEG "Das ist eine furchtbare Nachricht" - 07.06.2005
...knapp die Hälfte der in Nürnberg produzierten Geräte würden hier verkauft. IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Rudi Lutz zeigte sich überrascht von den Schließungsplänen. Das ist eine furchtbare Nachricht , erklärte LUTZ. Man habe sich auf einem guten Weg...

NÜRNBERGER NACHRICHTEN
Nürnberg: IG Metall droht bei Honsel mit «Krieg» - 18.03.2009
IG Metall will Entlassungen nicht kampflos hinnehmen
Krollikowsky zufolge hat Honsel 400 Mio. € Schulden. "Momentan läuft ein Wettrennen zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung", ergänzte IG-Metall-Sekretär RUDI LUTZ

usw. usw. usw...
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