Machterhalt
20.05.2014
Der Kulturwandel bei Alcatel-Lucent
Ein Ruck soll Alcatel-Lucents Kultur langfristig herumreißen. Es erstaunt nicht, dass dieser Anstoß aus der Riege der Geschäftsleitung kommt.
Die Führungskräfte hat man auserkoren, dieses Ziel umzusetzen und in die Mitarbeiterköpfe zu transferieren. Die Rede ist von Wertschätzung, Vertrauen, Motivation, Respekt etc. im Rahmen von Mitarbeiterdialogen. Das hat es wohl lang nicht gegeben, sodass es nun endlich an der Zeit ist, Veränderungen herbeizuführen - so die Geschäftsleitung. Viele kennen noch den Customer Day zu PKI-Zeiten, der Millionen DM gekostet hat. Leider mit dem Nachteil, dass hinterher mal wieder Personal "eingespart" werden musste. Es folgten noch andere Programme dieser Art, nicht mehr so kostspielig, aber immer mit dem gleichen Ergebnis: Entlassungen.
Diesmal scheint es anders zu laufen. Unter dem Synonym "Kulturwandel" möchte man parallel zu einem derzeit anstehenden Personalabbau Vertrauen bei den Mitarbeitern schaffen. Wie soll das funktionieren? Nun, die Geschäftsleitung behauptet, sie selber hätte unter sich schon gute Fortschritte gemacht. Wahrscheinlich war dafür der Teil des Gehirns direkt hinter der Stirn – der präfrontale Cortex – besonders verantwortlich. Und wie kann man das beim Mitarbeiter fördern? Verbundenheit, Wachstum und Gestaltbarkeit führen zur Ausschüttung von neuroplastischen Botenstoffen im Mittelhirn, welche sich dann direkt im präfrontalen Cortex hinein ergießen. Das führt dann dazu, dass sich ständig neue Netzwerke im Gehirn herausbilden und der Dünger für Wachstum respekive Kulturwandel ist. Die Lösung der Alcatel-Lucent Probleme schlechthin und Grund genug für die Mitarbeiter dies mit zu gestalten. Hurra!
Die Glaubwürdigkeit wackelt an allen Ecken. Personalabbau, wenn auch "nur" im Bereich Mobility, steht schon längere Zeit auf dem Plan. Erst war die Rede von 520 Kollegen, nach Wochen entnahm man der Presse jetzt seien es 420. Wieder Wochen später sprach man von 363 Kollegen. Der Vorstand gab in einer Betriebsversammlung zu verstehen, dass er so schnell wie möglich eine Lösung anstrebe, damit "den betroffenen Mitarbeitern die Ungewissheit" genommen werde. Diese Aussage mögen manche Führungskräfte schon als Beginn des Kulturwandels empfunden haben, die betroffenen Kollegen eher nicht.
Es ist eine Farce. Da tritt eine relativ neue Vorstandsriege auf und versucht mit Sprüchen, Sportparolen und anderen symbolträchtigen Bildern einen erstarrten Betrieb wieder auf Fahrt zu bringen. Motivation kann nicht herbeigeredet werden und schon gar nicht während eines Personalabbaus. Leider spricht aus diesem Wandlungswillen die Hilflosigkeit der Oberen. Es gibt Führungskräfte, die kleben nur noch auf Grund der Gravitation auf ihren Stühlen. Viel gibt es für einige nicht mehr zu tun und viel Positives haben sie in der Vergangenheit nicht bewirkt, sonst stünde die Firma jetzt anders da. Und gerade diese Vorgesetzten sollen den angeordneten Kulturwandel herbeiführen? Die Wandlung vom Saulus zum Paulus erscheint im Vergleich dazu einfacher gewesen zu sein. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es nach einem möglichen Scheitern des französischen "Verschiebe"-Plans keinen Plan B mehr geben wird. In dem Zusammenhang erinnern wir an den davon laufenden Mann auf der wackeligen Hängebrücke.
Das Personal wird reduziert, die Manager bleiben. Vielleicht ist es nur zu teuer die Verantwortlichen der Krise zu entlassen und mit Geld abzufinden? Da kommt es dann doch billiger, einen Kulturwandel herbeizureden.
Gut, dass wir unserem Management vertrauen können.
23.04.2010
Macht, Zensur und Information Hiding
Die IGM- Mehrheitsfraktion im Betriebsrat will bis auf weiteres und gegen bestehendes Recht verhindern, dass Information, die der Betriebsrat auf elektronischem Weg bekommt, allen BR- Mitgliedern elektronisch zugänglich gemacht wird.
Fast alle Unterlagen, die der Betriebsrat bekommt, sind elektronische. Damit Betriebsräte ihre Rechte und Pflichten für die KollegInnen wahrnehmen können, benötigen sie sämtliche Unterlagen.
Viele Unterlagen und den Mailverkehr an den Betriebsrat bekommen BR-Mitglieder nicht zu Gesicht. Um das zu ändern, übergab die BR-Fraktion Liste 2 bereits letzte Woche ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit folgendem Leitsatz:
Jedes Mitglied des Betriebsrats verfügt nach §34 Abs. 3 BetrVG über ein unabdingbares Recht, auf Datenträgern gespeicherte Dateien und E-Mails des Betriebsrats auf elektronischem Wege zu lesen.
Der Betriebsrat hat am 22. April 2010 entschieden, ein Gutachten darüber einzuholen. Es soll geklärt werden, welche Bedeutung dieses BAG-Urteil für die Betriebsratsarbeit hat.
Der obenzitierte Leitsatz ist u.E. eindeutig zu verstehen.
Die führenden IGM-Betriebsräte sehen das nicht so. Sie verstehen zwar anscheinend, dass ein Recht darauf besteht, dass die elektronischen Unterlagen den Betriebsratsmitgliedern zugänglich gemacht werden, wissen aber angeblich nicht, wie sie es umsetzen sollen.
Ihr Wortführer, selbst ehrenamtlicher Arbeitsrichter in Nürnberg, konnte die folgende Passage in der Urteilsbegründung nicht interpretieren:
27.[...]Der Senat sieht es dabei keineswegs als zwangsläufig an, dass Betriebsratsmitgliedern von ihren eigenen Rechnern aus Zugang zu allen Daten des Betriebsrats eröffnet wird oder an den Betriebsrat gerichtete E-Mails an die persönlichen Betriebsadressen seiner Mitglieder weitergeleitet werden müssen. Entscheidend ist, dass jedes Mitglied von bestimmten Geräten aus jederzeit mit zumutbarem Aufwand den vollständigen Datenbestand einschließlich des E-Mail-Kontos einsehen kann. Diese Maßnahmen, über die der Betriebsrat durch entsprechende Beschlüsse zu entscheiden hat, dürfen allerdings nicht wie im vorliegenden Fall dazu führen, dass das Leserecht für einzelne Mitglieder inhaltlich beschränkt wird.
Statt konstruktiv an einer Lösung zu arbeiten, die dem Gesetz entspricht und allen Betriebsräte Zugang zu den Unterlagen verschaffen würde, verstecken sich die führenden IGM-Betriebsräte hinter einem zu erstellenden Gutachten, das ihnen solche einfachen Sätze verständlich erklären sollte.
Im Klartext: die führenden IGM-Betriebsräte nutzen vermutlich ihre Mehrheit aus, um BR-Mitglieder von Informationen fernzuhalten. Das Gutachten anscheiend wurde in Auftrag gegeben, um Zeit zu gewinnen. Es geht u.E. um Machterhalt.
Pikanterweise wollen auch die anderen IGM-Betriebsräte, die für den Antrag gestimmt haben, nicht wissen, welche Information der Betriebsrat hat. Denn müssten sie Stellung beziehen.
Ausblick
Nächste Woche werden Anträge von der Liste 2 in den Betriebsrat eingereicht, die detaillieren, wie das BAG-Urteil umgesetzt werden kann. Wir gehen jedoch davon aus, dass der IGM geführte Betriebsrat die Anträge ablehnen wird.
Vielleicht täuschen wir uns, vielleicht kommt es nächste Woche ganz anders, als wir erwarten.
Das Verhalten der IGM-Betriebsräte lässt jedoch nichts gutes erahnen:
- die Aufstellung der IGM-Kandidatenliste für die Betriebsrat erfolgte undemokratisch und keine/r der KandidatInnen lehnte sich gegen die führenden IGM-Mitglieder auf. Keine/r wusste wie die Liste zustande kam und keine/r der KandidatInnen verlangte nach einer demokratischen Aufstellung der Liste
- Eine schmutzige Wahlkampagne wurde von der IGM gegen die konkurrierende Liste 2 geführt. Mit Halbwahrheiten und Unterstellungen wurde Stimmung gegen sie gemacht. Empörung seitens der IGM-Mitglieder konnten wir nicht feststellen.
- Überall wurde von der IGM mit den Vorzügen des irgendwann einmal einzuführenden Haustarifvertrags Wahlkampf gemacht. Allerdings wurden bis heute keine Kopien des HTVs verteilt, auch nicht an IGM-Mitglieder!
Soviel zum Wahlslogan der IG Metall: „Demokratie im Betrieb leben“!
Fazit
Information ist Macht. Wer über Information verfügt, kann nicht nur besser entscheiden und handeln, sondern kann andere Menschen steuern bzw. manipulieren. Er hat somit Macht und kann sie ausüben. Um das zu erreichen, muss man den Zugang zur Information haben und die Informationskanäle unter Kontrolle halten ...
Die IG Metall im Betrieb hat sich schon wieder nicht gerade mit Ruhm bekleckert.