Niemand muss sich verkaufen lassen
Um Mitternacht, den 9. Oktober erfolgte der Betriebsübergang von 180 Beschäftigten im Bereich Mobility Access zur Firma Nash Technologies. Um den Übergang schmackhaft zu machen, erhalten die Betroffenen einen „Retention-Bonus“ von 12 Monatsgehältern, eine „weitere Zahlung“ von 4 Monatsgehältern und eine Beschäftigungssicherung bis zum 31.12.2009. Dieses Ergebnis wurde den KollegInnen nicht geschenkt, harte Auseinandersetzungen gingen dem voraus.
Die KollegInnen hatten nicht nur gegen einen unkooperativen Vorstand zu kämpfen. Gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen verhandelt der GBR einen Retention-Bonus und eine Beschäftigungssicherung, die anschließend von KollegInnen abgelehnt wurde.
Über die Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben wir bereits berichtet. Nach der Demonstration vom 18. September, bei der das ATT-Projekt zur Grabe getragen wurde, dauerte es nur wenige Tage bis es zu einem Ergebnis kam.
24. September
Am 24. September um 14.00 Uhr fand wie jeden Nachmittag eine Informationsveranstaltung statt, bei der über den aktuellen Stand der (Nicht-)Verhandlungen berichtet werden sollte.
Während der Versammlung kam, nach ca. einer dreiviertel Stunde, ein Betriebsratsmitglied ganz aufgeregt herein und berichtete, der Betriebsratsvorsitzende hätte ihn auf dem Weg von Stuttgart nach Nürnberg angerufen und gesagt:
- Es müsse noch am selben Tag eine BR-Sitzung stattfinden, an der über alle Papiere positiv entschieden werden soll (Abspaltungsvereinbarung, Überleitvereinbarung, Eckpunktepapier)
- Wenn dies nicht geschieht, dann wird am Freitag über einen Sozialplan verhandelt werden.
Gegen 16 Uhr fand eine Betriebsratssitzung statt.
In der Sitzung war der Standortleiter anwesend. Er sagte, entweder unterschreibt der Betriebsrat das Eckpunktepapier, die Überleitvereinbarung und den Interessenausgleich noch heute oder es wird morgen über einen anderen Interessenausgleich verhandelt werden, der den Abbau von 180 Arbeitsplätzen beinhalten wird, was allerdings den Standort Nürnberg gefährden könnte.
Daraufhin unterschrieb der Betriebsrat alle Vereinbarungen. Um 18:00 kam der Betriebsrat zurück und erklärt den noch anwesenden KollegInnen, dass die Vereinbarungen unterschreiben werden.
Danach
Eigentlich wäre diese Geschichte ab diesem Zeitpunkt zu Ende. Aber es kam anders. Offensichtlich waren zumindest die Überleitvereinbarung und der Interessenausgleich mit heißen Nadeln gestrickt worden.
Diese beiden Vereinbarungen mussten „nachgebessert“ werden, der Betriebsübergang fand nicht wie geplant am 1. Oktober statt. Interessanterweise haftet für die „weitere Zahlung“ von 4 Monatsgehältern jetzt ALU und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, Harvey Nash (HVN). Vermutlich verlangte HVN die Verschiebung aus „technischen Gründen“ wegen vertraglichen Nachbesserungen.
Die Unterrichtung
Am 9. Oktober kamen die Briefe, die den Übergang zu Nash Technologies (gegenwärtig Blitz F08 – neun-null GmbH) beschreiben.
In Sektion 12, Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses, wird versucht, KollegInnen davon abzuhalten, dem Betriebsübergang zu widersprechen:
- Es wird mit einer betriebsbedingten Kündigung gedroht, weil ALU nach dem Betriebsübergang „nicht mehr über Beschäftigungsmöglichkeiten auf einem Ihrem bisherigen Arbeitsplatz entsprechenden Arbeitsplatz im Bereich W-CDMA R+D“ verfüge.
- Sollte es zu einem Sozialplan kommen, gehen die Betroffenen leer aus. Die Firma hat nämlich mit dem Gesamtbetriebsrat und dem Betriebsrat „Einigkeit darüber erzielt“, dass die Leistung „nur für solche Arbeitnehmer vorgesehen wird, die nicht infolge ihres Widerspruchs gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Nash Technologies GmbH von der Kündigung betroffen sind“.
Und die Folgen …
Wer nicht bei Nash Technologies bleiben möchte, hat 4 Wochen Zeit, dem Übergang zu widersprechen. Zur Frage einer möglichen betriebsbedingten Kündigung empfehlen wir den Text unseres befreundeten Mitarbeiternetzwerkes NCI zum Thema Betriebsübergang.
Unabhängig vom Inhalt des Briefes, sollten sich die Betroffenen nicht einschüchtern lassen!
Ein wesentlicher Punkt bei einem Widerspruch ist, dass die Firma das Kündigungsschutzgesetz beachten muss: „ … er muss eine korrekte Sozialauswahl über den Betrieb führen und nachweisen, dass es im Unternehmen (nicht nur Betrieb, jedoch nicht Konzern) keinen einzigen freien Arbeitsplatz gibt, auf dem der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden kann. Deshalb vermeidet der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen und bietet lieber Abfindungen an, um die Mitarbeiter zum Gehen zu bewegen.“
Nur noch peinlich: dieser Gesamtbetriebsrat
Was wäre ein Personalabbau, wie das Outsourcing vom Bereich Mobility Access, ohne dass der GBR nicht einen Erfolg für sich verbucht? Prompt zum Abschluss des Betriebsübergangs hat sich der GBR mit einem Flugblatt mit seinen „Erfolgsmeldungen“ zu Wort gemeldet.
Wie nicht anders zu erwarten haben unsere GBR-Helden aus dem Personalabbau – anders ist das Outsourcing vom Bereich Mobility Access nicht zu bewerten – einen Erfolg daraus gedichtet.
Nicht genug damit, dass der GBR gegen die Wünsche der KollegInnen gehandelt hat, nicht genug damit, dass die Aktionen der Betroffenen das Ergebnis des GBR verbessert haben. Unsere „Arbeitnehmervertreter“ wollen nun auch noch das „positive“ Ergebnis für sich beanspruchen.
Das ist für einen GBR schon ziemlich daneben, aber es geht noch schlimmer: Die Firma kann dank dem zugestimmten Eckpunktepapier damit hausieren gehen, dass der Gesamtbetriebsrat und der Nürnberger Betriebsrat mit der Firma „Einigkeit“ erzielt hat, dass die betroffenen KollegInnen, die dem Betriebsübergang widersprechen, im Falle eines Sozialplans leer ausgehen Obwohl das Eckpunktepapier laut Anwalt des Betriebsrats rechtlich wertlos ist, hat der GBR bewusst gegen die Interessen der KollegInnen gehandelt und sich als Handlanger der Geschäftsleitung mißbrauchen lassen.
Der BR und die KollegInnen wurden unter Druck gesetzt. Genau deshalb ist die Zustimmung zu den drei Papieren umso bedenklicher. Nach unserem Dafürhalten kann man die Drohung der Firma, über Entlassungen bzw. eine Gefährdung des Standortes zu reden, auch als Erpressung werten, falls der BR allen Vereinbarungen nicht zustimmt.
Egal ob die Drohung tatsächlich eine Erpressung war oder der Betriebsrat lediglich unter Druck gesetzt wurde, weiß der Vorstand jetzt, wie er den Betriebsrat beeinflusst.
Fazit
Was aus diesem Betriebsübergang wird, können wir besser einschätzen, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist. Die Firma setzt alles daran, dass die KollegInnen den Deal widerspruchslos akzeptieren.
Wir hoffen, dass sich die KollegInnen Zeit nehmen, genau zu überdenken, ob Nash Technolgies eine Alternative ist oder ob es nicht besser wäre, bei Alcatel-Lucent zu bleiben. Bei den Überlegungen darf nicht vergessen werden, dass die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen eingehalten werden muss. Mit Hilfe des Gesamtbetriebsrats und des Nürnberger Betriebsrats möchte die Firma keine soziale Auswahl durchführen und daher die Betroffenen davon abbringen, dem Betriebsübergang zu widersprechen.
Niemand muss sich verkaufen lassen.