Rezept gegen Langeweile - Bericht der 2. Betriebsversammlung 2009 bei Alcatel-Lucent Nürnberg
29. April: Eine anfangs langweilige Betriebsversammlung wurde zum Ende hin doch noch richtig spannend. Großartig - aber nur was die Dramaturgie betrifft.
Bericht des Betriebsrats
Die Inhalte der vorgesehenen Themen (Zielvereinbarung/Bonus, Zeiterfassung, neue ALU-"Grades", Telefonanlage) schienen interessant und nicht langweilig. Leider erlebten wir wieder einmal eine sehr schwach besetzte Betriebsversammlung.
Überraschend der Beginn der Versammlung: nicht der BR-Vorsitzende, sondern ein BR-Vertreter sprang auf und berichtete! Eine Erklärung dieses spontanen Wechsels blieben beide schuldig. Wir können wieder einmal nur mutmaßen (...)
Der BR-Vertreter erklärte, dass alle alten Betriebsvereinbarungen zum Thema Zielvereinbarungen weiterhin gelten und wie man/frau sich bei der Aufstellung verhalten solle. Ferner wurde die Bonusregelung von ihm erläutert, als da sind: die Bewertung der Ziele und die Berechnung der Höhe der ausgezahlten Geldsumme, wenn es denn dazu kommen solle. Ein Bericht, über die BR-Tätigkeiten, war das allerdings nicht.
Die Stempeluhren (S-t-e-m-p-e-l-uhren!!!) in Stuttgart und Berlin sollen durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem abgelöst werden. Wohin ALU-Nürnberg mit seiner derzeitigen Vertrauensgleitzeit hinsteuert, ist noch unklar. Eine Meinung hatte der BR selber nicht dazu, sondern verlangte lediglich eine offizielle Stellungnahme vom Vorstand.
Ein weiteres Thema behandelte die neuen ALU-Grades. Im ganzen Konzern sollen alle Arbeitsplätze beschrieben und bewertet werden. Jeder Mitarbeiter wird demnach in eine Gehaltsstufe („Grade“) eingruppiert. Ob und welche Konsequenzen dieser Prozess für uns haben könnte, wurde allerdings nicht erläutert.
Zuletzt erfuhren wir, dass der BR doch aktiv mitgestaltet. Leider ohne weitere Details berichtete der BR-Vertreter, dass der BR derzeit über eine Rufbereitschaft und über eine neue Telefonanlage mit der GL verhandelt. Im Gesamtbetriebsrat wurde zwei Vereinbarungen abgeschlossen.
Der Bericht ließ leider die eigene Meinung des BR zu den einzelnen Themen vermissen. Die Kollegen können von einem Tätigkeitsbericht auf einer Betriebsversammlung durchaus erwarten, dass dieser seinen eigenen Standpunkt zu den Themen, seine Vorgehensweise und was er selber gestalten will, auch erläutert.
Bericht der IGM im Betrieb
Zu diesem Thema ergriff dann der BR-Vorsitzende das Wort. Er selber sei gut gelaunt und beschrieb, worin aus seiner Sicht die Fortschritte auf dem Weg zu einer Gehaltserhöhung bestünden. Er erläuterte einen Brief an den obersten Personalchef, in dem er die möglichen Wege zu einem Tarifvertrag für Nürnberg aufzeige und welche Schritte zu einem Tarifvertrag unternommen werden könnten.
Das Ergebnis seiner Rede war, zu erklären, dass die Bezahlung der 4,2% Tariferhöhung durchsetzbar wäre, wenn ausreichend viele Nürnberger Kollegen jetzt in die Gewerkschaft eintreten und die Forderung dann aufstellen könnten. Das Zeitfenster dafür sei Q2.
Bericht des Vorstandes
Der Standortleiter/Vorstandsmitglied berichtete über die Aktivitäten der einzelnen Bereiche und wie die zukünftige Aufgaben aussehen sollen.
Danach sprach der Personalvorstand! Ein Highlight des Tages!
Er las die Ergebnisse einer ALU-Umfrage vor und fand es hervorragend, dass 25% (!) der Gefragten daran teilnahmen. Die Leinwandpräsentation hätte er sich aber sparen können, da die Ergebnisse ab der dritten Reihe nicht mehr zu lesen waren. Wann lernt das Management ENDLICH auch hier dazu!? Ein kurzer Extrakt des Surveys wäre sinnvoller gewesen, als das krampfhafte, „äh“-geprägte Heruntergeplapper von Ergebnissen, die hier kaum jemanden interessieren.
Es würden bald 400 Aktienoptionen/MA zum Preis vom 2€/Stück ausgegeben. Angesichts des derzeit niedrigen Kurswertes gab es erneut Gelächter von vielen Anwesenden. Der Personalvorstand heizte die Stimmung unwillkürlich auch noch ein, indem er erklärte, dass die potentiellen Chancen doch nicht von der Hand zu weisen seien. Großes Gelächter!
Der Fettnäpfchen nicht genug. Als er verkündete, dass für Nürnberg eine neue elektronische Zeiterfassung anstehe („Das ist heute Standard“), wird ihm durch Zwischenrufe erklärt, dass Nürnberg eine Vertrauensgleitzeit hat. Verständnisprobleme seinerseits...
Wir übertreiben nicht, wenn wir seinen gesamten Vortrag als rhetorische Zumutung betrachten, zumal er auch noch schlecht vorbereitet war. Mit derartigen Beiträgen kann man vielleicht „wer-weiss-wo“ Eindruck schinden, aber nicht bei dieser gebeutelten Belegschaft.
Bitte verschont uns in Zukunft damit!
Diskussion
Ein BR-Mitglied berichtete von neuen Kontraktoren, die vor kurzem bei ALU Nürnberg aufgetaucht seien. Er wolle vom Vorstand wissen, wie dies im Einklang mit der Aussage des Konzernchefs zu bringen wäre, Kontraktoren abzubauen. Außerdem wolle er wissen, wie es dazu kommen kann, dass ein Vorgesetzter mit Geld abgefunden werden kann und kurz darauf wieder bei ALU als Chef tätig sein kann.
Der Standortleiter konnte die Fragen dazu nicht beantworten, da er den Fall nicht kenne und sich erst informieren müsse.
Die Frage nach der Zukunft des Standorts Nürnberg beantwortete der Standortleiter floskelhaft: man dürfe insgesamt nur den Standort Deutschland betrachten, alle anderen Diskussionen würden den Standort Nürnberg gefährden. Einige Betriebsräte entgegneteten ihm, dass nicht die Belegschaft diejenige war, die den Standort unter die kritische Masse heruntergefahren hätte. Der Vorstand würde zwiegespalten argumentieren, einerseits plädiere er für eine Vereinheitlichung, andererseits mache er bei der Bezahlung Unterschiede. Das passe nicht zusammen.
Fazit
Hätten wir nicht den beiden Redebeiträgen unserer Vorstandsmitglieder lauschen können, wäre der BR-Vormittag ziemlich langweilig verlaufen. Mit ihren Beiträgen haben unsere Vorstände wieder einmal gezeigt, welches Potential in ihnen steckt. Wir sind auf mehr gespannt!
Der BR kann sich daran ein Beispiel nehmen, vielleicht hätte er dann in Zukunft ein volleres Haus.