02
02.08.2008
Billige Entsorgung
Seit dem 24.07.2008 ist es offiziell: Der Bereich UMTS am Standort Nürnberg soll an die englische Personalverleihfirma („Bodyshopper“), Harvey Nash, outgesourced werden. Damit möchte Alcatel-Lucent einen lästigen Personalabbau umgehen, denn das ATT-Projekt soll heruntergefahren werden und ALU will keine andere Beschäftigungsmöglichkeiten für die KollegInnen finden.
Seit dem 01.02.2008 ist bekannt, dass Nürnberg „kein Standort mehr für UMTS“ ist.
Zumindest seit diesem Zeitpunkt, und vermutlich sogar schon seit der Fusion von Alcatel und Lucent im Jahr 2006, wurde hinter verschlossenen Türen über die Zukunft von Mobility Nürnberg verhandelt. Trotz mehrfacher Versuche der Betroffenen wurden sie nicht in diese Beratungen einbezogen. Wenn wir nun das Ergebnis sehen, wird klar, warum sie ferngehalten wurden: sie sollen billig entsorgt werden.
Diese Entscheidung, welches Unternehmen den Zuschlag längst erhalten hat, wurde am 24. Juli bekanntgegeben. Am 25. Juli bekamen die Betroffenen die Gelegenheit, die Firma Harvey Nash kennenzulernen. Der deutsche Geschäftsführer, Udo Nadolski, war anwesend und hat die Firma und die Zukunftspläne vorgestellt. Wesentlich dabei waren vier Punkte:
- eine neue GmbH soll für den UMTS-Bereich gegründet werden.
- die Kosten sollen verringert werden, d. h., Teile der Arbeit sollen nach Vietnam transferiert werden. Deshalb sollen Vietnamesen nach Nürnberg kommen, um in 6 Monaten „angelernt“ zu werden. Dies soll gleich nach der Übernahme geschehen.
- obwohl es bis zum Jahr 2010 Geld von ALU gibt, besteht dennoch keine Beschäftigungsgarantie für die KollegInnen.
- In Zukunft wird es keine großen Projekte geben. Die neue Firma wird eine Beratungsgesellschaft werden. Nadolski geht davon aus, dass die KollegInnen künftig „vor Ort“, sprich beim Kunden, arbeiten müssen.
Wenn Harvey Nash eine neue Firma für UMTS gründet, geht es vordergründig nicht darum, ein neues Image bzw „Branding“ aufzubauen, sondern Harvey Nash finanziell gegen eine Pleite der neuen GmbH abzusichern. Übrigens ist dies die gleiche Strategie, die ALU bei der Eingliederung der ehemaligen E-Plus-Service-KollegInnen verfolgte.
Als erstes soll der Projektvertrieb für die neue Firma aufgebaut werden. Erst nach der Übernahme sollen neue Projekte akquiriert werden. Welche das dann sein sollen, dafür wären die KollegInnen selbst verantwortlich.
Abenteuerlich ist auch das Outsourcing von Teilbereichen der Arbeit. Unabhängig von der zusätzlichen Belastung des Anlernens und des Termindrucks werden dadurch zusätzliche Arbeitsplätze frei, für die Alternativen gesucht werden müssen ....
Damit nicht genug: die KollegInnen sollen sich auch noch darauf einstellen, dass sie in Zukunft selten zu Hause sind. Falls die neue Firma Erfolg haben sollte, wird nicht mehr in großen Teams gearbeitet werden, sondern irgendwo, sei es in Flensburg, München oder wo auch immer. Was für junge unverheiratete Menschen vielleicht noch realisierbar sein mag, wird für alle anderen problematisch und sicherlich eine große Belastung für die betroffenen Familien.
Fazit
Harvey Nash ist ein Abenteuer. Es kann gut gehen, aber das Risiko tragen allein die Betroffenen. Wie wir bei z.B. Sinitec gesehen haben, kann eine Abwicklung schnell gehen. Wer sich darauf einlassen will, sollte sich über die möglichen Konsequenzen im klaren sein: entweder finanziell entsprechend abgesichert zu sein oder in einem Alter zu sein, in dem es möglich ist, einen neuen Job zu finden.
Nach der gegenwärtigen Lage und Information können wir niemandem raten, rüber zu gehen.
In den nächsten Wochen, bevor die Verhandlungen über eine Überleitvereinbarung stattfinden, erwarten wir von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat, dass sie diesen Deal unter die Lupe nehmen und Stellung beziehen. Es darf nicht sein, dass sie den Betroffenen lediglich helfen, sich selbst zu entsorgen. Falls es eine negative Einschätzung gibt, und davon müssen wir leider ausgehen, muss sie offen kommuniziert werden.
Es gibt Alternativen zum Outsourcing. Dieser Deal muss nicht umgesetzt werden und falls die Konditionen nicht gut sind, wird er platzen und die Suche nach einem „Plan B“ wird anfangen. Wer mehr über Betriebsübergänge wissen möchte, empfehlen wir den Text unseres befreundeten Mitarbeiternetzwerkes, NCI.