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09.05.2014

Together Now - Erfolg trotz massiver Gegenkampagne

von kraftfahrer — Letzte Änderung 09.05.2014 10:45

Der europäische Aktionstag am 3. Mai 2014 gegen Sozialdumping war ein wichtiger politischer Erfolg der noch jungen Bewegung der Transportarbeiter*innen - obwohl die Beteiligung in Berlin aufgrund massiver Gegenmaßnahmen interessierter Kreise weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Ablauf des Aktionstags gegen Sozialdumping

Am 3. Mai 2014 haben mehrere Tausend Menschen in sieben europäischen Ländern gegen Sozialdumping demonstriert. Die meisten Teilneherm*innen gab es in Skandinavien, wo die Transportgewerkschaften offiziell aufgerufen hatten. In Berlin kamen 200 Demonstrant*innen zusammen, denen sich im Laufe des Nachmittags bis zu 100 Besucher*innen am Brandenburger Tor anschlossen. Damit wurde das Ziel der Organisatoren von 500 Personen deutlich verfehlt.

Zum inhaltlichen Ablauf verweisen wir auf die Berichte der Ford-Kollegen und des Klassenkampf Block Berlin. Die Medien haben über die Protestaktion recht wohlwollend und ausführlich berichtet, u.a. in den Regionalnachrichten und verschiedenen Zeitungen (Neues Deutschland , Berliner Zeitung , TAZ , Jungle World).

Polizeischikanen und Gegenkampagne

Die Berliner Polizei hat nach allen Regeln der psychologischen Kriegsführung und mit Hilfe allerlei bürokratischer Tricks versucht, die Proteste kaputt zu machen. Das massive Polizeiaufgebot in Kampfmontur sollte offensichtlich bei der sorgfältig vorbereiteten Provokation zum Einsatz kommen. Dies scheitert jedoch am zugleich konsequenten wie besonnenen Verhalten der Demonstrant*innen.

Bereits bei der Anmeldung wurde alles unternommen, die Proteste so wirkungslos wie möglich zu gestalten, z.B. durch kleinliche Auflagen für die Sternfahrt. Dem unerfahrenen Anmelder wurde die Fußgängerdemo im ersten Anlauf erfolgreich ausgeredet mit der frechen Lüge, es sei jetzt - eine Woche vorher - zu spät für eine Anmeldung.

Am fiesesten war die Fangfrage beim sogenannten Kooperationsgespräch, wie lange die Reden gehalten würden? Die korrekte Antwort bis 15 Uhr wurde dazu benutzt, die Veranstaltung nur bis zu diesem Zeitpunkt zu genehmigen. Dabei sollte das Programm u.a. mit Podiumsdiskussion und Konzert bis 21 Uhr gehen und war entsprechend angemeldet und öffentlich beworben worden. So zieht man Kollegen, die keine gelernten Verwaltungsjuristen sind, über den Tisch!

Als dann um ab 11:30 Uhr Bierbänke als Sitzgelegenheit aufgestellt werden und ein Imbisswagen mit dem Bratwurstverkauf startet, feixt Polizeioberrat R. als Einsatzleiter innerlich. Die sorgfältig geplante Falle kann zuschnappen.

Kaum hatte Ingo S. als Vorsitzender des KCD und Anmelder gegen 13:30 Uhr mit der Hauptrede begonnen, sollte alles ganz schnell gehen. Die Veranstaltung habe einen Volksfestcharakter und deshalb müsse der Imbisswagen schließen und die Bierbänke abgebaut werden, meint Polizeioberrat R. als Einsatzleiter und Vertreter der Versammlungsbehörde. Passend dazu postieren sich die riot cops drohend am Rande der Kundgebung. Unter dem massiven Druck der Polizei mussten die Veranstalter mitten in der Rede die Bänke abbauen. Nur dem beherzten Eingreifen anwesender linker Unterstützer*innen und einer Rechtsanwältin war es zu verdanken, dass Ingo S. seine Rede nicht unterbrechen musste und die Polizeiprovokation letztlich ins Leere gelaufen ist. Entsprechend dem Willen der Teilnehmer*innen werden alle Reden gehalten, das Konzert mit einem Country-Sänger findet statt und um 17 Uhr beenden wir mit dem gemeinsamen Abbau einen anstrengenden Tag.

Das Fehlen der LKW's sorgte ebenfalls für viel Enttäuschung. Sollte es den Fahrern immer noch zu gut gehen, wie manche Teilnehmer*innen in ihrem Frust spekulierten? Wohl kaum. Fahrer aus unterschiedlichen Speditionen berichten, dass ihnen mit Entlassung gedroht wurde, falls sie mit Firmenfahrzeugen an der Sternfahrt teilnehmen würden. Da dies bei allen bisherigen Protesten nie ein Problem war, kann der plötzliche, deutschlandweite Sinneswandel verschiedener Chefs kein Zufall sein und ist nur mit einer gezielten Gegenkampagne zu erklären.

Auswertung des Protesttages

Die spontane Stimmung bei Vielen, die jede Menge Kraft, Zeit und Geld in die Organisation der Protesttags gesteckt hatten, hat in Frust, Resignation, gegen sich selbst gerichtete Aggression und dem Gedanken bestanden, in Deutschland kannst halt nix machen. War der 3. Mai wirklich ein Desaster, wie diese künstlich erzeugte Stimmung und die geringe Beteiligung nahelegen sollen?

Der 3. Mai stellt sich bei genauerer Betrachtung als wichtiger politischer Erfolg da. Wir stellen dies nicht fest, weil wir uns die Welt schönreden, sondern aus folgenden Gründen:

  1. Die Tatsache, dass es gelungen ist unter dem Motto "Together Now" einen branchen- und grenzüberschreitenden Protest zustande zu bringen, ist an sich schon ein Riesenerfolg. Bekanntlich kriegen es die Gewerkschaften regelmäßig nicht mal hin, parallel laufende Streiks in einer Stadt zusammen zu bringen. Und jeder Standort stirbt weiter für sich allein, wie z.B. die Fordkollegen zu berichten hatten (erst machen sie Genk platt und jetzt droht der Verlust von 4000 Jobs in Köln). Bei solchen traurigen Verhältnissen ist "Together Now" ein echter Schritt nach vorne.
  2. Mit dem europäischen Protesttag gegen Sozialdumping ist es zum erstenmal in Deutschland gelungen, die in Form von einzelen Aktivist*innen, Betriebsgruppen und oppositionellen Betriebsräten zerstreut im Land vorhandenen Kerne einer spontanen Arbeiter*innenbewegung gemeinsam auf die Straße zu bringen. Das alles wird selbstorganisiert ohne die Gewerkschaften, Parteien und großen linken Organisationen von einigen wenigen Aktivist*innen und mehreren Dutzend Kolleg*innen auf die Beine gestellt.
  3. Welche politische Sprengkraft dieses zarte Pflänzlein einer Arbeiter*innenbewegung von unten im Zusammenhang mit der sozialen Lage in Europa hat, hat uns die Reaktion der Gegenseite am 3. Mai gezeigt. Die gezielte Provokationen der Polizei, die das Ziel verfolgten, die Kundgebung kaputt zu machen und so die junge Bewegung zu zerschlagen, bevor sie sich stabiliseren kann, zeigt wovor die Herrschenden Angst haben!
  4. Ein weiterer Grund, warum der 3. Mai ein wichtiger politischer Erfolg gewesen ist, besteht darin, dass die Polizeiprovokation zurückgeschlagen werden. Angesichts des wohl von niemanden erwarten Niveau der Konfrontation ist das Ergebnis am Ende des Tages alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Kundgebung wird diszipliniert durchgezogen, die Weltuntergangsstimmung zurückgedrängt und der Kern der Aktivist*innen verabschiedet sich mit einem "So nicht, jetzt erst Recht!"

In diesme Sinn können wir ein positives Gesamtfazit ziehen: Together Now! - der Anfang ist gemacht. Am 3. Mai haben einige Dutzend Arbeiteraktivist*innen eine Lektion erhalten über die Machtverhältnisse in dieser kapitalistischen Klassengesellschaft. Dank der Berliner Polizei haben sie in 2, 3 Stunden mehr verstanden, als hundert linke Flugblätter in einem Jahr erklären können. Das wird uns bei zukünftigen Kämpfen von großem Nutzen sein.