März
Sub-Archive
30.03.2014
Wir kommen nach Berlin - Sternfahrt und Demo am 3. Mai
Im Rahmen des europäischen Aktionstags gegen Sozialdumping wird am 3. Mai vorm Brandenburger Tor demonstriert werden. Nachfolgend der geplante Ablauf und die bisherigen Unterstützer*innen.
Europäische Kraftfahrer und Transportarbeiter rufen Länder- und Branchenübergreifend zu Kundgebungen auf! Jeder in seinem Land, jeder vor seinem Parlament! Proteste sind bisher in Stockholm, Oslo, Rom, Kopenhagen, Den Haag, Madrid und Berlin angekündigt. Die Proteste stehen unter dem Motto "Stop Slavery" und "Together Now - Drivers Voice For A Social Europe".
Ablauf in Berlin:
ab 9 Uhr sammeln sich die Trucks, Motorräder, Busse usw. an vier Treffpunkten: Raststätte Am Fichtenplan Nord; Raststätte Dreilinden; Raststätte Stolper Hiede; Dahlwitz-Hoppegarten, Technikerstr.
10 Uhr Beginn der Sternfahrt in vier Konvois zum Brandenburger Tor
11 Uhr Beginn der Demonstration für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen am Lustgarten; die Demoroute geht über die Straße Unter den Linden, Luisenstraße, Dorotheenstraße Richtung Brandenburger Tor
12 Uhr Kundgebung vor dem Brandenburger Tor (Richtung Str. des 17. Juni) mit Gastredner Gregor Gysi, Fahrervertretern, griech. Basisgewerkschafter*innen und weiteren Redner*innen aus verschiedenen Branchen danach Pause
ca. 14 bis 16 Uhr Podiumsdiskussion
16 bis 19 Uhr Familientreffen und Raum zum Kennenlernen und Vernetzen
19 bis 21 Uhr Konzert
ab 21 Aufräumen und Abbauen
Unterstützende Organisationen/Gruppen:
(Anmerkung: die Liste wird fortlaufend ergänzt, wenn eure Gruppe fehlt, bitte kurze E-mail an netzwerkit@labournet.info schicken, dann setzen wir euch drunter)
AG Taxi bei ver.di Berlin mit konkreten Forderungen
Aktionsausschuss 100% S-Bahn mit dem Aufruf Transportarbeiter in Europa wehren sich gegen Sozialdumping!
Berliner Taxibund (BTB)
Forum Betrieb, Gewerkschaften und soziale Bewegungen
Kolleg*innen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und deren outgesourcten Tochter Berlin Transport (BT) verteilen den Aufruf "Transportarbeiter in Europa wehren sich gegen Sozialdumping!" bei der U-Bahn und Tram
Camion Pro e.V. (Verband der Transportbranche , der bereits die Demo am 7.7.2012 in Braunschweig unter dem Motto "Europas Kleinunternehmer und Fahrer gehen zum 'Gegenangriff' über" unterstützt hat)
Chefduzen
Fordarbeiter aus dem Werk Köln mit Solidaritätsaufruf
Freie Arbeiter Union (FAU)
Griechische Gewerkschafterdelegation, die eine Rede über den gewerkschaftlichen Widerstand gegen Massenarbeitslosigkeit, Verelendung und Repression im Rahmen ihrer Rundreise halten wird
Industrial Workers of the World (Wobblies)
Kilometerfresser TV mit Videoaufruf
Kraftfahrer-Clubs Deutschland e.V. (KCD); Mobilisierungsseite mit Forderungskatalog Together Now
Klassenkampf Block Berlin mit eigenem Aufruf an die linke Szene Berlins
LabourNet Germany mit Dossier Together Now - The United Voice Of The European Truck Drivers
Mieter*innen stellen die Verbindung zwischen Kämpfen um Einkommen und Wohnung u.a. gegen Zwangsräumungen her, Flyer (deutsch, türkisch) sowie Flyer (polnisch, spanisch)
Netzwerk IT
Solidaritätskreis 7. November, Köln
Stiftung Arbeitswelt und Menschenwürde
VG Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg
27.03.2014
Vancouver - Streikende Hafentrucker siegen
Die streikenden Hafentrucker in Kanada haben gewonnen! Gewerkschaftliche und Nicht-Organisierte Fahrer haben geschlossen zusammengestanden und nach einem Monat Streik und Hafenblockade ihre Forderungen gegen eine geschlossene Front von Politik und Kapitalisten durchgesetzt.
Zuletzt hatte die Regierung mit einer Art Zwangsverpflichtung gedroht. Mit einem "Zurück zur Arbeit"-Gesetz sollten der Streik der Trucker gebrochen werden. Doch die Kollegen liessen sich vom drohendem Entzug der Fahrerlaubnis, Geld- und Gefängnisstrafen nicht einschüchtern. Sie wussten genau: Container fahren nicht von alleine aus dem Hafen.
Am Ende haben sie gewonnen und wir gratulieren ihnen vom ganzen Herzen. Ihr entschlossener Streik zeigt, dass auch die scheinbar ohnmächtigen Fahrer eine große Macht besitzen, wenn sie zusammenhalten.
Eine erste Einschätzung des Streikergebnisses findet sich auf chefduzen
26.03.2014
Together Now – Veranstaltung zum 3. Mai in Köln
Bei einer Veranstaltung der Kraftfahrer Clubs Deutschland (KCD) und vom Netzwerk IT am 22. März informierten Vertreter der KCD über den Stand der Vorbereitungen zum europäischen Aktionstag gegen Sozialdumping am 3. Mai und über die zunehmend unerträgliche Situation der Kraftfahrer, die sie immer mehr Beschäftigte auf die Barrikaden treibt.
Etwas 10 betriebliche Basisaktivistinnen und -aktivisten fanden sich in der Altern Feuerwache in Köln ein, um sich aus erster Hand über die Situation der Berufskraftfahrer informieren zu lassen. Sylvia und Ingo S. vom KCD klärten über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kraftfahrer auf und zeigten Handlungmöglichkeiten auf: “Together Now – Alle gemeinsam am 3. Mai in Berlin gegen Sozialdumping!“
Dass die Realität in der Logistikbranche schon lange nichts mehr mit dem romantischen Trucker-Image vom „Cowboy der Landstraße“ zu tun hat, macht schon die Tatsache deutlich, dass die nominellen Pauschallöhne in den letzten 20 Jahren stagnieren. Dank Inflationsrate, Wegfall von Sonderzahlungen wie 13. Monatsgehalt und diverse früher üblicher Prämien, reicht der Lohn von Fernfahrer heute zwischen 1200 Euro und Mecklenburg-Vorpommern bis ca. 2800 Euro in Baden-Württemberg meistens nicht mehr zum Leben. Fahren bis zum Umfallen unter Bruch der – theoretisch – vorgeschriebenen Lenkzeiten, Leben in der Fahrerkabine, Essen aus der Büchse, Duschen als Luxus sind die logischen Folgen eines ungehemmten Wildwest-Kapitalismus auf Europas Highways.
Sylvia schilderte eine widersprüchliche Wirkung der neuen Kommunikationstechnik. Währen deinerseits Fahrergruppen wie z.B. Actie in de Transport als Facebook-Gruppen entstanden sind, führt das Internet andererseits dazu, dass viele Fahrer ihre Pause in der Kabine verbringen. Dadurch wird die sowieso schon durch die Arbeitsbedingungen bewirkte soziale Isolation tendenziell weiter verstärkt. Keine gute Voraussetzung für die Entwicklung von gemeinsamen Widerstand.
Dennoch regt sich immer mehr Protest unter den Fahrer, wie zuletzt beim Streik der philippinischen Fahrer bei Dinotrans. So läuft denn auch die Mobilisierung für den europäischen Aktionstag am 3. Mai inzwischen auf Hochtouren an, mit Spanien kommt vermutlich ein 7. Land dazu. Für Berlin haben sich bereits weitere Branchen und Kollegen angekündigt, wie z.B. Pflegekräfte, S-Bahner und auch biker wollen sich an der Sternfahrt zum Brandenburger Tor beteiligen.
Am Ende einer dreistündigen Diskussion und einem regen Erfahrungsaustausch, bei dem Ingo und Sylvia die Wichtigkeit der linken Unterstützer*innen betonten, da diese die Einzigen seien, die für die Fahrer nicht nur warme Worte übrig haben, sondern tatsächlich und tatkräftig helfen, wurden zahlreiche konkrete Absprachen getroffen.
04.03.2014
Arbeitsbedingungen und erfolgreicher Kampf bei Dinotrans
Ein Aktivist sprach mit phillipinischen Fahrer bei Dinotrans, die erfolgreich "wild" gestreikt haben. Ein spannnender Bericht über Ausbeutung und Kampfbedingungen von Wanderarbeitern auf europäischen Straßen.
Dinotrans arbeitet überwiegend mit philippinischen Fahrern, von denen einige mit einem wilden Streik Ende Februar erfolgreich eine Lohnkürzung verhindert haben. Nach Schätzung eines Insiders beschäftigt Dinotrans über 100 Phillipinos als Fahrer. Deren Lebens-und Ausbeutungsbedingungen erkundete ein Aktivist bei einem Besuch vor Ort.
Ich bin zu einem Rasthof gefahren um mit den Betroffenen zu reden und hatte Erfolg. Sie waren offen und haben sich gern unterhalten. Ich fand die Philippinos relativ jung, aber der Eindruck mag dadurch entstanden sein, daß die deutschen Fahrer deutlich überaltert sind, da sich kaum Nachswuchs bei diesen Arbeitsbedingungen findet.
Ich hatte mich mit ihnen auf englisch unterhalten. Sie waren witzig, manchmal eben auch Galgenhumor. Sie wissen ihre Situation recht gut einzuschätzen, haben oftmals schon einiges von der Welt gesehen, einige sprechen auch arabisch, weil sie in Saudi Arabien gearbeitet haben. Sie wissen, wieviel schlechter ihre Arbeitsbedingungen sind im Vergleich zu den deutschen, aber es ist das beste, was sie kriegen konnten.
Sie haben ihren ersten Arbeitsvertrag in Manila unterschrieben und mußten dem Vermittler einen (zukünftigen) Monatslohn zahlen. Sie sind auf Kosten von Dinotrans nach Riga geflogen. Dort haben sie weitere Verträge unterschrieben, einen komplett auf Lettisch. "Es geht um Immigration, mehr müßt ihr nicht wissen", wurde ihnen gesagt. Der andere Vertrag war auf englisch, enthielt, daß sie über ihre Arbeitsbedingungen nicht reden und sich auch nicht gewerkschaftlich organisieren dürften. Diesen Vertrag mußten sie unterschreiben, haben aber keine eigene Kopie davon erhalten. Die Arbeitsverträge laufen ein Jahr. Sie können um ein weiteres Jahr verlängert werden. Dinotrans kann sie wohl sehr einfach loswerden und zurückschicken.
Sie wurden wohl weniger informiert über die Arbeit einschränkenden Regelungen, wie die verordneten Lenk- und Ruhezeiten.
In Riga gibt es die Möglichkeit richtiger Unterbringung, in Deutschland gibt es in der Spedition Mehrbettzimmer, einige ziehen es vor im LKW zu schlafen. Sie versuchen hier nichts auszugeben, kochen selbst und beziehen die Grundlebensmittel aus Asia-Läden. So können sie noch einen großen Teil des Geldes nachhause schicken.
Bisher bekamen Sie einen Lohn in 850 US Dollar berechnet umgerechnet in Euro ca. 670 €. Durch die Schwankung des Dollarkurses, betrug der Lohn am 21.02.2014 nur noch 628 €. da platzte ihnen der Kragen und sie sagten, das müsse erstmal geklärt werden, vorher fährt keiner raus. Das hat gesessen. Es ist sofort ein Dinotrans Chef angereist. Da sie ihrer Firma auch null über den Weg trauen, haben sie jemanden von der Philippinischen Botschaft angefordert. Der war als offizieller Zeuge bei den Verhandlungen anwesend, damit der Chef sich nicht rausreden kann, er hätte irgendwas nie gesagt. Als sie die Zusage bekamen, daß ihr Lohn nun in fester Höhe (wohl 670€) in Euro garantiert ist, waren sie bereit, weiterzuarbeiten.
Als ich fragte, ob man irgendwie helfen könnte, sagten sie, "besorgt uns Arbeitsverträge bei deutschen Speditonen zu deutschen Bedingungen". Alle würden Dinotrans sofort verlassen, wenn sie etwas besseres kriegen könnten. Sie denken, daß die Lohnhöhe weiterer Konfliktstoff bei Dinotrans werden könnte.
Da ich schonmal dort war, bin ich noch zum Hafen gefahren. Auf dem Parkplatz hatten die Zugmaschinen zumeist osteuropäische Kennzeichen. Ich habe mich da mit 3 Bulgaren unterhalten. Sie waren freundlich und sehr herzlich und hatten auch kein Problem damit vor der Kamera zu reden (was bei den Philippinos nicht möglich war. Die sagten, sie befürchteten Sanktionen durch Dinotrans).
Sie erzählten, "Wirtschaft, Politik, Polizei, alles Mafia. Bulgarien, große Katastrophe." Alle waren Familienväter. Sind 3 Monate unterwegs und dann 1 Monat zuhaus (Nach den Europäischen Kabotageregelungen sind Transporte im Ausland ohne Rückkehr in Heimatland nach so langer Zeit absolut illegal). Einer sagte, seine Mutter kriegt 75€ Rente im Monat. Mindestlohn sind 250€. Vernünftige Jobs sind kaum zu finden. Sie arbeiteten alle für westliche Großspeditionen, u.a. Schenker. Deren lokale Chefs sind Mazedonier.
Wie die Philippinos versuchen sie ihre Ausgaben zu minimieren, damit sie von ihren miesen Löhnen etwas mit nachhause bringen können und kochen unterwegs und beklagten, daß man nirgendwo kostenfrei duschen kann.
Fahrplan nach und in Berlin
Eckdaten zum geplanten europäischen Aktionstag der Kraftfahrer gegen Sozialdumping am 3. Mai in Berlin.
Die bisherigen Planungen sehen vor, dass sich von vier Sammelpunkten alle Kolleg*innen mit Motorfahrzeugen in Sternfahrten um 10 Uhr starten und zur Siegessäule fahren. Die Kundgebung mit verschiedenen Redner*innen beginnt um 12:30 Uhr vor dem Brandenburger Tor in Richtung Straße des 17. Juni. Nach einer musikalischen Pause wird es eine Podiumsdiskussion mit Politikern und Vertretern der Fahrer und anderer Branchen geben. Am Abend wird es einen musikalischen Ausklang geben.
Ein erstes Mobilisierungsvideo findet ihr hier