Mai
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16.05.2014
Gedanken zum 3. Mai
Wir dokumentieren die ausführliche Auswertung der Kraftfahrer Clubs Deutschland (KCD) über den Ablauf des europäischen Aktionstages am 3. Mai 2014, die vom KCD auf der homepage http://www.kraftfahrerclubsdeutschland.de/link_83986855.html mit vielen Fotos der Aktion veröffentlicht wurde.
Am 3.Mai 2014 fand der Aktionstag der europäischen Kraftfahrer unter dem Motto „Together Now! – The United Voice Of The European Truck Drivers“ statt. Die Gewerkschaften in Skandinavien legten ihre Aktion „Stop Slavery“ mit unserer Aktion zusammen , damit wir alle gemeinsam ein Zeichen gegen Sozialdumping setzen. In Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Italien und Spanien machten Berufskraftfahrer auf die unhaltbare Situation im europäischen Transportsektor aufmerksam. In Berlin schlossen sich Gruppierungen aus den verschiedensten Berufen und Interessengemeinschaften an.
Der Kundgebung in Berlin ging eine Sternfahrt und ein Demonstrationszug zu Fuß voraus. Mit der Sternfahrt haben die Veranstalter den Fahrern in Deutschland die Möglichkeit geboten, ihre Unzufriedenheit gegenüber der derzeitigen Situation im europäischen Transport schon bei der Anfahrt zum Brandenburger Tor laut zu bekunden. Es waren unerwartet wenige Fahrer, die diese Gelegenheit nutzten. Mehr, als ihnen diese Gelegenheit zu bieten, können die Veranstalter auch nicht machen.
Wir möchten aber hier eine Gruppe von Bikern hervorheben. Obwohl sie nichts mit der Branche zu tun haben, haben sie sich spontan bereiterklärt, uns solidarisch zur Seite zu stehen und einen der vier Konvois zu begleiten. Deshalb möchten wir uns auf diesem Wege bei Bernd Frieböse und seinen Bikern vom MC Kuhle Wampe herzlich für ihre Unterstützung bedanken.
Netzwerk IT und der Aktionsausschuss 100% S-Bahn stellten einen Demonstrationszug zu Fuß mit ca. 40 Menschen zusammen. Sie kamen vom Lustgarten über Unter den Linden zum Brandenburger Tor. Auch diesen beiden Gruppierungen sowie dem Berliner Taxi Bund gilt unser Dank, die uns auch schon bei den Vorbereitungen zum Aktionstag behilflich waren und viel Arbeit vor Ort abgenommen haben. Nachdem unsere Showbühne abgesagt wurde, vermietete uns die Firma LEX aus Berlin kurzfristig zwei Trailer. Für die Tontechnik der gesamten Kundgebung zeichnete Bernd Kraft, selbst Kraftfahrer, mit seiner Anlage verantwortlich und die Moderation wurde, wie schon 2013 in Lübeck, wieder einmal professionell von Sven Bargel (Bundesbargel) vom ET-Radio gemeistert.
Die Kundgebung begann aus aktuellem Anlass mit einem Aufruf zum Frieden auf dieser, unserer Erde, durch Sylvia Steinbach-Schulze, Vorstandsmitglied der KCD e.V. Als Veranstalter sprach der Vereinsvorsitzende der KCD e.V. Ingo Schulze ein paar Worte zur Begrüßung. Dann stellte John Kampen seinen Song: „Together Now! Zusammen stehen!“ vor, den er extra für diesen Tag umgeschrieben hatte.
Sylvia sprach dann zur Wichtigkeit des europäischen Aktionstages und Ingo hielt eine ausführliche Rede zur allgemeinen Situation im europäischen Transportsektor und insbesondere zur Situation in Deutschland.
Nun zeigte sich aber deutlich, wie unbequem wir für die Regierenden doch schon geworden sind. Während dieser Rede störten die Polizisten plötzlich gewollt die Veranstaltung. Sie hätten schon vor Beginn der Kundgebung über zwei Stunden Zeit gehabt, alle Missstände und Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Das hat man sich aber ganz offensichtlich bewusst bis zum Beginn der Kundgebung aufgehoben. Sogar der Redner sollte von der Bühne geholt werden. Gekonnt wurde Sylvia als Mitveranstalter von der Masse isoliert und von den Beamten zur Rede gestellt. Der Ton der Beamten gegenüber den Verantwortlichen der Veranstaltung bei der Klärung der „Angelegenheit“ ließ zeitweise zu wünschen übrig. Sylvia weigerte sich aber den Redner zu unterbrechen. Das wurde dann aber doch noch kurz gemacht mit der Anweisung, die Sitzbänke wegzuräumen.
Der Umsicht von Sylvia und dem Eingreifen eines Freundes von Netzwerk IT und einer zufällig anwesenden Anwältin war es dann zu verdanken, dass die Veranstaltung doch weitergehen konnte. Schon im Vorfeld wurde unser Ansprechpartner durch die Behörde reingelegt, als man mitbekam, dass ihm die Erfahrung mit solchen Gesprächen fehlte.
Das Vorgehen der Polizei hatte uns deutlich gezeigt, wie unbequem wir für die Regierenden geworden sind. Was man nicht verhindern kann, denn Demonstrieren ist im Grundgesetz festgeschrieben, das stört man dann eben gekonnt. Das heißt: Wir sind auf dem richtigen Weg!
Die Schikanen allerdings hörten danach nicht auf. Als unser Gastredner Dr. Gysi ankam, und Sylvia nun auch die Beamten bat, die Gasse für Gysi zu räumen, reagierten sie zynisch bis sie sich dann endlich bequemten, Platz zu machen. In der Folge wurde uns dann sogar das Sammeln von Spenden verboten, mit denen wir die Veranstaltung finanzieren. Die Spendendose müsse eine Plombe haben. Eine Dose, die man zerstören muss und nicht wieder verwenden kann, wenn man das Geld entnehmen will. Sie hatte nur einen Einwurfschlitz! Hier zeigte sich allerdings die spontane Solidarität der umstehenden Kollegen. Sie drückten ohne Worte Sylvia Geld in die Hand.
Dr. Gregor Gysi machte uns in seiner Rede ein Gesprächsangebot, um eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten, wie die Probleme der Kraftfahrer an die Öffentlichkeit getragen werden, damit die Öffentlichkeit diese Probleme auch endlich wahr nimmt. Die Gewerkschaften sollten sich ebenfalls mehr um die Belange der Fahrer kümmern, die ja nicht anwesend waren.
Nach Dr. Gysi kam noch Ziya Gülmez mit einer Grußbotschaft der Ford-Arbeiter aus Köln zu Wort, eine Sprecherin einer griechischen Delegation, mit einer Grußbotschaft, Andreas Mossyrsch vom Unternehmerverband Camion Pro e.V., Frank Masteit vom Berliner Taxi Bund und Burghard Zitschke von der Taxi AG Verdi.
Nach einer weiteren musikalischen Einlage von John Kampen sprach der Moderator Sven Bargel auf der Bühne mit Sabine Zimmermann, Die Linke, Mitglied des Bundestages und Ingo Schulze als Vereinsvorsitzender der Kraftfahrer-Clubs Deutschland e.V. in Form eines Interviews über den weiteren Kampf um sozialere Verhältnisse in Europa. Am Ende sang zum Ausklang John Kampen noch einiges aus seinem großen Repertoire bis die Kundgebung ca. um 16.00 Uhr offiziell von Ingo beendet wurde.
Unser Fazit zum 3.Mai 2014:
Trotz langer Ankündigung und viel Werbung, vor allem im Internet und mit Flyern, war die Zahl der anwesenden Kraftfahrer, um die es hier eigentlich geht, immer noch sehr gering. Die Anzahl der Kundgebungsteilnehmer wurde durch die Solidarität von Menschen aus anderen Bereichen und Branchen ergänzt.
Schon beim Aufbau, aber auch während der Kundgebung kamen wir sehr viel mit Passanten ins Gespräch. Bei Vielen sind wir auch durchaus auf Interesse und vor allem auf Verständnis gestoßen. Die Verweildauer und Anteilnahme vieler Passanten sorgten so dafür, dass während der Reden zeitweise 600-800 Menschenvor der Bühne standen und bei guten Reden auch Beifall spendeten.
Wir können also mit Fug und Recht sagen, dass die Veranstaltung ein Erfolg war:
- Wir haben die Bevölkerung erreicht
- Wir haben erreicht, dass zeitgleich in sieben europäischen Ländern Aktionen stattgefunden haben
- Es haben sich viele Menschen aus anderen Bereichen, Branchen und Interessengruppen solidarisch angeschlossen
- Die Veranstaltung ist, wenn auch kurz, endlich auch durch die ARD-Abendschau aus den regionalen Medien rausgekommen
- Wir haben erreicht, dass die Veranstaltung und die Sorgen der Kraftfahrer durch Sabine Zimmermann endlich auch im Deutschen Bundestag angekommen sind. Es wurde auch unsere Solidarität mit den osteuropäischen Kollegen angesprochen.
Es wurden Stimmen laut, wir sollten nicht so euphorisch sein, da der Plenarsaal fast leer war. Dazu können wir nur sagen, dass das uns wieder einmal mehr zeigt, wieviel Interesse die anderen Parteien an den sozialen Missständen in Deutschland haben. Es liegt jetzt an den Wählern, ob dieses Desinteresse der „Volksvertreter“ folgen haben wird. Nachdenken sollte man auf jeden Fall, für wen man sich entscheidet. Nicht zur Wahl gehen, wäre ein großer Fehler. Denn dann wählt man erst recht die, die man eigentlich nicht mehr wollte!
Ingo rief am Schluss seiner Rede dazu auf im September gemeinsam nach Brüssel zu fahren, um dort unserern Forderungen Nachdruck zu verleihen. Im Juli kommen deshalb voraussichtlich Vertreter der Organisationen aus verschiedenen Ländern zusammen, um diese Kundgebung vorzubereiten und über weitere Maßnahmen zu beraten.
Die immer noch geringe Zahl anwesender Fahrer bei der Kundgebung zeigt uns, dass die Fahrer sich endlich organisieren müssen, wenn sie ihre Geschicke selbst in die Hände nehmen und etwas ändern wollen. Ein anderer wird es für sie nicht tun, im Gegenteil! Hierzu möchten wir noch einmal Ingo aus seiner Rede in Berlin zitieren:
„Es wird Zeit, dass wir Fahrer uns endlich organisieren und vereint auftreten, wenn es um unsere Existenz geht. Es nützt nichts, wenn wir immer neue Vereine oder andere Gruppierungen gründen. Denn so spalten wir unsere Branche immer mehr. Nutzt die vorhandenen Vereine!!!“
Zum Schluss möchten wir noch sagen, dass wir Jutta Steinruck, SPD, Mitglied im Europäischen Parlament, nur beipflichten können, wenn sie sagt, dass Fahrer nicht immer den beschimpfen sollen, der ihnen hilft und sich für sie einsetzt. Denn damit isolieren sich die Fahrer selbst immer mehr von der Gesellschaft.
Wir möchten uns auf diesem Wege noch einmal recht herzlich bei all unseren Helfern und Unterstützern bedanken, die uns finanziell und organisatorisch so hervorragend unter die Arme gegriffen haben:
- Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt
- Camion Pro e.V.
- Aktionsausschuss 100% S-Bahn
- Netzwerk IT
- IWW Berlin
- FAU Berlin
- MC Kuhle Wampe
- Bernd Kraft, Tontechnik
- John Kampen, Musik
- LabourNet Germany
- Berliner Taxibund BTB
- AG Taxi bei ver.di Berlin
- Karsten Weber, Kilometerfresser TV
Ein besonderer Dank gilt den Fahrerkollegen aus der FB-Gruppe A.i.d.T. Germany, die uns in Berlin so toll unterstützt haben. Diese Kollegen LEBEN den Zusammenhalt. Und darum nennen wir sie mit Freude und Stolz! Ihr habt mit sehr viel Umsicht und Schulter an Schulter mit uns in Berlin gestanden:
Dirk (Doppel De), Gerhard (Schla Ppy)(Mitglied der KCD) Norm Janke, Michael Schroh, Dean Kockel, Christopher (Trucker Chris)(Mitglied der KCD), Harald von Trucker, Karsten Glaschick (Mitglied der KCD), Mike Örtel, Matthias Peper, Peter Serve (Mitglied der KCD), Alfred Donges, Norbert Putzke, Christian Petrauskas, Mona Pickering (Mitglieder der KCD) und einige andere mehr. Bitte entschuldigt, wenn wir irgend jemanden namentlich vergessen haben.
11.05.2014
KCD - Erste Eindrücke zum Aktionstag gegen Sozialdumping
Wir dokumentieren die erste Einschätzung der Kraftfahrer Clubs Deutschland (KCD) über den Ablauf des europäischen Aktionstages am 3. Mai 2014, die vom KCD am 4. Mai auf www.facebook.com/KraftfahrerClubsDeutschland veröffentlicht wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leser dieser Seite,
Nun ist der große Tag, der 3.Mai vorbei und wir möchten ein erstes kurzes Fazit ziehen.
Wir sind weit davon entfernt, die Aktion schön zu REDEN, wenn wir behaupten, dass diese Veranstaltung ein großer Erfolg war! Es ist das erste Mal gelungen Fahrer in mehreren Ländern Europas zur gleichen Zeit zu einem Aktionstag auf die Straße zu bringen.
Wir hatten in Berlin sicher nicht die erwarteten Teilnehmerzahlen aber es waren zu Beginn der Kundgebung ca. bis zu 800 Menschen (laut Videotext von RBB) anwesend. Sicher war die Zahl der eigendlichen Betroffenen nicht so hoch. Aber wir haben es geschafft, viele Menschen für unsere Probleme zu interessieren. Es gab auch sehr viele Gespräche mit Passanten und Touristen. Wir können also mit Fug und Recht behaupten, wir haben unser Ziel mit dieser Kundgebung erreicht: In der Öffentlichkeit aufmerksam machen und Europäische Fahrer einen!
In mehreren Ländern, so auch in Berlin, wurde als weitere länderübergreifende Aktion zur Kundgebung in Brüssel Anfang September aufgerufen.
Es waren viele unterschiedliche Gruppierungen anesend, die uns auch im Nachhinein versichert haben, dass die Veranstaltung gut organisiert war und wir auf dem richtigen Weg seien. Wir hatten an diesem Tag auch viele sehr gute und förderliche Gespräche, die uns neue und gute Verbindungen bringen.
Wir werden in den nächsten Tagen einen ausführlichen Bericht und einen Bericht aus den anderen Ländern veröffentlichen.
Zum Abschluss möchte ich mich bei den vielen Teilnehmern bedanken, die uns bei Auf- und Abbau vor und nach der Veranstaltung so aktiv geholfen haben. Namentlich möchte ich hier nennen: Dirk (Doppel De), Gerhard (Schla Ppy) Norm Janke, Michael Schroh, Dean Kockel, Christopher ( Trucker Chris), Harald von Trucker, Karsten Glaschick, Mike Örtel, Matthias Peper, Peter Serve, Alfred Donges, Norbert Putzke, Christian Petrauskas und einige andere mehr. Bitte entschuldigt, wenn wir irgend jemanden namentlich vergessen haben.
Im Anschluss findet ihr noch die Rede vom Vereinsvorsitzenden der KCD Ingo Schulze
09.05.2014
Together Now - Erfolg trotz massiver Gegenkampagne
Der europäische Aktionstag am 3. Mai 2014 gegen Sozialdumping war ein wichtiger politischer Erfolg der noch jungen Bewegung der Transportarbeiter*innen - obwohl die Beteiligung in Berlin aufgrund massiver Gegenmaßnahmen interessierter Kreise weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.
Ablauf des Aktionstags gegen Sozialdumping
Am 3. Mai 2014 haben mehrere Tausend Menschen in sieben europäischen Ländern gegen Sozialdumping demonstriert. Die meisten Teilneherm*innen gab es in Skandinavien, wo die Transportgewerkschaften offiziell aufgerufen hatten. In Berlin kamen 200 Demonstrant*innen zusammen, denen sich im Laufe des Nachmittags bis zu 100 Besucher*innen am Brandenburger Tor anschlossen. Damit wurde das Ziel der Organisatoren von 500 Personen deutlich verfehlt.
Zum inhaltlichen Ablauf verweisen wir auf die Berichte der Ford-Kollegen und des Klassenkampf Block Berlin. Die Medien haben über die Protestaktion recht wohlwollend und ausführlich berichtet, u.a. in den Regionalnachrichten und verschiedenen Zeitungen (Neues Deutschland , Berliner Zeitung , TAZ , Jungle World).
Polizeischikanen und Gegenkampagne
Die Berliner Polizei hat nach allen Regeln der psychologischen Kriegsführung und mit Hilfe allerlei bürokratischer Tricks versucht, die Proteste kaputt zu machen. Das massive Polizeiaufgebot in Kampfmontur sollte offensichtlich bei der sorgfältig vorbereiteten Provokation zum Einsatz kommen. Dies scheitert jedoch am zugleich konsequenten wie besonnenen Verhalten der Demonstrant*innen.
Bereits bei der Anmeldung wurde alles unternommen, die Proteste so wirkungslos wie möglich zu gestalten, z.B. durch kleinliche Auflagen für die Sternfahrt. Dem unerfahrenen Anmelder wurde die Fußgängerdemo im ersten Anlauf erfolgreich ausgeredet mit der frechen Lüge, es sei jetzt - eine Woche vorher - zu spät für eine Anmeldung.
Am fiesesten war die Fangfrage beim sogenannten Kooperationsgespräch, wie lange die Reden gehalten würden? Die korrekte Antwort bis 15 Uhr wurde dazu benutzt, die Veranstaltung nur bis zu diesem Zeitpunkt zu genehmigen. Dabei sollte das Programm u.a. mit Podiumsdiskussion und Konzert bis 21 Uhr gehen und war entsprechend angemeldet und öffentlich beworben worden. So zieht man Kollegen, die keine gelernten Verwaltungsjuristen sind, über den Tisch!
Als dann um ab 11:30 Uhr Bierbänke als Sitzgelegenheit aufgestellt werden und ein Imbisswagen mit dem Bratwurstverkauf startet, feixt Polizeioberrat R. als Einsatzleiter innerlich. Die sorgfältig geplante Falle kann zuschnappen.
Kaum hatte Ingo S. als Vorsitzender des KCD und Anmelder gegen 13:30 Uhr mit der Hauptrede begonnen, sollte alles ganz schnell gehen. Die Veranstaltung habe einen Volksfestcharakter und deshalb müsse der Imbisswagen schließen und die Bierbänke abgebaut werden, meint Polizeioberrat R. als Einsatzleiter und Vertreter der Versammlungsbehörde. Passend dazu postieren sich die riot cops drohend am Rande der Kundgebung. Unter dem massiven Druck der Polizei mussten die Veranstalter mitten in der Rede die Bänke abbauen. Nur dem beherzten Eingreifen anwesender linker Unterstützer*innen und einer Rechtsanwältin war es zu verdanken, dass Ingo S. seine Rede nicht unterbrechen musste und die Polizeiprovokation letztlich ins Leere gelaufen ist. Entsprechend dem Willen der Teilnehmer*innen werden alle Reden gehalten, das Konzert mit einem Country-Sänger findet statt und um 17 Uhr beenden wir mit dem gemeinsamen Abbau einen anstrengenden Tag.
Das Fehlen der LKW's sorgte ebenfalls für viel Enttäuschung. Sollte es den Fahrern immer noch zu gut gehen, wie manche Teilnehmer*innen in ihrem Frust spekulierten? Wohl kaum. Fahrer aus unterschiedlichen Speditionen berichten, dass ihnen mit Entlassung gedroht wurde, falls sie mit Firmenfahrzeugen an der Sternfahrt teilnehmen würden. Da dies bei allen bisherigen Protesten nie ein Problem war, kann der plötzliche, deutschlandweite Sinneswandel verschiedener Chefs kein Zufall sein und ist nur mit einer gezielten Gegenkampagne zu erklären.
Auswertung des Protesttages
Die spontane Stimmung bei Vielen, die jede Menge Kraft, Zeit und Geld in die Organisation der Protesttags gesteckt hatten, hat in Frust, Resignation, gegen sich selbst gerichtete Aggression und dem Gedanken bestanden, in Deutschland kannst halt nix machen. War der 3. Mai wirklich ein Desaster, wie diese künstlich erzeugte Stimmung und die geringe Beteiligung nahelegen sollen?
Der 3. Mai stellt sich bei genauerer Betrachtung als wichtiger politischer Erfolg da. Wir stellen dies nicht fest, weil wir uns die Welt schönreden, sondern aus folgenden Gründen:
- Die Tatsache, dass es gelungen ist unter dem Motto "Together Now" einen branchen- und grenzüberschreitenden Protest zustande zu bringen, ist an sich schon ein Riesenerfolg. Bekanntlich kriegen es die Gewerkschaften regelmäßig nicht mal hin, parallel laufende Streiks in einer Stadt zusammen zu bringen. Und jeder Standort stirbt weiter für sich allein, wie z.B. die Fordkollegen zu berichten hatten (erst machen sie Genk platt und jetzt droht der Verlust von 4000 Jobs in Köln). Bei solchen traurigen Verhältnissen ist "Together Now" ein echter Schritt nach vorne.
- Mit dem europäischen Protesttag gegen Sozialdumping ist es zum erstenmal in Deutschland gelungen, die in Form von einzelen Aktivist*innen, Betriebsgruppen und oppositionellen Betriebsräten zerstreut im Land vorhandenen Kerne einer spontanen Arbeiter*innenbewegung gemeinsam auf die Straße zu bringen. Das alles wird selbstorganisiert ohne die Gewerkschaften, Parteien und großen linken Organisationen von einigen wenigen Aktivist*innen und mehreren Dutzend Kolleg*innen auf die Beine gestellt.
- Welche politische Sprengkraft dieses zarte Pflänzlein einer Arbeiter*innenbewegung von unten im Zusammenhang mit der sozialen Lage in Europa hat, hat uns die Reaktion der Gegenseite am 3. Mai gezeigt. Die gezielte Provokationen der Polizei, die das Ziel verfolgten, die Kundgebung kaputt zu machen und so die junge Bewegung zu zerschlagen, bevor sie sich stabiliseren kann, zeigt wovor die Herrschenden Angst haben!
- Ein weiterer Grund, warum der 3. Mai ein wichtiger politischer Erfolg gewesen ist, besteht darin, dass die Polizeiprovokation zurückgeschlagen werden. Angesichts des wohl von niemanden erwarten Niveau der Konfrontation ist das Ergebnis am Ende des Tages alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Kundgebung wird diszipliniert durchgezogen, die Weltuntergangsstimmung zurückgedrängt und der Kern der Aktivist*innen verabschiedet sich mit einem "So nicht, jetzt erst Recht!"
In diesme Sinn können wir ein positives Gesamtfazit ziehen: Together Now! - der Anfang ist gemacht. Am 3. Mai haben einige Dutzend Arbeiteraktivist*innen eine Lektion erhalten über die Machtverhältnisse in dieser kapitalistischen Klassengesellschaft. Dank der Berliner Polizei haben sie in 2, 3 Stunden mehr verstanden, als hundert linke Flugblätter in einem Jahr erklären können. Das wird uns bei zukünftigen Kämpfen von großem Nutzen sein.
02.05.2014
Selbstorganisierter Protest gegen Sozialdumping am 3. Mai!
Nachfolgend dokumentieren wir einen Redebeitrag des Klassenkampfblocks, der am 1. Mai mehrfach sowohl morgens auf der traditionellen Gewerkschafts-Demo wie auch abends auf der von 25.000 Menschen getragenen revolutionären 1. Mai Demo verlesen wurde.
Aufstände wie jüngst in Bosnien, Generalstreiks in Griechenland, Italien und Portugal, eine Millionen Demonstrant*innen gegen Sozialraub in Spanien - überall in Europa brodelt es. Und in Deutschland? Da pennt die Arbeiterklasse.
Mal ehrlich, bei vielen linken Aktivist*innen ist das Bild einer passiven Arbeiter*innenklasse fest in den Köpfen verankert.
Das Bild ist falsch! Zwar bleibt die Mehrzahl der Kolleg*innen noch passiv. Sie hoffen vergeblich auf bessere Stellvertreter. Aber in den letzten Jahren entwickeln sich aus spontanen Kämpfen heraus kleine proletarische Kerne. Diese zarten Ansätze einer spontanen Arbeiterbewegung sind häufig unsichtbar. Aber - und das gilt es gegen die Propaganda der Herrschenden festzuhalten - sie existieren und fangen jetzt an sich zu vernetzen.
Am 3. Mai, also übermorgen, findert in mindestens sieben europäischen Städten gleichzeitig ein Aktionstag gegen Sozialdumping statt. Diese von LKW-Fahrern ausgehende, selbstorganisierte Klassensolidarität gilt es zu unterstützen.
In Berlin haben Transportarbeiter aus verschiedenen Sektoren, wie z.B. S-Bahner*innen, Beschäftigen in Logistikzentren, Fahrer*innen bei der BVG/BT , Lokführern, Taxifahrer*innen, aber auch Gewerkschafter aus Griechenland, Fordarbeiter*innen und weiteren Kolleg*innen, Erwerbslose und Mieter*innen sowie linke Aktivist*innen den Aufruf der Fernfahrer aufgegriffen.
Los geht es um 11 Uhr am Lustgarten mit einer kurzen Demonstration. Wir laufen von dort zum Brandenburger Tor, wo um 12 Uhr die Kundgebung beginnt.
Der Klassenkammpf Block unterstützt die Aktion. Wir rufen alle linke Aktivist*innen und Menschen aus den sozialen Bewegungen auf, sich zu beteiligen.
Klassenkampf statt Standortlogik! Internationale Solidarität gegen Chauvinismus, Ausgrenzung und Prekarisierung!
Kommt Alle! Europäischer Aktionstag gegen Sozialdumping. Together Now! - United Voice of European Drivers!
Treffpunkt in Berlin: 3. Mai 11 Uhr Lustgarten; Demo ab 12 Uhr Kundgebung Brandenburger Tor