MAN-Ära in Penzberg ging am 30.06.2005 zu Ende
"Behalten Sie ruhig Blut": Vom Bergwerk zu MAN - Die 39-jährige MAN-Ära in Penzberg ist zu Ende Eine geschichtliche Betrachtung zum Nachdenken mit Auswirkungen auf die Zukunft in Waternstedt?
Unter dieser Überschrift ist im Penzberger Merkur von Wolfgang Schörner eine interessante geschichtliche Betrachtung des Wandels vom Bergbau über den kompletten Omnibusbau bis zum Lieferanten von Teilen für dem Fahrzeugbau und der Ausgliederung erschienen.
Mir sind einige parallelen zu uns in Salzgitter aufgefallen. Ob Penzberg ein Versuch ist, wie sich eine Firma erst am Subventionstopf bereichern kann und dann sich aus der sozialen Verantwortung schleicht? Salzgitter hat von der Produktionsverlagerung Anfang der 80er Jahre profitiert, aber wir haben selbst erst die Verlagerung in Richtung Polen und der Türkei miterlebt. Kompletter Omnibusbau in Salzgitter? Ja das war einmal, ist schon lange her! Vergleicht einfach mal die eigene Werksgesichte und fragt bei den wenigen älteren Kollegen nach wie es war.
Euer
Harry Klein
Wolfram P. bemüht sich beim Penzberger Merkur um die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels vom 01.07.2005.
"Behalten Sie ruhig Blut": Vom Bergwerk zu MAN
*Die 39-jährige MAN-Ära in Penzberg ist zu Ende*
VON WOLFGANG SCHÖRNER Penzberg - Die MAN-Ära in Penzberg ist seit heute zu Ende. Das Werk ist nach der Ausgliederung aus dem Konzern eine selbständige Firma: "Automotive Components Penzberg GmbH" (ACP). 1966 hatte das MAN-Werk in Penzberg seinen Betrieb aufgenommen. Für die Stadt hatte das eine nicht zu unterschätzende Bedeutung: Bergleute fanden dort nach der Schließung der Penzberger Grube eine neue Arbeit. Die Stadt, die am Tropf des Bergwerks hing, wurde vor dem Ausbluten gerettet.
"Unsere Stadt - die sowieso nicht auf Rosen gebettet ist - ist in arge Bedrängnis geraten", schreibt der Penzberger Bürgermeister an die Bevölkerung. Die Stadt tue alles, um mit den Veränderungen Schritt zu halten. Sie versuche neue Firmen anzusiedeln. "Behalten sie ruhig Blut", appelliert der Rathaus-Chef.
**Bergwerk schließt**
Es ist der 9. September 1965, als Bürgermeister Anton Prandl diesen Aufruf verfasst. Ein Jahr später wird das Bergwerk, der mit Abstand größte Arbeitgeber in Penzberg, schließen. In Deutschland herrscht zu dieser Zeit zwar Arbeitskräftemangel. Firmen in München suchen händeringend Mitarbeiter. Für Penzberg aber würde ein Abwandern der Menschen - dies hatte schon begonnen - schwer wiegende Folgen zeitigen.
Als sich Ende Juni 1965 abzeichnet, dass die Grube Penzberg schließt, bemühen sich Bayerns Wirtschaftsministerium und die Stadt, Betriebe nach Penzberg zu locken. Im Gespräch sind zum Beispiel die Ruhrglas AG und die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF).
Kredite und Grundstück
Auch mit MAN in München laufen Verhandlungen. Sie führen am Ende zum Erfolg. Das Unternehmen sagt zu, eine Omnibus-Fertigung für 700 Beschäftigte zu errichten. Nach Gesprächen mit Bund, Land und der Kreditanstalt für Wiederaufbau erhält MAN zinsgünstige Kredite über 20 Millionen Mark. Die Stadt stellt dem Unternehmen ein günstiges Grundstück an der Seeshaupter Straße zur Verfügung.
Arbeitsplatz am Ort
"Jeder wollte einen Arbeitsplatz am Ort", erinnert sich Walter Rauchenberger, 65. Er selbst arbeitet bis zur Schließung neun Jahre im Bergwerk - als Schlosser unter Tage. Wie viele andere Kollegen geht er damals in das Anwerbe-Büro, das MAN im Bergwerkskindergarten (an der Stelle der heutigen Realschule) einrichtet. Und er fährt mit dem Bus ins Münchner MAN-Werk, um sich ein Bild von den Arbeitsplätzen zu machen. Dort ist bis zur Verlagerung nach Penzberg die Omnibus-Fertigung. In München werden die Bergleute auch umgeschult.
Dennoch herrschen gemischte Gefühle. "Im Bergwerk war man ein freier Mensch", so Walter Rauchenberger. Die Arbeit ist schwer, doch der Verdienst gut, und die Arbeitszeiten sind kürzer. Die Bergleute erhalten Holz und Kohle und können billig in Bergwerkshäusern wohnen. "Jeder war stolz, Bergmann zu sein."
Die Umstellung verläuft dennoch erstaunlich glatt. Auch wenn es eine Eingewöhnungszeit braucht - zum Beispiel für Männer, die zuvor mit dem Schrämmhammer gearbeitet haben und nun feine Schrauben in der Hand halten. Walter Rauchenberger fährt noch am 30. September 1966, einem Freitag, mit der letzten Schicht ins Bergwerk. Zwei Tage später beginnt er bei MAN. Nach der Umschulung verlegt er Bremsleitungen, später wechselt er ins Betriebsbüro.
Komplette Omnibusse
"Ich habe gerne bei MAN gearbeitet", sagt der Ruheständler, der bis 1999 in dem Werk tätig war. Groß war ihm zufolge das Zusammengehörigkeitsgefühl. Schließlich habe man seine Kollegen aus dem Bergwerk gekannt. Bedeutend ist auch, dass sich die Beschäftigten mit ihrer neuen Arbeit, dem Bau von kompletten Omnibussen, identifizieren können. Die Arbeiter hätten am Ende den fertigen Bus gesehen und sagen können, was sie dazu beigetragen haben, so Walter Rauchenberger. "Man war stolz." Die Bergleute hätten auch so gewissenhaft gearbeitet, dass Käufer wegen der Qualität nur Busse aus dem Penzberger Werk wollten.
Anfang der 80er Jahre endet jedoch die Omnibus-Produktion in Penzberg. Das Unternehmen kündigt an, sie in Salzgitter konzentrieren zu wollen. Das Penzberger Werk soll fortan Fahrzeugkomponenten herstellen. Margarete Drexel urteilt in ihrer Doktorarbeit über das "Kunststück", aus Bergarbeitern Omnibusbauer zu machen: Es sei "am guten Willen aller Beteiligten, am Engagement von einzelnen, die Schlüsselpositionen innehatten, und nicht zuletzt an dem meist klug überlegten Vorgehen der Unternehmensleitung" gelegen.
Über den Wandel vom Bergbauort zur modernen Stadt und über die MAN-Ansiedlung schrieb die Penzbergerin Margarete Drexel das Buch "Alles was getan wird, geschieht für die Menschen!" (Books on Demand GmbH, Norderstedt)
mm 01.07.2005