Game Over?
In der letzten Betriebsversammlung sind wir nur sehr oberflächlich über die neuen Entlassungen und den Beschluss der Geschäftsleitung informiert worden. Nürnberg ist für UMTS zukünftig kein Standort mehr. Die Stimmung ist an ihrem Tiefpunkt angelangt. Für viele gibt es nicht mehr die Frage, ob man geht, sondern lediglich die Frage, wann?
So demotiviert wie wir jetzt sind, waren wir vorher noch nie. Wenn es die Absicht des Vorstandes war, viele Beschäftigte zu bewegen, das Freiwilligenprogramm anzunehmen, hat dieser sein Ziel weit übertroffen. Es wird nur noch diskutiert und jede/r rechnet sich aus, was herausspringen würde.
In der letzten Betriebsversammlung kam es klar zum Ausdruck: Der deutsche Vorstand will ALU in eine Servicefirma umbauen. Dies passt auch zu den Plänen des Vorstandsmitglieds Fechner, R&D loszuwerden. Der erste Versuch ist der beabsichtigte Verkauf (nach §613a BGB) des Bereichs Anymedia an die indische IT-Firma Wipro.
Außerdem wurde in der Betriebsversammlung deutlich, dass die R&D-Projekte langsam auslaufen und kaum etwas nachkommt. Eigentlich ist dieser Zustand nichts neues. Durch die Ankündigung, „Deutschland sei kein Standort mehr für die UMTS-Entwicklung“, wurde lediglich eine Absicht deutlich ausgesprochen, was sich die meisten von uns selbst hätten zusammenreimen können.
Nach dem gegenwärtigen Wissensstand sollen ungefähr 700 Beschäftigte in Nürnberg bleiben, Schwerpunkt Service.
Hat der Standort Nürnberg noch eine Zukunft? Sicherlich ist der in der jetzigen Form nicht zu halten. Die Firma ist gerade dabei das Hauptgebäude, Gebäude 1, zu räumen und andere Teile könnten folgen, falls sich die Firma personell weiter verkleinert.
Was die „kritische“ Masse für den Erhalt des Nürnberger Standorts ist, bleibt unklar. Es ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Frage. Angesichts des Geldes, das seitens der Staatsregierung und der Stadt geflossen ist, wird es sicherlich Ärger bei einer Standortschließung geben.
Gerade läuft das neue „Freiwilligenprogramm“ an und das Interesse daran ist groß. Das Zielpublikum sind alle über 45 Jahre und die sollen mit Geld geködert werden. Allerdings, auch wenn das Interesse und die Bereitschaft groß sind, wird das Programm nur dann interessant, wenn man einen neuen Job in der Tasche hat oder ohne Job auskommen will. Wer Verpflichtungen für Haus und Kinder hat, für den ist das Risiko, seinen bestehenden Job zu verkaufen, enorm hoch.
Das Problem ist, dass der Vorgesetzte zustimmen muss, das nennt sich dann „Doppelfreiwilligkeit“. Wenn der Vorgesetzte sich weigert, kann man nur ohne Abfindung die Firma verlassen.
Deshalb kann es für uns nur die Forderung geben: wer gehen möchte, bekommt das volle Paket. Denn, derjenige, der signalisiert, die Firma verlassen zu wollen, hat bereits innerlich gekündigt. Man sollte das respektieren und ihm keine Steine in den Weg legen.
Für diejenigen, die bleiben wollen, ist die Zukunftsperspektive notwendig. Grob gerechnet, kostet das jetzige Freiwilligenprogramm allein in Nürnberg etwa €27 Mio. Mit diesem Geld könnte jede vernünftige Firma etwas aufbauen, sprich etwas unternehmen.
Doch der Vorstand hat momentan nur ein Ziel im Kopf: uns so schnell wie möglich loszuwerden. Nach den Ankündigungen der letzten Tage gibt es überhaupt keine Zukunftsperspektive mehr. Es kommt uns so vor, als hätte der Vorstand mit der Firma bereits abgeschlossen, wir werden nur noch abgewickelt.
Nächsten Freitag (15.02.08) wird die Betriebsversammlung vom 1. Feb 2008 fortgeführt. Wenn das zuvor Gesagte zutrifft, sollte der Vorstand den Weg freimachen. Solche Vorstandsmitglieder sind ein teures Vergnügen für ein Unternehmen. Wenn es möglich ist, komplette, intakte Entwicklungsteams zu veräußern, sollten wir auch dem globalen Trend folgen und die Vorstandstätigkeiten aus Billiglohnländern einkaufen. Schlechter würden wir auch nicht dabei fahren.
Was da mit manchen Mitarbeitern im Sommer 2007 abgelaufen ist (hauptsächlich in ONG) ist nicht mehr in Worte zu fassen.