Siemens AG: ERA 5 - Eingruppierung von Schwerbehinderten, eine einseitige Vertragsänderung und ein Fall für den Compliance Officer?
Die Konditionen der Schwerbehinderten wurden jedoch seitens der Siemens AG schon vorab rückwirkend und einseitig abgeändert. Entgegen den Vorgaben des Arbeitsrechtes ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates! So verändert sich nun die Zusammensetzung des Gehaltes signifikant zu Ungunsten der Kollegen! Alle Kollegen im Tarifkreis wurden über den Kamm geschert und in ERA 5 (mit einem niedrigen Sockelgrundgehalt von ca. 2.500 €) eintarifiert! Das Gesamtgehalt entspricht zwar der ursprünglichen Höhe, jedoch nicht die Zusammensetzung, bei vielen Kollegen sind die außertariflichen Zulagen deutlich höher als das nun reduzierte Grundgehalt. Dies hat zudem Einfluss auf die Vergleichbarkeit im Falle interner Bewerbungen und der korrekten Umsetzung von Tariferhöhungen und anderen eingruppierungsabhängigen Zahlungen, wie die Siemensrente, was diese schwer nachprüfbar macht.
Dies alles geschah klammheimlich durch die Siemens AG, ohne jedwede Kommunikation mit den Betroffenen . Nun stellt sich doch die Frage, ob dies ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe mit langjährig verdienten Kollegen ist?
Nun ergibt es auch einen Sinn, warum die Kollegen seit Jan. 2011 vergebens rhythmisch eine Aushändigung des Personalstammbogens bei der Personalabteilung (HR) angefordert haben. Dies kann durch zahlreiche Mails belegt werden! Die Einsicht des Personalstammbogens ist ein grundlegender Anspruch des Arbeitnehmers, der juristisch untermauert ist! Wollte Siemens schlicht und ergreifend vermeiden, dass die Kollegen Unterlagen zu einer heimlichen Umgruppierung in Händen halten könnten?
Wenn Siemens gehaltlich nichts ändern will, wenn Siemens einen respektvollen Umgang will, warum phast sie dann die verbliebenen 15 Schwerbehinderten des Tarifkreises nicht sauber und korrekt 1:1 in die entsprechenden ERA-Klassen ein? Warum weigert Siemens sich strikt, schriftlich zu bestätigen, dass sich durch diese ominöse Eintarifierung auch in Zukunft nichts am Gehalt des Einzelnen ändert? Das Argument „keine aktive Stelle bedeutet keine korrekte Eintarifierung“ zieht nicht, da bei Außertariflichen Mitarbeitern, auch ohne derzeitige Arbeit, durchaus eine 1:1 Eintarifierung vorgenommen wurde. Dies ist also auch bei Tarifmitarbeitern durchaus möglich, setzt jedoch guten Willen voraus!
Warum werden interne Prozesse verbogen, rückwirkende Änderungen in den Stammbögen ohne Wissen der Betroffenen vorgenommen, warum wird scheinbar jeder willkürlich zu einem separaten Datum in ERA 5 eingestuft? Das macht alles keinen Sinn, wenn man den Aussagen der Siemens AG „keiner will euch was Böses, keiner will an euer Gehalt“ Glauben schenken möchte!
Noch schlimmer wäre jedoch die Befürchtung, dass HR genau weiß was sie tut bzw. tat!
Es stellen sich tatsächlich für die Betroffenen die Fragen - Dürfen Stammbögen und damit Abteilungsbezeichnungen und Eintarifierungen nachträglich und rückwirkend geändert werden?
- Wie moralisch und respektvoll ist dieser Umgang?
- Wie compliant ist dieses Vorgehen?
- Weiß die Siemens Konzernleitung von diesem Vorgehen?
Die Siemens AG wird damit argumentieren, dass bestehendes Individualrecht gem. § 99 BetrVG mit der Zustimmung bzw. Nicht-Zustimmung des entsprechenden Betriebsrats außer Kraft gesetzt werden kann, und dies sei in den vorliegenden Fällen geschehen! Hier ist jedoch zu beachten, dass in diesem Fall der §99 ausgehebelt wurde, da die Anhörung des aufnehmenden Betriebsrates erst Mitte September 2011 erfolgt ist, die Einstufung in ERA 5 jedoch rückwirkend für alle bereits zum November 2010 zum Tragen gekommen ist. Eine rückwirkende Genehmigung durch den Betriebsrat ist gesetzlich nicht zulässig und nicht wirksam!
Abgesehen von diesem unkorrekten Vorgehen, ist es an und für sich schon fragwürdig, dass keine betroffene Seite, nämlich weder der Arbeitgeber selbst, noch der Betriebsrat die Kollegen von diesen rückwirkenden, signifikanten Änderungen in Kenntnis gesetzt haben! Dieses Verhalten spricht auf keinen Fall für einen fairen Stil im kollektiven Miteinander, schon gar nicht von den von uns gewählten Vertretern!
Vermutlich in dem Wissen um die Fragwürdigkeit der einseitigen Vertragsmanipulationen stellt sich dann die Frage: Warum wollte Siemens diese bereits erfolgte Abstufung rückwirkend von den betroffenen Mitarbeitern sanktionieren lassen? Denn im Versetzungsschreiben vom September 2011 wurde allen die Einstufung in ERA 5 ab dem 01.10.2011 angekündigt und die Zustimmung dazu per Unterschrift gefordert. Nun soll diese Einstufung bereits seit 8 Monaten aktiv gewesen sein? Will Siemens rückwirkend „harte Fakten“ schaffen, entgegen diesem Schreiben, in welchem suggeriert wird, dass die neue pauschale Eingruppierung in der Zukunft liegt?
Was soll das? Warum ist man hier so unehrlich, wenn alles mit rechten Dingen zugeht? Die Kollegen wurden massivst unter Druck gesetzt, um dieses Schreiben gegenzuzeichnen. Auch diejenigen, welche schwere Bedenken hatten und nicht unterschrieben haben, sind trotzdem bereits seit Monaten in ERA 5 eingruppiert! Auf jeden Fall ist allen betroffenen Kollegen anzuraten dieses Vorgehen mit ihren Anwälten abzuklären, bzw. additiv auf der Hauptversammlung vorzutragen! Vielleicht macht es auch Sinn den entsprechenden Compliance Officer einzuschalten?