Standpunkt 05/09
STANDPUNKT
von Eisenbahnern für Eisenbahner Ausgabe Nr.14 Standpunkt-Redaktion@gmx.net 30.09.2009
Der Sturzflug der Bahn, wer kann ihn aufhalten ?
7000 Kollegen bei DB-Schenker-Rail verlieren ihren Arbeitsplatz. Das Ende der Kurzarbeit haben sich die Kollegen im Güterverkehr anders vorgestellt. Erst wurden Leistungen und Personal so hin und her geschoben, damit die Bahn die Kurzarbeit rechtfertigen kann, nun steht der Job und der gesamte Güterverkehr auf dem Spiel. Die weltweite Krise ist nun auch bei uns angekommen. Dabei haben wir Eisenbahner in den letzten Jahrzehnten immer wieder Einschnitte im Lohn und Sozialen hinnehmen müssen, damit die Manager ihre Gewinne einfahren konnten. Jetzt sollen wir nicht von unserer Arbeit und von unserem Verzicht profi tieren? Das letzte Wort kann und darf zum Jobverlust noch nicht gesprochen sein!
Was Läuft derzeit bei der Berliner S-Bahn?
Privatisierungspläne für die Deutsche Bahn erzeugten Optimierungspläne. Über 1000 Arbeitsplätze wurden gestrichen. Die politische Mitverantwortung ist unumstritten. Jetzt ist Solidarität und Aufklärung gefragt. weiter Seite 2
Neunanfang nur durch die S-Bahner!
Wenn bisher die Rede von einem Neuanfang bei der Berliner S-Bahn ist, dann meint die Geschäftsführung so weiter zumachen wie bisher. Wir Mitarbeiter fordern keinen Geldregen oder eine Villa. weiter Seite 3
Brände, Achsbrüche und Zusammenstöße
Aus Kreisen des EBA ist zu vernehmen, dass die Bundesbehörde nach Abschluss ihrer Untersuchungen bei der Berliner S-Bahn ihre Tätigkeit auf weitere Teile der Deutschen Bahn AG ausweiten wird. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten zeigen Vorkommnisse in den letzten Wochen.
25% Lohneinbuße
Auf der letzten BV von DB-Regio Nord/Ost wurde es bekannt. 25% Lohneinbuße wird es durch die Ausschreibung der Regionalverkehrsleistungen für die Beschäftigten geben. Sollte dem nicht zugestimmen, werden die Beschäftigten in eine DB-Regio-Nord/Ost-GmbH ausgegliedert.
CDU/FDP Plant neuen Anlauf für Privatisierung der Bahn
CDU + FDP wollen einen neuen Anlauf zum Verkauf der Deutschen Bahn unternehmen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion erklärte: „Wir wollen die Privatisierung. Wir werden das auf jeden Fall im Koalitionsvertrag dokumentieren“
EFPTV - der Kampf der GDL geht weiter
Der GDL-Hauptvorstand stellte sein Konzept der sozialen Absicherung für die Fahrpersonale aller Eisenbahnverkehrsunternehmen vor, mit dem sie den fortschreitenden Verlust von tariflichen Leistungen durch die Ausschreibung der Verkehrsleistungen im Nah- und Regionalverkehr an private EVU aufgefangen will. So drängt sich die Problematik des Beibehalt der Löhne und sozialen Leistungen laut LfTV für immer mehr Kollegen der DB in den Vordergrund. Wenn der Job wegen der verlorenen Ausschreibung bei der DB weg ist, bleibt oft nur der Gang zum privaten EVU. Da auch die GDL bei diesen privaten EVU‘s zuvor, wenn überhaupt, niedrigere Tarife als bei der DB vereinbarte, sieht sie sich nun gezwungen diese Löhne ans DB-Niveau anzugleichen, oder Mitglieder und Einfl uss bei den EVU zu verlieren. Die TG verhandelt bereits über einen Branchen TV. Dieser soll sich nur auf den SPNV beziehen und der EFPTV nur auf die Fahrpersonale. Der Kampf um Macht und Einfluss geht weiter.
SEITE 1
Was Läuft derzeit bei der Berliner S-Bahn?
Seitdem die Privatisierungspläne für die Deutsche Bahn umgesetzt werden, gibt es dort und bei allen Tochterunternehmen einen massiven Stellenabbau. So hat diese Optimierung auch die S-Bahn erreicht. Geschäftsführer wurden im Jahr 2006 ausgetauscht, um die Ziele der DB AG, an die Börse zu gehen, umzusetzen. Eine Renditeerwartung von 14% muss auch durch die Berliner S-Bahn erreicht werden.
Auf höchster Weisung
Auf Weisung ihrer Vorgesetzten haben die Werkstattpersonale schon früh auf die unhaltbaren Missstände bei der Sicherheit an den Zügen hingewiesen. Doch allein wegen des Personalmangel haben sie keine Möglichkeit gesehen, diese sicherheitsrelevanten Arbeiten an den Zügen auszuführen. So wurden Arbeiten an den Bremsen und Achsen nur bei bereits aufgetretenen Schadensfällen durchgeführt. Erst jetzt hat auch das frühere Aufsichtsratmitglied bei der S-Bahn und derzeit Vorstandsvorsitzender der Schweizer Bundesbahn SBB, Andreas Meyer, in einem Interview klargestellt, dass die Effizientserhöhung bei der S-Bahn auf höherer Weisung geschah. So hat aber auch er dargelegt, dass der Aufsichtsrat seine Arbeit fahrlässig vernachlässigt hat, indem er die operativen Geschäfte bei der S-Bahn völlig der skrupellosen Phantasie der Geschäftsführung zur Umsetzung der vorgegebenen Ziele überlies. Meyer: „Wir brauchten Effizienzsteigerungen, um die Kosten in den Griff zu kriegen. Wir wollten etwa sehen, wie man mit weniger Werkstätten auskommen oder alte Fahrzeuge ausrangieren kann.“ Und sein Nachfolger, Graf von Schulenberg, hält auch heute noch im Auftrag des DB-Vorstand, Ulrich Homburg, an der Effizientserhöhung fest. So ist deutlich die Mitverantwortung des Aufsichtsrat am derzeitigen S-Bahn-Chaos festzustellen. Verantwortung zu übernehmen heißt zurückzutreten.
Über 1000 Arbeitsplätze gestrichen
Bei der S-Bahn wurden Arbeitsplätze gestrichen, ca.1000 allein in den letzten 2 Jahren, Wartungsprozesse in den Werkstätten gestrichen und Werkstätten ganz geschlossen. Die Folgen sind nun zu Tage getreten. Bei sicherheitsrelevanten Inspektionen an den Zügen wurde so massiv eingespart, dass die Überprüfung der Achsen fast vollständig ausgelassen wurden und die Wartungsarbeiten an den Bremsen ebenfalls einen unzulässigen Stellenwert einnahmen. Nur durch Einschüchterung und Repressalien der Vorgesetzten gegenüber den Mitarbeitern, hat sich noch kein erkennbarer Widerstand bei den S-Bahner gezeigt. Doch Widerstand findet statt. Es sind Aktivisten, die in Diskussionen mit den Kollegen nach einem Weg für einen empfindlichen Widerstand gegenüber der Geschäftsführung und dem DB-Vorstand suchen und finden. Die S-Bahner sehen keine Ausweg darin, so weiterzumachen wie es die Unternehmensführung gern möchte, um ihre Gewinnerwartung auf Kosten der Fahrgäste und Mitarbeiter wieder hoch zu schrauben. Um einen erfolgreichen Widerstand aufzubauen, braucht es die Kraft aller S-Bahner zusammen mit unseren Fahrgästen, die zum Opfer einer skrupellosen Unternehmens- und Verkehrspolitik geworden sind. Es braucht dazu nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern tägliche Solidarität und Aufklärung in Wort und Tat. Ob es Diskussionen auf den Bahnsteigen sind oder Flyer in der Hand zum verteilen. Wir S-Bahner brauchen wieder Hoffnung und Solidarität, die wir nicht von den uns vorgesetzten Mittätern des Chaos, sowie der Geschäftsführung erwarten können.
Politische Verantwortung
Schon im Jahr 2003 gab es einen Schadensfall an einem Radsatz, wurde jedoch erfolgreich verheimlicht. Insbesondere gegenüber der Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahnbundesamt (EBA). Garantieansprüche gegenüber dem Hersteller der Achsen wurden damals nicht erhoben, da der Einbau von minderwertigen Radsätzen in den neuen Zügen der Baureihe 481 auf eindringlichem Wunsch des Besteller der Fahrzeuge, der S-Bahn Berlin GmbH (400 Vz) und dem Bund (100 Vz), erfolgte. So hat auch der Bund an der nun aufgetretenen Krise eine deutliche Mitverantwortung. Aber auch der Senat von Berlin, der sich von der Bahn erpressen lies, als der Verkehrsvertrag ausgehandelt wurde. Nicht ohne Grund wurden die Verhandlungen von höchster Stelle der Bahn, dem Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Hartmut Mehdorn, geführt. Das Ergebnis ist nun zu sehen, denn im Verkehrsvertrag zwischen dem Senat von Berlin und der S-Bahn Berlin GmbH wurden so viele Klauseln offen gelassen, dass die S-Bahn ohne Kontrolle die Zahlungen des Senat für die Verkehrsleistungen direkt an den Bahn-Konzern abführen konnte und noch immer kann. Weder Zuglängen, noch die Höchstgrenze der Kosten der Trassen-(Gleis-)nutzung oder die Zahlungen für einen Halt an Bahnhöfen und Haltepunkte sind festgeschrieben. So wird sich auch zukünftig nichts ändern.
SEITE 2
Neunanfang nur durch die S-Bahner!
Wenn nun die Rede von einem Neuanfang bei der Berliner S-Bahn ist, dann meint die derzeitige Geschäftsführung dort weiterzumachen, wo ihre Vorgänger aufgehört haben. Ihr zur Seite steht der Betriebsrat, der sich durch seine vorsitzendenen Betriebsräte in geheimen Treffen mit der Geschäftsführung verständigte, wie sie gemeinsam die Mitarbeiter beruhigen wollen, um am bisherigen Kurs bei der S-Bahn festhalten zu können. Erste Stellungnahmen der beiden Geschäftspartner reden davon, dass erst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden sollen, bis dann der Jobverlust auch für die verbliebenen Aufsichten umgesetzt werden. Kein Wort fällt mehr über die Aufstockung der Belegschaft in den Werkstätten, oder gar die Wiedereröffnung bereits geschlossener Werkstätten. Das es bei der Berliner S-Bahn nicht so weiter gehen kann wie es aufgehört hat versteht inzwischen auch der letzte von uns Mitarbeiter.
Daher ist die kompromisslose Forderung weiterhin bei uns Mitarbeitern aktuell. Öffnung geschlossener Werkststätten und die Bereitstellung von ausreichend Personal, um zukünftig einen sicheren und zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten. Dazu gehört der Erhalt und die Aufstockung aller Aufsichten. Dabei kann und darf nicht die Frage gestellt werden wer das bezahlen soll. Das haben wir schon in den letzten Jahren, als wir auf Urlaub und Lohn verzichtet haben, sowie mit unserer täglichen Arbeit. Der Expansionskurs und die Gewinne des DB-Konzern wurde durch unsere tägliche Arbeit und durch unsere Kompromisse bei Lohn und sozialen Leistungen erwirtschaftet.
So sind es unsere Leistungen, die den S-Bahn Betrieb überhaupt erst ermöglichen. Wir haben auch ein entscheidendes Mitspracherecht, welcher Kurs zukünftig bei der S-Bahn gefahren wird. Es kann und darf nicht sein, dass unsere Arbeit bis zum Unerträglichen verdichtet wird und wir am Ende auf der Strecke bleiben. Gewinn orientierte BWL-Studenten wollen uns erzählen, wie eine S-Bahn funktionieren soll. Vorgesetzte die sich ihren Chefs anbiedern, noch mehr aus den Mitarbeitern heraus holen zu können, wollen uns daraufhin die widerspruchslose Notwendigkeit der Flexibilität verkaufen.
Auch unsere so genannten „Interessenvertreter“ wollen uns weiterhin verkaufen, dass sie nichts gegen die unternehmerischen Entscheidungen tun können. Doch kämpferische Betriebsräte und Gewerkschafter zeigen uns Wege auf, die uns Mitarbeiter nicht im Schatten der Ohnmacht stehen lassen. Dabei fängt es bei jeder Möglichkeit an, die Entscheidungen der Geschäftsführung zu blockieren und hört noch lange nicht damit auf, die Entscheidungen der Geschäftsführung jederzeit in einer außerordentlichen Betriebsversammlung, unter Beteiligung aller Mitarbeiter, während der Arbeitszeit zu bereden. Damit werden wir den Entscheidungen der Geschäftsführung keinen Spielraum entgegen unserer Interessen erlauben.
Es ist nicht die Frage des Können, sondern des Wollen, um einen Neuanfang bei der S-Bahn durch uns Mitarbeiter zu gehen. Grundlage dafür sind nicht die Unterschiede die uns Mitarbeiter trennen, sondern die Gemeinsamkeiten die uns verbinden. Ob als Fahrdienstleiter, Triebfahrzeugführer, Mechatroniker, Schlosser oder Aufsicht, wir haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. So sollen wir alle immer mehr leisten und dabei immer weniger für unsere Arbeit bekommen. Damit muß Schluß sein. So fordern wir Mitarbeiter keinen Geldregen oder eine Villa im Tessin. Wir fordern eine Beteiligung an den Entscheidungen über die S-Bahn und unseren Arbeitsplätzen. Allein bei den Sitzungen des Betriebsrat und seiner Ausschüsse fordern wir eine demokratische Teilnahme und Mitbestimmung, da genau dort die uns betreffende Entscheidungen fallen. Dabei interessiert uns nicht was das Gesetz erlaubt, sondern welches Anrecht wir von unseren Interessenvertretern zugesprochen bekommen, uns an der Gestaltung der S Bahn und unserer beruflichen Zukunft zu beteiligen. Die Zeit der geheimen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung muß vorbei sein, wenn wir wieder eine Zukunft haben wollen.
Entscheidungen im Unternehmen über Arbeitsplätze und über technische Veränderungen im S-Bahn Betrieb dürfen nur unter Beteiligung der Mitarbeiter getroffen werden. Ansonsten wird sich die Kluft zwischen uns Mitarbeitern und der Unternehmensführung, sowie der derzeitigen Betriebsratmehrheit vertiefen. Ohne uns Mitarbeiter wird sich nichts ändern. Insbesondere wenn sich weiterhin sicherheitsgefährdende Schreibtischtäter in der mittleren und obersten Führungsebene befinden. Sie sollten als aller erstes ihre persönlichen Konsequenzen aus ihrem skrupellosen Handel ziehen.
SEITE 3
EU-Anpassung mit EBA-Entmachtung
Interview mit einem hohen EBA-Beamten*
Das Eisenbahn-Bundesamt hat nach dem Kölner ICE-3-Unfall schnell und energisch reagiert.
Die Dramatik hinter den Kulissen ist öffentlich nicht bekannt. Vor Ort, in Köln, handelten die EBA-Leute nach der bewährten Methode: Ermittlung der Ursache, Verständigung der Zentrale. In der Zentrale jedoch wurde versucht, nach der neuen EU-Richtlinie zu handeln. Keine sofortige Sicherheitsempfehlung! Keine umgehende Stilllegung der ICE-3-Einheiten! Festgehalten werden sollte nur, dass die „Sicherheitsbehörde“ (das EBA) verständigt worden sei. Dabei sitzen da die Kollegen, die verständigen, und die Kollegen, die das entgegennehmen, Zimmer an Zimmer. Letzten Endes war es ein einzelner, verantwortlicher Mitarbeiter, der zur erlösenden – richtigen – Tat schritt: schriftlicher Verwaltungsakt; BESCHEID, Verweis auf „Gefahr in Verzug“ und „Notstandsmaßnahme“.
Was hat die EU mit all dem zu tun? Um welche EU-Richtlinie geht es?
In der EBA-Zentrale ist wegen neuer EU-Richtlinien alles im Umbruch. Dort wird so getan, als würde das EBA keine Unfälle mehr untersuchen. Dies soll jetzt Angelegenheit einer bisher nur auf dem Papier existenten nationalen „Eisenbahnunfalluntersuchungsstelle (EUB)“ sein. Glücklicherweise wird – noch! - vor Ort bei den zwölf EBA-Außenstellen so weitergemacht wie bisher. Sonst gäbe es faktisch keine ernsthafte Unfalluntersuchung mehr. Umgesetzt werden soll die EU-Richtlinie RL 2004/49/EG Art.19 und 21. Für deren Umsetzung hierzulande gibt es bereits den Entwurf eines Handbuchs (Er liegt der Beilagen-Redaktion vor; W.W.). Danach wird eine EUB für die – von der Zahl her wenigen – „schweren“ Unfälle geschaffen. Die große Zahl der Gefährdungen und Beinahe-Unfälle, die meist nur zufällig keine Katastrophe zur Folge hatten, soll nicht mehr durch eine Behörde, weder durch EBA noch durch EUB, untersucht werden. Die sollen unter Verweis auf die sogenannte „Betreiberverantwortung“ (§ 4, AEG/Allgemeines Eisenbahn-Gesetz) von den betroffenen Unternehmen selbst untersucht werden. Das ist skandalös. Private Bahnbetrieber, die durch einen Abbau von Sicherheitsstandards den Gewinn maximieren, untersuchen Unfälle, die Resultat dieser Unternehmenspolitik sind. Für die EBA-Fachleute waren das bisher Untersuchungen, aus denen man für die Zukunft lernen konnte. Wenn diese Art Unfälle „ausgruppiert““ werden, dann gibt es kaum mehr eine tiefgreifende Unfall-Ursachen-Erforschung.
Wie schätzen Sie grundsätzlich die EBA-Unfalluntersuchungsarbeit ein?
Die 1994 aufgebaute Behörde EBA hat in der relativ kurzen Zeit ein erhebliches Fachwissen akkumuliert. Es wurde eine Unfallursachenermittlung entwickelt, bei der es meist um die „Ursachen hinter den Ursachen“ ging. Das führte oft dazu, dass wir bei unseren Untersuchungen in den Führungsetagen der Unternehmen landeten. Oft wurden wir zu Anwälten von Lokführern, Fahrdienstleiter, Rangierern, Schaffnern und Zugführern und zu Anklägern der Führungsetagen. Damit soll nun Schluss sein. Dafür gibt es kaum einen besseren Deckmantel als die „Europäisierung“. Im gültigen Gesetz AEG wird in § 5 Abs. 1 ausdrücklich das Eisenbahn-Bundesamt EBA als „Untersuchungsbehörde“ für „die übrigen Fälle“, also gerade auch für so genannte Unfälle ohne direkte größere Schäden, benannt. Das kann doch durch eine EU-Richtlinie nicht weggedrückt werden. In der EBA-Zentrale heißt es: „Am § 5 AEG sind wir dran“. Dieser soll neu „kommentiert“ und aufgeweicht werden.
Welche Rolle soll das EBA in Zukunft haben?
Aus Sicht der Verantwortlichen soll es eine zentrale Sicherheitsbehörde geben, deren Experten grundsätzlich keine Unfälle mehr untersuchen. Sehen Sie sich doch mal die Ziffern 8 und 13 im Entwurf des neuen Handbuchs an. In Ziffer 13 heißt es: „Vor der Einschaltung externer Sachverständiger ist im Bedarfsfall das Eisenbahn-Bundesamt um Unterstützung zu bitten.“ Nach 14 Jahren Unfallermittlung werden wir unter der Rubrik „extern“ geführt. Da resigniert jeder verantwortliche Beamte, der Sicherheit ernst nimmt. Der von der Schädigung her nicht relevante, aber von der Bedeutung her wirklich exemplarische ICE-3-Unfall in Köln wird bei Durchsetzung all dieser Veränderungen in Zukunft gar nicht mehr bei der (neuen) EBU landen, weil es keinen Toten bzw. keine fünf Schwerverletzte gab und er somit nicht „meldepflichtig“ wäre. Erst recht wird es kaum mehr einen derart wirksamen – und sinnvollen – EBA-Bescheid wie denjenigen am 11.7.2008 geben. Die Folgen dieses Abbaus von Sicherheitsstandards bei der Sicherheitsaufsicht werden gravierend sein.
Das Interview wurde geführt am 28. Juli 2008; für Bahn für Alle: Winfried Wolf.
*Der Name des Interviewten kann aus naheliegenden Gründen nicht genannt werden.
V.i.S.d.P. - Horst Krüger, Lindenstraße 25,12554 Berlin - www.netzwerkit.de/projekte/standpunkt-gruppe
SEITE 4