Schuldlos in die Schlagzeilen?
Für uns Eisenbahner sind diese Situationen normaler Arbeitsalltag - seit Beginn der Privatisierung.
Rein technisch gesehen gibt es dafür zwei Gründe. Zum Einen sind die Klimaanlagen für hochsommerliche Temperaturen in ihrer Leistung zu knapp bemessen und zum Anderen ist der Wartungszustand äußerst mangelhaft. Es genügt eine verdreckte Luftfiltermatte die dazu führt, das die Klimaanlagen noch früher den Geist aufgeben.
Wie bei den Problemen bei der S-Bahn gab es auch hier Warnungen der Eisenbahner. Die wurden aber von den Führungskräften beharrlich ignoriert. Doch für diese Kreise sind wir sowieso nur Nummern die Kosten im Konzern Bahn verursachen. Also um so weniger, um so besser.
Nicht nur Hartmut M. nein ganze Generationen von Managern vor und nach ihm sind angetreten, um uns Eisenbahnern endlich beizubringen, wie man Züge fährt oder lieber nicht fährt. So hätte man sich eine Menge Ärger erspart. Ob Züge fahren ist auch zu einem untergeordneten Interesse geworden. Nur eins zählt: Stimmt der Profit unter dem Strich. So ist nun auch sicherlich der verzweifelte Versuch dieser lächerlichen, sogenannten Eliten, zu werten, die Schuld für die Misere nun auf das kleinste Glied der Kette abzuwälzen - dem Zugpersonal. Mit unschuldiger Mine in den Medien wird energisch nach unten getreten. So ermittelt die Bundespolizei als Helfershelfer dieser „ehrenwerten Gesellschaft“ wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.
Für viele Kollegen ist das wie ein Hohn für ihre Arbeit. Hat vielleicht die bundeseigene Behörde „Bundespolizei“ den Auftrag bekommen ein Bauernopfer zu liefern, um die wahren Schuldigen des Chaos in ihrem Elfenbeinturm am Potsdamer Platz zu schützen. Anders ist es nicht zu erklären! Denn eines ist klar, das Personal in den betroffenen Züge ist genauso wie die Fahrgäste Opfer. Schließlich müssen sie zu genau denselben Saunabedingungen auch noch arbeiten. Und das jede verdammte Schicht. Dass das Personal in einem solchen überfüllten Zug mit etlichen Störungen, unter solchen Extrembedingungen völlig überfordert ist, dürfte auch Laien klar werden. Das Personal kann schließlich nicht überall sein.
Zumal dass Zugpersonal überhaut nicht eigenmächtig entscheiden kann. In der Regel wird die Transportleitung verständigt, welche dann entscheidet. Diese ist natürlich, mit dem noch vorhandenen geringen Personal, auch vollständig überfordert, wenn Störungsmeldungen von Zügen im Minutentakt dort eingehen. Überhaupt findet eine ständige Entmachtung der Entscheidungsmöglichkeiten der Fachleute vor Ort, nämlich der Eisenbahner statt. Das betrifft alle Berufsgruppen vom Zugbegleiter über den Fahrdienstleiter zum Lokführer. Vom Management kommen quasi täglich neue Weisungen unter der Maßgabe die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Dazu muss zwangsläufig die Entscheidungsfreiheit der Eisenbahner eingeschränkt werden, da sie es gewohnt waren nach Sicherheitsaspekten und nicht nach Wirtschaftlichkeitsaspekten zu entscheiden. Mit zunehmender Tendenz wird auch durch das Management immer stärkerer Druck ausgeübt auf Lokführer, die z.B. wegen eines Sicherheitsmangels oder eines abnormalen Geräusches die Weiterfahrt verweigern. Es gibt immer mehr Fälle, wo solchen Kollegen vom Management Inkompetenz vorgeworfen wurde und mit persönlichen Anrufen unter Androhung von Kündigungen und anderen psychischen Druckmitteln die Weiterfahrt befohlen wurde. Da die Lokführer wissen, dass wenn es zu einem Unfall kommt, sie sowieso die gesamte Verantwortung tragen müssen, hat dieses Drohpotenzial meistens wenig Erfolg, aber es ist dennoch eine enorme psychische Belastung.
Also liebe Fahrgäste, wir Eisenbahner wissen sehr wohl, wie leidgeprüft ihr als Pendler oder Fernreisende seid, aber bitte akzeptiert auch, dass wir mindestens genauso leiden. Insofern sollten wir beim nächsten Bahnchaos, dass leider nicht lange auf sich warten lassen wird, weil andere Systeme an Eisenbahnfahrzeugen und Anlagen genauso knapp konzipiert sind, wie die Klimaanlagen. Kurz gesagt: das ganze System Bahn ist zerrissen worden und damit der eigentlichen Aufgabe nicht mehr gewachsen.
Deshalb dürfen wir Arbeitende, ob bei der Bahn beschäftigt oder als Nutzer, nicht aufeinander losgehen sondern lieber gegenseitiges Verständnis aufbauen. Der Grund für diese Entwicklung sind die in den Chefetagen und ihre „guten Freunde“ in der Politik und nicht die Eisenbahner an der Basis. Wenn Eisenbahner anstatt Controllern bei der DB noch etwas zu sagen hätten, würde vieles im Interesse der Fahrgäste besser laufen. In diesem Sinne leider bis zum nächsten Chaos.
Der Spiegel meldet (siehe http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,707038,00.html):
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn zeigte sich mit dem Krisenmanagement seiner Mitarbeiter unzufrieden. "Es sind anscheinend Fehler gemacht worden. Die Staatsanwaltschaft und auch wir untersuchen diese Fälle derzeit ganz genau. Und die Wahrheit muss auf den Tisch." Für solche Krisenfälle gebe es bei der Bahn genaue Handlungsanweisungen. "Es gibt klare Richtlinien, wie das Zugpersonal in solchen Fällen reagieren muss. <b>Den Wagen schnellstmöglich zum Stillstand bringen </b> und versuchen, die Klimaanlage wieder in Gang zu kriegen. Fällt sie total aus, nicht weiterfahren, sondern einen Ersatzzug organisieren. Leider hat das in den bekannten Fällen ein paar Mal nicht geklappt."