Chaos auf ganzer Schiene
Schon seit Monaten fahren die Züge bei der Berliner S-Bahn nach unterschiedlichsten Notfahrplänen. Nun fahren sogar noch weniger Züge als es der bisherige Notfahrplan vorsieht. So fährt auf der Linie S47 nur noch ein Zug, die S46 fährt nur auf halber Strecke, bei der S75 fährt nur jeder zweite Zug und die wichtige S9 zwischen dem Flughafen Schönefeld und den Berliner Stadtzentren endet jetzt am Treptower Park, eine Station vor dem wichtigen Umsteigebahnhof Ostkreuz.
Bei der Begründung ihrer neuerlichen Reduzierung des Zugangebots, stützt sich die Unternehmensführung der S-Bahn auf die winterlichen Verhältnisse in Berlin und den damit verbundenen Störungen an den Fahrzeugen. Doch bekanntlich kommt jedes Jahr nach dem Herbst der Winter. Gerade weil es schon im letzten Winter chaotische Zustände bei der S-Bahn gab, möchte man denken es hätte dazu beigetragen in diesem Winter ein verlässlicheres Angebot auf die Beine zu stellen. Doch schon Ende Oktober wurde die Frist zur vollständigen Wintervorbereitung bei den Fahrzeugen nicht eingehalten und letztendlich verlängert, wohl mit der Hoffnung, dass es dieses Jahr keinen Winter geben wird.
Und was die Verantwortlichen der DB-Netz AG mitzuteilen haben (siehe Bild), verdient den Vaterländischen Verdienstorden. Der Winterbefehl Nr.1 wurde erlassen ... „Nun kann es kalt werden!“ Dabei berichten Eisenbahner immer wieder davon, dass sich die Störungsbeseitigung an Gleisen, Weichen oder Signalen schon lange nur auf das betrieblich absolut notwendige beschränkt. Personal- und Materialmangel aufgrund von Sparauflagen des DB-Vorstands verhinderen, dass wirklich alle Störungen an den Gleis- und Signalanlagen abgearbeitet werden. Wann wirklich alle Störungen beseitigt werden, das wissen scheinbar nur die Bahn-Vorstände. So verhält es sich auch mit vielen Weichenheizungen. Diese sind oder werden nicht eingebaut. Mit der Hoffnung auf den Klimawandel?
So wiederholt sich das Chaos des letzten Winters in einem neuerlichen Winterchaos. Das Auswechseln der S-Bahn-Geschäftsführung im Juni diesen Jahres hat ganz offensichtlich keinen Erfolg für die S-Bahner und ihre Kunden gebracht. Jetzt klemmen zwar die Sicherheitseinrichtungen an den Signalen und Zügen nicht mehr, dafür klemmt es in den Werkstätten. Trotz angeordneter Überstunden für die Werkstattpersonale laufen immer mehr Wartungsfristen und Reparaturarbeiten an den Zügen auf. Die Mitarbeiter in den Werkstätten die ihre Jahresarbeitszeit längst erreicht haben, könnten längst zu ihren Familien in die Weihnachtsferien gehen. Weihnachten fällt wohl dieses Jahr nicht nur für die Lokführer, Aufsichten und Fahrdienstleiter bei der S-Bahn aus, sondern auch für alle Werkstattpersonale, wenn die Geschäftsführung zu neuen willkürlichen Überstunden aufruft.
Doch diese klar erkennbare Konzeptlosigkeit der S-Bahn-Geschäftsführung wird noch nicht einmal durch den Betriebsrat der S-Bahn gestoppt, der sich in seiner Mehrheit ganz offensichtlich weder seiner Mitbestimmung zu den angeordneten Überstunden in den Werkstätten, noch seiner Verantwortung für die Mitarbeiter bewusst ist. So vereinbarte der Betriebsrat mit der Geschäftsführung eine Zahlung in fünf stelliger Höhe für den Bereich der Fahrzeuginstandhaltung, um im Gegenzug auf die Mitbestimmung bei jeglichen Abweichungen von den Arbeitszeiten der Werkstattpersonale zu verzichten. Zudem gastiert der Betriebsratsvorsitzende der Berliner S-Bahn immer wieder in den Medien und auf Veranstaltungen, aber mehr als Feststellungen über die Zustände bei der S-Bahn, die die Beschäftigten und Nutzer längst kennen und tagtäglich ertragen müssen, ist dabei nicht zu vernehmen. Dabei hat die S-Bahn "noch" 3000 Mitarbeiter und "noch" 1 Million Fahrgäste täglich, die genau wissen wohin ihre S-Bahn zukünftig fahren soll.
Der Senat von Berlin, insbesondere die Verkehrssenatorin, wird sich zwar nun wieder über die wiederum eingesparten Millionen Euro freuen die eigentlich für die vertraglich festgeschriebenen Verkehrsleistungen gedacht waren, doch wird diese Verfahrensweise nichts an den immer wieder auftretenden chaotischen Zuständen bei der Berliner S-Bahn ändern. Hinzu kommt die Frechheit der DB-Vorstände und der Geschäftsführung der S-Bahn, trotz fehlender Fahrzeug-, Werkstatt- und Personalkapazitäten, im Jahr 2010 mit einem Gewinn von 25 Millionen Euro zu rechnen. Dieser Irrwitz kann scheinbar nur noch durch die Betroffenen der chaotischen Zustände selber beendet werden. Widerstand fängt bekanntlich mit dem Willen dazu an.
Aber die Bahn ist für die Zukunft gerüstet - nur der Klimawandel ist zu langsam.