Standpunkt - Information 15/09 "Werte Kollegen von der Saarbahn"
Dabei spielen die Verhandlungsführer von Verdi ihre Rolle, den Beschäftigten bei der Saarbahn einen weiteren Verzicht auf ihren Lohn und bei ihren Lebensbedingungen zu verkaufen. So wurde von den Verhandlungsführern bei Verdi weder ein Reallohnausgleich gegenüber den letzten Jahren erreicht, noch haben sie die Rolle der Saarbahn als Lohndumpingunternehmen im Bereich des Regional- und Nahverkehr verhindert.
Durch die an das Lohnniveau der Deutschen Bahn angelehnten Forderungen der GDL-Verhandlungsführer, soll es der Saarbahn AG unmöglich gemacht werden, als Dumpinglohnunternehmen bei Ausschreibungen im Regional- und Nahverkehr aufzutreten. Wie bei anderen privaten oder kommunalen Schienenverkehrsanbietern nutzt die GDL-Führung noch immer nur die Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen, um ein einheitliches Lohnniveau bei allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in Deutschland zu erreichen.
Was keinem einzigen Kollegen bei der Saarbahn nutzt, ist die Kampf der Gewerkschaftsführungen untereinander. So wird wieder einmal deutlich, welche Rolle die Verhandlungspartner der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmen und den Beschäftigten einnehmen. Verdi sieht sich als Partner des kommunalen Unternehmen und in der Rolle als sozialer Puffer zwischen Unternehmen und Beschäftigten. Die GDL Verhandlungsführer sehen sich in der Rolle, bei allen einzelnen EVU's Tarifverträge auf Niveau des Lokführertarifvertrag (LfTV) der DB abzuschliessen, um nicht als Gewerkschaftsapparat mit ihrem LfTV im Zuge der Verkehrsleistungsausschreibungen durch die Bundesländer in die Bedeutungslosigkeit abzusinken, wie es 2007 der Fall war. Dabei sehen gerade die DGB Gewerkschaften in ihrer Sozialpartnerschaft mit den Unternehmen das scheinbar offensive Treiben der GDL als Angriff gegen ihre Rolle als selbsternannten "Hüter der Arbeitnehmerinteressen".
Jedoch vergessen die Verhandlungsführer von Verdi und der GDL scheinbar die übergreifenden Auswirkungen ihrer Tarifabschlüsse auf alle Mitarbeiter in allen EVU. Gerade der in der Öffentlichkeit kämpferisch wahrgenommenen GDL ist es möglich, als überregionale Gewerkschaft auch ihre Mitglieder in den anderen EVU's in den Streit für erträgliche Arbeits- und Lebensbedingungen zu integrieren. Insbesondere, wenn sich die Mitarbeiter in den EVU's schwierigen Umständen ausgesetzt sehen für ihre Interessen zu kämpfen, ist es um so wichtiger, alle Gewerkschaftsmitglieder zu einem gemeinsamen Handeln aufzurufen. Diesem Umstand kann sich die GDL- wie auch die Verdi-Führung zukünftig nicht entziehen, wenn sie im tatsächlichen Interesse der Beschäftigten handeln.
Der Arbeitskampf der Kollegen bei der Saarbahn wird mit großem Interesse von ihren Kollegen bei DB-Regio und DB-Stadtverkehr verfolgt. Ihre Arbeitsplätze hängen nicht wenig vom erfolgreichen Kampf bei der Saarbahn ab. Gerade die Kollegen bei DB-Regio, die sich bereits oder zukünftig in der Situation der staatlich verordneten Ausschreibungen im Regional- und Nahverkehr und dem einhergehenden Lohndumping befinden, unterstützen ihre Kollegen bei der Saarbahn. So liegt der Redaktion ein Schreiben von Berliner Fahrpersonalen an ihre kämpfenden Kollegen der Saarbahn vor.
Werte Kollegen von der Saarbahn
Wir Lokführer aus der Region Berlin/Brandenburg verfolgen sehr interessiert Euren Arbeitskampf. Dabei ist das Verhalten von Verdi schon sehr fragwürdig. Besonders grotesk muss man es schon finden, wenn ein Gewerkschaftsvertreter von Verdi, als Argumentation gegen einen besseren Tarifvertrag dieselben Argumente verwendet, wie die Geschäftsführung der Saarbahn. Das lässt auf eine starke Verfilzung zwischen Verdi und Saarbahn schließen. Außerdem ist es bei Arbeitskämpfen immer Taktik des Arbeitgebers und in Eurem Fall auch offensichtlich von Verdi, die Leistung der Beschäftigten schlecht zu reden, um einen niedrigen Tarifabschluss zu rechtfertigen.
Auch während unserem großen Lokführerstreiks bei der DB argumentierte unser, aus der Luftfahrt und Autobranche stammendes Management, gegen einen Lokführertarifvertrag mit dem Argument, dass ein Lokführer ja gar nichts mehr können muss und der Zug ja fast von ganz alleine fährt. In der Argumentation Eurer Geschäftsführung sowie von Verdi in Eurem Arbeitskampf sind wir DB Lokführer jetzt plötzlich so viel besser ausgebildet und deshalb stünde Euch ein ähnlicher Tarifvertrag wie der LfTV DB nicht zu.
Werte Kollegen lasst Euch von diesen unsinnigen Argumentationen nicht einschüchtern, Ihr habt eine bessere Bezahlung und einen besseren Tarifvertrag verdient. Außerdem hat Eurer Arbeitskampf für alle Lokführer, egal ob Privatbahn oder DB, eine große Bedeutung zur Verhinderung von Lohn-und Sozialdumping. In diesem Sinne wünschen wir Euch für den weiteren Verlauf Eurer Tarifauseinandersetzung viel Erfolg.
Mit kollegialen Grüssen
Fahrpersonale aus Berlin/Brandenburg
Im Antwortschreiben bedankt sich die GDL Ortsgruppe Saarbahn für die Unterstützung. Diese Unterstützung baut die kämpfenden Kollegen auf und lässt sie weiterhin für ihre Sache kämpfen. Es bedarf jedoch nicht nur diesen unterstützenden Worte, sondern vor allem ein unterstützendes Handeln. Ein solches gemeinsames Handeln macht nicht nur den bereits kämpfenden Kollegen Mut, sondern ermutigt auch die Kollegen anderer EVU's für ein einheitliches Tarifniveau in allen EVU's zu kämpfen, Dabei sollten sie sich der Unterstützung aller der durch die staatlich verordneten Ausschreibungen von Verkehrsleistungen und dem damit verbundenen Lohndumping betroffenen Kollegen sicher sein.
Standpunkt-Redaktion
Zur rechtlichen Erläuterung:
Solidaritätsstreik
Ein Solidaritätsstreik auch Unterstützungs- oder Sympathiestreik genannt, ist eine Sonderform des Streiks Die Besonderheit ist, dass die Arbeitnehmer von der inhaltlichen Auseinandersetzung des Hauptarbeitskampfes nicht direkt betroffen sind. Ziel dieser Solidaritätsstreikenden ist es durch ihren Streik die Schlagkraft der am Hauptarbeitskampf beteiligten Gewerkschaft zu erhöhen.
Mit dem Urteil vom 5. März 1985 äußerte sich das BAG erstmal ausdrücklich zur rechtlichen Einordnung von Solidaritätsstreiks: Solidaritätsstreiks seien grundsätzlich unzulässig, es sei denn ein Ausnahmefall liege vor. Eine Ausnahme sei nach dem Bundesarbeitsgericht ( BAG) unter anderem dann gegeben, wenn entweder eine wirtschaftliche Verflechtung mit dem Arbeitgeber des anderen Unternehmens vorliegt, oder der andere Arbeitgeber seine "Neutralitätspflicht" verletzt hat.
Das BAG hat die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Unterstützungs-- bzw. Solidaritätsstreiks in seinem Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 wegen der Aufgabe der Kernbereichsformel jedoch umgekehrt. Seitdem ist ein Solidaritätsstreik grundsätzlich zulässig, außer er ist unverhältnismäßig.
Die Probleme die durch die Umkehr entstanden sind, sind sehr vielfältig. Jedoch dient der Schritt des BAG zur verspäteten Einbindung einer, seit der Weimarer Zeit akzeptierten, besonderen Streikform in das deutsche Arbeitskampfrecht.
Urteil des BAG vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - http://www.urteile-im-internet.de/archives/BAG-1-AZR-396-06.html