NSN: Erste Kündigungsdrohungen in Österreich
Bei NSN in Österreich droht die Geschäftsleitung den ersten KollegInnen mit Kündigung, wenn sie nicht bis Ende dieser Woche einer einvernehmlichen Auflösung ihres Dienstverhältnisses zustimmen. Angesichts der schlechten österreichischen Arbeitsmarktlage vor allem für ältere EDV-TechnikerInnen sollte sich jedoch jede(r) gut überlegen, ob es nicht besser ist, allein oder gemeinsam für die eigenen Jobs - auch vor Gericht - zu kämpfen.
In zwei Gesprächsrunden am 9.11. und 4.12.2007 teilte die Geschäftsleitung den 21 KollegInnen der Abteilung COO SCA mit, dass ihre Organisationseinheit aufgelöst wird und die Arbeitsplätze daher entfallen. Einer handvoll KollegInnen biete man zwar eine Arbeit in anderen Abteilungen an - den über 50-Jährigen allerdings zu schlechteren Bedingungen (Änderungskündigung). Das Gros müsse aber bis 21.12.2007 eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses im Rahmen des abgeschlossenen Sozialplans unterschreiben. Sonst werde man ab Jänner 2008 kündigen, so die Geschäftsleitung.
Schaut man sich den mit dem Betriebsrat am 7.11.2007 abgeschlossenen Sozialplan jedoch näher an, so liest man folgendes:
"*Das Angebot (zur Auflösung des Dienstverhältnisses) gilt, sofern die Auflösungsvereinbarung nach dem 1.10.2007 bis zum 30.06.2008 abgeschlossen wird und der Mitarbeiter aus NSN endgültig ausscheidet.*"
Mit anderen Worten: Es braucht niemand bis Ende der Woche zu unterschreiben, weil er/sie fürchtet, sonst nicht mehr die Bedingungen des Sozialplans zu erhalten. Die Zeit, die man noch bis zum 30.06.2008 in der Firma verbringen kann, ohne unterschreiben zu müssen, ist bares Geld und zusätzliche Abfertigung(Abfindung) von einem halben Jahr Gehalt.
Wenn die Firma aber trotzdem kündigt, gibt es 2 Möglichkeiten, dagegen vorzugehen:
- Der Betriebsrat klagt selbst gegen die Kündigung
- Der/die KollegIn klagt gegen die Kündigung
Die Erfahrungen zeigen, dass man gut beraten ist, sich auf den "worst case", die 2. Möglichkeit, bei der der Betriebsrat einen im Regen stehen lässt, einzustellen. Das erfordert zwar Nerven und Verringerung des Einkommens auf Arbeitslosengeld-Niveau für die Dauer des Prozesses bis zu 2 Jahren. Vor allem bei älteren KollegInnen ab ca. 45-50 Jahren und hohen privaten Fixkosten durch Kinder oder Wohnung besteht jedoch die reale Chance, einen Prozess gegen die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit zu gewinnen. Das kann dann soviel bringen, wie kein Sozialplan leisten kann, nämlich die Weiterbeschäftigung unter Umständen bis zur Pension.
In der AK Für Sie vom 10/2007 wird der Fall einer 53-jährigen Computerprogramm-Entwicklerin in einem großen Unternehmen beschrieben, die eine einvernehmliche Lösung im Rahmen eines Sozialplans ablehnte, daraufhin eine Kündigung erhielt, die sie jedoch mithilfe der Arbeiterkammer (AK) wegen "Sozialwidrigkeit" erfolgreich anfechten konnte. Aufgrund der möglichen Vorbildwirkung für andere KollegInnen verzichten die Firmen anschließend häufig auf die Arbeitsleistung und stellen Dich nach erzwungener Wiedereinstellung von der Arbeit frei.
Jedoch empfiehlt sich für eine erfolgreiche Klage gegen eine Kündigung dringend die Konsultation eines privaten Rechtsanwalts, der Gewerkschaft oder der AK, je nachdem, ob man eine Rechtsschutzversicherung mit Arbeitsrechtsschutz, eine Gewerkschaftsmitgliedschaft oder keines von beidem besitzt. Bei der Rechtsschutzversicherung ist im allgemeinen eine Wartezeit von 3 Monaten erforderlich. Die Gewerkschaft vertritt eine Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht erst nach einer Wartezeit von 6 Monaten, welche man aber im nachhinein zahlen kann. Die AK lehnt die Vertretung vor Gericht ab, wenn sie eine Klage für wenig erfolgversprechend findet.
Für KollegInnen, die eine Rechtsschutzversicherung haben, können wir unseren befreundeten RA Dr. Christoph Naske empfehlen. Wer mithilfe der Gewerkschaft vorgehen möchte und noch nicht Mitglied ist, kann sich hier GPA-DJP Mitgliedsanmeldung per Internet anmelden. Hier erhält man die AK-Beratung.
Die Alternative zu einer Kündigungsklage mit Wiedereinstellung ist das "freiwillige" Unterschreiben einer einvernehmlichen Lösung aber mit der Folge, dass man u.U. bis zur Pension von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe leben muss. Das Risiko vor allem für ältere KollegInnen über 45 Jahre, lange arbeitslos zu bleiben, ist relativ hoch wie die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen (siehe dazu auch den NetLeiwand-Artikel vom 26.11.2007).
In jedem Falle ist es am besten, gemeinsam statt einsam vorzugehen, d.h. den Kontakt untereinander zu halten, sich gegenseitig auszutauschen, zu unterstützen und, falls vorhanden, ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens hinzu zu ziehen. Wir bieten hier auch die "Möglichkeit einer anonymen Diskussion":http:../netleiwand/foren/offen im Internet sowie Information & Beratung per email an.
Hintergrund-Artikel aus der Presse:
Für mich besonders unverständlich ist die Vorgangsweise der Firma:
Einerseits läuft zumindest ein Projekt unserer Abteilung mindestens drei Monate weiter. Es wurde nur einer anderen Abteilung zugeordnet. In dieser Abteilung ist jedoch kein Personal dafür vorhanden. Das Projekt kann so nicht fertig gestellt werden. Warum also diese Hektik. Es ist direkt grob fahrlässig, wie hier wertvolles Know-How weggeschmissen wird.
Andererseits wird kräftig umstrukturiert und an allen Ecken und Enden fehlen die Leute. Jede Menge Leihpersonal wird beschäftigt. Sicher ist bei uns auch - aber nicht nur - Spezialwissen aufgebaut worden, das vielleicht in Zukunft nicht mehr benötigt wird. Doch steht in dem uns vorgelegten Sozialplan wörtlich: "Um eine notwendige Anpassung an neue technologische Gegebenheiten zu unterstützen, erhalten die Mitarbeiter ein spezielles Weiterbildungs- und Umschulungsangebot." Auf dieses Angebot wurde in den bisherigen Gesprächen seitens der Firmenvertreter keinerlei Bezug genommen. Wir würden es aber gerne annehmen.