Ederer zu Ausgliederungen: "... das hat mit Österreich nichts zu tun"
Generaldirektorin der Siemens AG Österreich Brigitte Ederer behauptet in der neuesten Ausgabe der Tageszeitung "Der Standard", dass die Entscheidung, sich von der Telefonanlagen-Entwicklung zu trennen, eine Konzernentscheidung des weltweiten Siemens-Konzerns sei und daher mit Österreich nichts zu tun habe. Offensichtlich müssen ihr erst österreichische PSE-KollegInnen beibringen, dass sie sich nicht hinter Stammhausentscheidungen verstecken kann sondern österreichische ArbeitnehmerInneninteressen und -gesetze beachten muss.
Es scheint sich bei Siemens Österreich einzubürgern, Konzernentscheidungen nur noch zu verkünden statt gemeinsam mit dem Betriebsrat rechtzeitig vorher im Detail auszutauschen, zu beraten und zu gestalten. Anhand des Standard-Interviews vom 18.10.06 setzen wir uns damit im folgenden auseinander.
Konzernentscheidungen tun auch in Österreich weh
Ederer im Standard vom 18.10.06:
*"Das ist eine Konzernentscheidung, das hat mit Österreich nichts zu tun."*
Wenn die dabei angesprochene Entscheidung der Konzernmutter von Siemens Österreich, den Bereich COM weltweit in eigene Gesellschaften NSN und SEC auszugliedern, nichts mit Österreich zu tun hat, warum erklärt Frau Ederer dann dem Standard am 4.10.06, dass dessen Auswirkungen auf Siemens Österreich so weh tun:
*"Natürlich tut uns diese Veränderung weh ... Für Siemens Österreich bedeuten NSN und Com-E einen Abgang von 724 Mio. Euro Umsatz und rund tausend Beschäftigten. Mit den Ostländern sind es gar 1800 Mitarbeiter und eine Milliarde Euro Umsatz."*
Es gibt verantwortungsvollere Gestaltungsalternativen
Ederer im Standard vom 18.10.06:
*"Wir haben gesagt, wenn das (Telefonanlagen-Geschäft oder COM E) ausgegliedert wird, um das Unternehmen (SEC) lebensfähig zu machen, geben wir ihnen die Entwickler mit."*
Das klingt sehr hilfsbereit von Siemens Österreich. Doch es gibt Hinweise, dass auch die "Mitgabe" der Entwickler das ausgegliederte Unternehmen SEC nicht "lebensfähig"er machen und daher für die 200 österreichischen Softwareentwickler eher ein Himmelfahrtskommando werden wird: Das manager-magazin vom 11.10.06 berichtete unter der Überschrift "Ladenhüter Enterprise Networks", dass es angesichts der hohen Sanierungskosten im defizitären Enterprise-Geschäft nicht nur bei Siemens sondern auch bei Nortel
"nur sehr wenige strategische Partner - wenn überhaupt - (gibt), die die Bürde einer Restrukturierung in Deutschland alleine auf sich nehmen würden. Ein Finanzinvestor würde das noch eher riskieren, aber der wird brandroden".
Ist es deswegen nicht verantwortungsvoller, die Folgen eines Fehlschlags der SEC zu begrenzen und die Firma erst durch Zulieferungen der PSE "lebensfähig"er zu machen anstatt durch zusätzliche Entwickler die Risiken zu erhöhen? Diese Strategie schlägt ja nicht nur der PSE-Betriebsrat vor sondern auch das Stammhaus Siemens selbst etwa beim Siemens-Nokia Deal bezüglich COM C. Wenn die Firma SEC dadurch wirklich einmal "lebensfähig" wird und kein "Ladenhüter" mehr ist, werden die Entwickler von ganz alleine überlaufen, wenn es denn ein Käufer überhaupt noch will. Es ist unverständlich, warum Frau Ederer scheinbar die vielen negativen Erfahrungen anderer KollegInnen mit fehlgeschlagenen Ausgliederungen ignoriert und durch eine zweifelhafte Hilfsaktion möglicherweise den Erhalt des Gehaltsniveaus und der Jobs von hunderten Software-EntwicklerInnen riskiert . Die sinnvollere Gestaltungsalternative lautet also: Freiwilligkeit beim Betriebsübergang und Zulieferungen (SLA) durch die PSE. Wer so stur ist und sich auf diese Weise nicht helfen lässt, dem ist vermutlich auch sonst nicht zu helfen.
Wer nicht handelt, wird behandelt
Ederer im Standard vom 18.10.06:
"Ja, ich sehe in der Frage keinen Handlungsbedarf."
Das bezieht sich auf die Streikdrohung des PSE-Betriebsrats. Da Frau Ederer ihre gesetzlichen Pflichten in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Ausgliederungen nicht zu kennen scheint, sei hier erneut der "§109 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz":http://www.ris.bka.gv.at/taweb-cgi/taweb?x=d&o;=d&v;=bnd&d;=BND&i;=110297&p;=1&q;=%28109%29%3APARA%2CBSTPARA%20%20und%20%28arbvg%29%3AKTIT%2CABK%20%20%20%20%20%20und%20%2820061018%3E%3DIDAT%20und%2020061018%3C%3DADAT%29%20 zitiert:
*"Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen ehestmöglich, jedenfalls aber so rechtzeitig von der Betriebsänderung in Kenntnis zu setzen, dass eine Beratung über deren Gestaltung noch durchgeführt werden kann. ... _Die Informations- und Beratungspflicht trifft den Betriebsinhaber auch dann, wenn die geplante Maßnahme von einem herrschenden Unternehmen veranlasst wird_. ... Bringt eine Betriebsänderung ... wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich, so können ... Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung dieser Folgen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. ... Kommt zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung eine Einigung nicht zustande, so entscheidet ... auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle."*
Bis heute gab es jedoch mit dem Betriebsrat über wesentliche Hintergründe der Ausgliederung weder eine Information noch über deren Gestaltung eine Beratung. Stattdessen wird der Betriebsrat mit vollendeten Tatsachen konfrontiert , indem ab sofort die betroffenen KollegInnen angesprochen werden sollen. Da Frau Ederer die möglichen Nachteile der geplanten Ausgliederung für die PSE-KollegInnen nicht sieht oder sehen will, hat der PSE-Betriebsrat inzwischen Einspruch gegen die Wirtschaftführung eingelegt und die Schlichtungsstelle angerufen.
Letzte Meldung im Standard-Interview vom 18.10.06 mit Frau Ederer:
*"Es gibt demnächst Gespräche, aber die Sache kann und will ich nicht ändern."*
Da Frau Ederer außerdem auch nicht zu wissen scheint, wofür die PSE-Belegschaft am 28.09.2006 in einer österreichweiten Betriebsversammlung bereit war, zu streiken, sei hier noch einmal auf die verabschiedete Resolution verwiesen und der Text, dem 97,3% zugestimmt haben, zitiert:
*"Wenn die Bemühungen des Betriebsrates durch konstruktive Gespräche die Einheit der PSE zu erhalten, zu keiner Einigung mit der Geschäftsleitung führen, dann bin ich damit einverstanden, dass weitere Kampfmaßnahmen folgen, die letztendlich auch einen Streik beinhalten können."*
Ob das nicht falsch verstanden wurde. Das sollte doch evtl. heissen, "das ist eine Konzernentscheidung, da hat der Vostand der AG nichts zu reden". Womit wi wieder beim Aktienrecht wären...