Erklärung des Komitees "Solidarität mit Emmely" - Berufung angekündigt
Emmelys Kuendigungsschutzklage abgewiesen; Kritik der Rechtsprechung als Abweisungsgrund; gekündigte Kassiererin wird Berufung einlegen*
Heute fand die Beweisaufnahme im Kündigungsschutzverfahren von
Barbara E., genannt "Emmely", vor einem Publikum von mehr als 100
Personen und der zweiten Kammer des Berliner Arbeitsgerichts
statt. Danach verkündete Richter Axel Schleusener im Namen des
Volkes, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen wird. Drei
Mannschaftswagen der Polizei garantierten Ruhe und Ordnung.
Wir erinnern uns: Emmely arbeitete 31 Jahre als Kassiererin im
ersten Arbeitsverhältnis, streikte trotz Einschüchterungen als
letzte ihrer Filiale und wurde von Kaiser's unter dem Vorwand des
Verdachts, Pfandbons im Wert von 1,30 ? falsch abgerechnet zu
haben, fristlos entlassen. Emmely bestritt diesen Vorwurf bis
zuletzt.
Der Prozess fand wegen des Andrangs in einem größeren Saal statt,
der mit rund 100 Besuchern auch voll wurde. Richter Schleusener
belehrte zunächst das Publikum auf welche Weise es artig zu sein
habe, was im weiteren Verlauf auch der Fall war.
Danach begann die Beweisaufnahme. Zu insgesamt drei
Fragestellungen wurden insgesamt drei ZeugInnen vernommen, die
allesamt in der selben Filiale arbeiteten, wie Emmely.
Bezeichnenderweise werden Zeugen regelmäßig auf ihre
Verwandschaftsbeziehungen zu den streitenden Parteien befragt,
ihre Lohnabhängigkeit von der einen Partei aber gar nicht erst
thematisiert. Die gesamte Beweisaufnahme muss für Anwesende ohne
Hintergrundwissen aus den Schriftsätzen der Parteien im Verfahren
zumindest langweilig, wenn nicht unverständlich geblieben sein.
Letztlich ging es um die Verschlungenen Wege verschiedener
Pfandbons durch die Filiale Hauptstr. 9/10 in Berlin
Hohenschönhausen. Die ZeugInnen sagten im Wesentlichen so aus,
wie das von ihren (dem Publikum unbekannten) schriftlichen
Erklärungen her zu erwarten war -- kein Wunder, mindestens eine
Zeugin hielt sich während der Befragung an einer Kopie ihrer
schriftlichen Erklärung fest. Die ZeugInnenbefragung war
weitgehend unspektakulär. Einziger Höhepunkt war der Moment, als
der Anwalt von Emmely eine Frage gegen den Willen der Gegenseite
und des Richters durchsetzte. Leider war das nicht die ebenfalls
zurückgewiesene Frage nach der Beteiligung an einer
Streikbrecherparty...
Entgegen der Behauptung der Anwältin von Kaiser's in der
abschließenden Beweiswürdigung hat die Beweisaufnahme trotz der
Vernehmung von drei KollegInnen, den behaupteten Tathergang nicht
bewiesen. Das war allerdings auch nicht notwendig, da dem
deutschen Arbeitsrecht nach herrschender Rechtsprechung an dieser
Stelle lediglich ein "begründeter Verdacht" genügt, was Richter
und Anwälte beider Seiten gleichermaßen betonten. Damit
bestätigten alle Prozessbeteiligten erneut einen Sachverhalt,
über den aufzuklären das Komitee "Solidarität mit Emmely" sich
von Anfang an zur Aufgabe gemacht hatte.
In der mündlichen Begründung führte Richter Schleusener aus, für
die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung sei nach
herrschender Rechtsprechung im Fall einer Straftat die Höhe des
Schadens belanglos. Auch darin waren sich bereits während des
Prozesses Richter und beide Anwälte einig gewesen. Und auch
diesen Punkt hatte das Solikomitee immer wieder öffentlich
gemacht.
Bis dahin also nichts Neues. Richter Schleusener führte dann
weiter aus: Wenn die Straftat (die Emmely immer noch bestreitet)
von der Gekündigten als "schlimm" (Wortwahl Richter Schleusener)
an- und eingesehen werde, könne nach Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts in einer Abwägung für die
Kündigungsschutzklage entschieden werden. Dies hätte, so Richter
Schleusener weiter, die Kammer auch getan und damit der
Kündigungsschutzklage stattgegeben, wenn Emmelys Anwalt, Benedikt
Hopmann, den Vorgang nicht immer wieder als "nicht schlimm"
(ebenso) dargestellt hätte.
Das Komitee "Solidarität mit Emmely" kritisiert diese Begründung
in zwei Punkten:
1. Zum einen forderte der Richter die Gekündigte damit auf,
entgegen ihrer Wahrnehmung auszusagen. Denn Emmely bestreitet
die Vorwürfe von Kaiser's bis zuletzt und erklärte auch heute
wieder, dass ihre Pfandbons abgezeichnet waren (d. h., dass
sie nicht betrogen hat).
2. Zum anderen wird hier die politische Kritik der deutschen
Rechtsprechung im Arbeitsrecht zum letzten Grund für die
Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung. Tatsächlich hatte
der Anwalt die ständige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zum Vertrauensverhältnis immer wieder
als Skandal bezeichnet.
Ganz offensichtlich genügte es Richter Schleusener nicht,
herrschende Rechtsprechung zu praktizieren, er musste dem
überwiegend für Emmely eingenommenen Publikum, dem Solikomitee
und dem Anwalt für dessen engagierte Prozessführung noch
unbedingt zeigen, wo der Hammer hängt und dass Kritik der
herrschenden Verhältnisse und Rechtsprechung extra abgestraft
wird.
Besonders frustrierend muss der Prozessverlauf für Emmely gewesen
sein. Wieder musste sie den ganzen Quark ertragen, ohne selbst
dagegen auftreten zu können. Dieses Problem zieht sich auch
durch die Arbeit des Solikomitees. Da es im Prozess letztlich um
das ach so fragile Vertrauen des Arbeitgebers in seine
Angestellte geht, haben wir unsere gesamte Arbeit ohne Emmely
gemacht, um zu vermeiden, dass irgendwelche Äußerungen Emmelys
über den Fall oder ihren Arbeitgeber zu ihren Ungunsten in den
Prozess eingebracht werden. Emmely war weder auf unserer
Veranstaltungen noch den Kundgebungen. Damit haben wir -- völlig
bewusst -- die asymmetrische Anordnung der Kontrahenten im
Prozess reproduziert. Für die weitere Soliarbeit wird zu
diskutieren sein, ob diese Strategie nicht aufgegeben werden
kann.
Emmely will in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht gehen.
Das Komitee "Solidarität mit Emmely" wird diese juristische
Auseinandersetzung weiter durch Öffentlichkeits- und
Solidaritätsarbeit begleiten. Das Komitee "Solidarität mit
Emmely" berät am 3. September die weitere Arbeit. Neue Ideen,
neuer Enthusiasmus und neue Energie werden dringend gebraucht.
Wer sich beteiligen will schreibe vor dem 3. September eine
E-Mail an: streik@kanalB.org und beschreibe ihre/seine Ideen,
Ressourcen und Kapazitäten.