Emmely: Prozess mit Überraschungen
Berufungsprozess im Fall Emmely. Landesarbeitsgericht Berlin. 27.01.2009, 9:30Uhr. Eine Kundgebung unter dem Motto "Weg mit der Verdachtskündigung!" findet vor dem Gerichtsgebäude statt. Eine Stunde später geht’s ins LAG. Der Saal ist überfüllt, Bänke aus dem Warteraum werden herbeigeschafft, trotz dessen müssen viele stehen.
Der Tag fing mit einer Kundgebung vom Komitee "Solidarität mit Emmely" an. Etwa 50 Personen versammelten sich vor dem LAG Berlin. Die Stimmung war gut, die Redebeiträge auch: Gerd Julius vom DGB Kreisverband Tempelhof-Schöneberg erklärte die Solidarität seiner Organisation mit Emmely; Albert Scharenberg vom Komitee Grundrechte und Demokratie kritisierte die Verdachtskündigung unter bürgerrechtlichen Aspekten; die Gruppe Soziale Kämpfe wies auf die Notwendigkeit einer Solidarität hin, die verschiedene grenzen überschreitet; Renate Hürtgen kritisierte die Vorstellung einer harmonischen Welt ohne systematischer Interessengegensätze und rief die Richterschaft auf, sich gegen die herrschende Lehrmeinung zu stellen (auf dass sie am Ende nicht mehr herrsche). Eine rote Kanne sprach sogar als ideeller Gesamtshareholder von Kaiser's-Tengelmann zu uns. Die hatte allerdings nix freundliches zu sagen.
Nach der Kundgebung wurde das Berufungsverfahren von Emmelys Kündigungsschutzklage verhandelt. Das Verfahren bot drei Überraschungen:
Eine zentrale Zeugin aus dem ersten Verfahren, die Kassiererin K., wurde erneut befragt. Dabei ging es um den Kassiervorgang bei dem Emmely Pfandbons eingereicht hatte. Kaisers's hatte behauptet, diese Pfandbons hätten nicht ihr gehört. Die Zeugin bestätigte die Behauptungen von Kaiser's voll inhaltlich, ihre Aussagen waren aber widersprüchlich und mit einigen Ungereimtheiten versetzt. Sie bestätigte erstens sie dass sie die Pfandbons sofort als unabgezeichnet erkannte und sie daher nicht von eineR MitarbeiterIn sein konnten. Zweitens dass sie den Kassiervorgang trotzdem fortsetzte, als sei nichts gewesen und drittens vorhatte, ihrer Chefin später den Vorfall zu melden.
Die zweite Überraschung des Prozesstages war, dass die Urteilsverkündung auf den 24.02.2009 verschoben wurde. Dem Gericht fällt die Beweiswürdigung offenbar nicht so einfach wie in der ersten Instanz. Die Kritik an der herrschenden Rechtsprechung in Sachen Verdachtskündigung teilt die Richterin Reber offensichtlich nicht. Damit hängt der Ausgang des Verfahrens allein von der Beweiswürdigung des Gerichtes ab.
Gerade nach dem Emmelys Marktleiter die Streikbrecher dazu aufgerufen hatte Unregelmäßigkeiten von Seiten der Streikenden zu melden, gerade in dem Moment soll sie einen Betrugsversuch begangen haben, bei dem sie von zwei Kolleginnen beobachtet wird.
Die Dritte Überraschung des Prozesses war das hohe Publikumsinteresse: Obwohl Bänke aus dem Wartebereich in den größten Gerichtssaal gebracht wurden, fanden nicht alle Zuschauer im Saal Platz, es waren mindestens 130 Personen anwesend.
Das LAG verkündet sein Urteil am 24.02.2009 um 8:45 Uhr in Saal 334 des Landesarbeitsgerichtes Berlin, Magdeburger Platz 1. Bis dahin ist unklar, wie das Verfahren ausgeht. Vor allem Emmely muss einen weiteren Monat in Ungewissheit leben. Emmely und ihre Anwälte erklärten nach dem Prozess, dass sie das Verfahren durch alle Instanzen durchfechten werden, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.