Bericht über die Betriebsversammlung am 15.02.2008
Vorstände bitten um Verständnis - Die in der Betriebsversammlung geäußerte Bitte der Geschäftsleitung sollte die Kollegen wohl bewegen, die Fehler des Managements zu tolerieren.
Vor der Betriebsversammlung wurden rote Karten und Trillerpfeifen an die Belegschaft verteilt, um gegenüber dem Vorstand durch Hochhalten der Karten, immer wenn dies nötig erscheint, seinen Unmut zu äußern. Laut dem BR-Vorsitzenden sollte dies eine „Interaktive Betriebsversammlung“ werden.
Nachdem sich der Wirtschaftreferent Dr. Fleck vorab mit dem Vorstand traf und Nürnbergs OB Dr. Maly angekommen war, konnte es um 9:45h bei vollem Haus und gelassener Stimmung losgehen. Symbolisch wurden vom BR Plüschkatzen aus dem Sack gelassen.
Der erste Redebeitrag kam vom Vorstandsvorsitzenden Weik. Der Vorstand sei noch in der ersten Beratungsphase mit dem Wirtschaftsausschuss des BR, die 2. Sitzung sei am 25.02. das Verfahren laufe also noch.
Die „Strukturanpassungen“ versuchte er durch große Investitionszurückhaltungen und Preiskämpfe am Markt zu begründen. Diese waren angeblich stärker als vorhergesehen. Auch der Merger wurde von ihm als Grund für Auslagerungen in Billiglohnländern und die Einrichtung von sogenannten „Shared Service Center“ in Rumänien gesehen. Nach seiner Aussage wurde 2007 bei weitem nicht die Profitabilität erreicht. Weik legte Folien auf und versuchte krampfhaft die schlechten Geschäftzahlen zu erklären.
Wie häufig bei solchen Präsentationen vor der Belegschaft waren die Folien schlecht zu lesen (Original-Ton Weik: „Wie Sie sehen können, sofern Sie sehen können...) Abschließend meinte er, das wir nur überleben können, wenn die Kompanie sich nach den Vorstandsplänen ausrichtet. Heute ständen wir jedenfalls am Rande des Abgrunds.
Der zweite Beitrag folgte vom Standortverantwortlichen Fechner. Er versuchte seine früher gemachte Aussage, UMTS/Mobility nach Frankreich zu verlagern, als Mißverständnis hinzustellen. Offenbar hatte er übersehen, dass ein 5 Jahres Auftrag an Land gezogen worden ist (AT&T), der für 3 Jahre Arbeit in Nürnberg bedeutet.
ONG bleibt - das Produkt sei absoluter Marktführer, Stichwort „High Speed Optik Center“.
33 Mitarbeiter aus Anymedia würden an die indische Firma W...o outgesourced. Der indische Outsourcer will nicht genannt sein, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind. Nur ist es konkret so, dass die Spatzen den Firmennamen schon vom Dach pfeifen. Fechner verkündete die Outsourceingaktivitäten als generellen Trend und erhielt prompt von der Belegschaft die roten Karten gezeigt, was er allerdings nicht verstand.
Der Servicebereich soll wachsen. Ein Vertrag mit E-Plus wurde ja bereits schon geschlossen, die Mitarbeiter werden hier am Standort Nürnberg einziehen. Der E-Plus-Vertrag wurde von 3 auf 5 Jahre verlängert, was er als sehr positiv ansieht.
Ein Highlight dieser Veranstaltung war der Personalvorstand Pösinger mit seinem Redebeitrag. Er hatte erst gar keine Folien vorbereitet, „da man die hier sowieso nicht lesen kann“. Es gehört schon eine Portion LMAA dazu, den anstehenden Personalabbau herunterzurappeln als würde man über Viehzeug sprechen, das nächste Woche zum Schlachten ansteht. So wie er sich ausdrückte, konkurieren wir mit Personalkosten und das bedeutet einen Personalabbau von 70%.
Den über die Standorte ungleichmäßigen Personalabbau versucht er, ohne Zahlen heranzuziehen, als gerecht hinzustellen. Die „Überführung“ von 33 Mitarbeitern nach 613a BGB begründet er als ausgewogen. Als Trost für uns in Nürnberg wird der Standort Berlin genannt, dem noch ein Personalabbau von 56% bevorsteht. Die dahinterstehenden menschlichen Schicksale waren ihm in diesem Zusammenhang wohl eher zweitrangig.
Eine Detailzahl über den Personalabbau teilt er uns entgegenkommenderweise vor dem Termin mit dem Wirtschaftsausschuß mit - Verständnisheischerei für einen drastischen Personalabbau? Das traurige Ergebnis: 709 verbleibende Stellen in Nürnberg.
Bei der ganzen Abbauerei soll der Skillmix erhalten bleiben. Mit dem „Freiwilligenprogramm“ will man ältere (!) Mitarbeiter ab 45 in einem soliden Zeitraum „in den Arbeitsmarkt integrieren“. Outsourceingprogramme erfolgen in engstem Kontakt mit dem Arbeitsamt mit entsprechender Qualität.
Die anstehenden Restrukturierungsmaßnahmen können möglicherweise auch betriebsbedingte Kündigungen zur Folge haben (rote Karten). Man hätte alles in allem gesehen keine andere Wahl wenn sie 2009 wieder „in ruhiges Fahrwasser kommen wollen“.
Die Ausbildung glänzte mit einem hervorragenden Beitrag zur Ausbildungssituation bei Alcatel-Lucent. Der Jugendvertreter Ruder stellte die negativen Seiten dar. Die Bewerbungszahlen um Ausbildungsplätze gingen seit dem Merger spürbar zurück. Das Unternehmen war nicht inovativ genug, um mehr Auszubildende einzustellen.
„Fahrt die Ausbildung nicht an die Wand“ war das Thema. Die Firma stellt 65% weniger gewerbliche Ausbildungsplätze zur Verfügung, das sei erschreckend. Der Ausbildungsberuf „Systeminformatiker“ wird mangels Ausbilder nicht mehr angeboten und fällt ganz weg. Immer wieder wird von Ruder die soziale Verantwortung dieses Unternehmens angesprochen, die die Firma seit dem Merger immer weniger wahr nimmt. Er führte an, dass eine sinkende soziale Verantwortung ein Rückzug für einen Standort sei.
Maly gab in seiner anschließenden Rede zu verstehen, dass Fleck und er nicht wegen der bevorstehenden Kommunalwahl erschienen seien. Vielmehr waren sie beide auch schon beim Kahlschlag von Grundig und dem Siemens Trafowerk dabei. (Ein schwacher Trost) Bis zur Betriebsversammlung von AEG seien sie gar nicht erst gekommen, weil das Werk schon geschlossen war. Er sieht sein Kommen mehr als Symbol.
Von Fechner sah er sich allgemein informiert. Schon vor 6 Jahren hätte es das erste Mal Restrukturierungen gegeben. Er hätte verstanden, dass der Markt damals mengenseitig eingebrochen sei, in 2007 hingegen preisseitig. Auch der Merger mit seinen Synergieeffekten und das Leistungsportfolio hätten jetzt einen negativen Einfluss gehabt. „Es wäre zu managen gewesen, allerdings sind die Dinge gleichzeitig eingetroffen“. Seine Forderung ist, dass der Standort erhalten bleiben muss. Allerdings ein Ausspielen der Standorte gegeneinander sei nicht gut.
Die Ausbildung bei ALU sei im Vergleich mit anderen Firmen in und um Nürnberg sehr gut. Die Ausbildungszahlen sollen bleiben. Zur Realisierung sollen Gespräche der Stadt mit der Firma folgen. Schlußappell: Personale Kompetenz soll nicht davonlaufen, da der Standort erhalten bleiben muss. Jedoch käme die Firma um Restrukturierungen nicht herum. Standortentwicklung gehe immer nur mit Optimierung.
Die Rede von Fleck beendete den langen Vormittag. Auch für ihn war es selbstverständlich in dieser Betriebsversammlung zu sein. Stadt und Firmen hätten die Strukturbereiche immer gestärkt. Auch er sprach davon, dass die Standortrahmenbedingungen in dieser schwierigen Phase gestärkt werden müssten und dass personelle Anpassungen in gewissem Ausmaß unumgänglich seien. Er stellte sich die Frage, ob man Kernkompetenzen nicht „überwintern“ sollte, denn wenn man diese nach Frankreich verlagert, könnte man sie nicht mehr zurückholen „wenn’s mal wieder besser geht“.
In Ausbildung zu investieren bedeute für ihn, Vertrauen in den Standort auszusenden. Es fehle ihm aber noch an Transparenz, mit wem der Standort aufrecht erhalten wird. Frau Müller von der Stadt werde Gespräche bezüglich der Ausbildungssituation mit ALU führen. Die Stadt möchte das Umfeld weiter stärken. Das Fraunhofer Institut setzt bereits ein Zeichen, es hat Vertrauen in diesen Standort und wird hier in Arbeitsplätze investieren. Fleck wird sich für den Standort einsetzen.
Zum Schluss gibt es noch einige Diskussionsbeiträge, die aber in Anbetracht der Länge der Versammlung nicht mehr die zündende Wirkung haben.
Die Betriebsversammlung wird zu einem späteren Termin fortgeführt.