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Das MitArbeiterNetwerk informiert! 04/2004

erstellt von dave — zuletzt verändert: 29.06.2011 08:58

Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“ – wenn von Roman Herzogs Amtszeit als Bundespräsident sonst nichts überlieferungswert bleibt, dieser Satz hat sich in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Aber ist der Satz auch entsprechend beachtet worden? Irgendwie schon, doch könnte man meinen, nicht im Sinne des Redners.

Denn nicht nur in Deutschland, sondern überall haben die Entscheidungsträger der Wirtschaft sich einen Ruck gegeben und noch schneller und stärker Kosten = Arbeitsplätze abgebaut.

Das Ergebnis spüren wir. Der Appell von Roman Herzog mehr Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko zu zeigen, verhallte weitgehend ungehört. Stattdessen werden immer mehr Arbeitsplätze von rein betriebswirtschaftlich orientierten Managern konsequent nach Osten verlagert. Von den direkten Folgen einer hierzulande schwindenden Kaufkraft und einhergehender geringer Steuereinnahmen bei erhöhten Sozialkosten der öffentlichen Hand mal abgesehen, sind auch weitere volkswirtschaftliche Konsequenzen leicht nachvollziehbar. Eine pessimistische Zukunftsprognose senkt die Bereitschaft, das immer weniger vorhandene Geld für Dinge auszugeben, die nicht dringlichst notwendig sind. Dies sind u.a. Gründe für die Stagnation und das geringe Wachstum der letzten Jahre.

Den Wettlauf um den geringsten Lohn, den längsten Arbeitszeiten, den kürzesten Urlaub, den wenigsten Feiertagen, den lausigsten Arbeitsrechten, haben wir bereits verloren bevor wir damit anfangen diesen Managerwunsch zu erreichen. Wir abhängig Beschäftigten sollen uns mit Indien, China, Ukraine, USA, ... messen lassen, während die Manager sich mit ihrem Gehalt an den USA orientieren. Dies ist globales Unternehmerdenken – eine besondere Art von Rosinenpicken.

In der Zeitschrift mobil 04/2004 wird Heinrich Karl Friedrich Eduard von Pierer in einem Interview von Uwe Pütz und Harm Clüver auf Seite 8 mit folgenden Fragen konfrontiert:

„Auf der einen Seite klagt die Wirtschaft über zu hohe Lohnkosten in Deutschland, auf der anderen Seite genehmigen sich die Lenker großer Konzerne auch dann Gehaltserhöhungen, wenn der Aktienkurs über Monate fällt. Ist dies in Ordnung?“

Antwort von Heinrich von Pierer:
„Es wäre doch aberwitzig, die Leistung von Managern am Aktienkurs zu messen. Die Börsenentwicklung ist von so vielen verschiedenen Faktoren abhängig, die man als Unternehmen gar nicht beeinflussen kann. Ein Kurs kann fallen, obwohl das Unternehmen eine exzellente Leistung erbracht hat.“

„Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Erhöhung der Vorstandsgehälter leistungsgerecht sind.“

Antwort von Heinrich von Pierer:
„Diese Frage akzeptiere ich. Deshalb haben wir bei Siemens variable Gehaltsbestandteile eingeführt, die nachvollziehbar an klar definierten Erfolgszielen hängen. Außerdem muss man aber fragen, ob die Gehälter wettbewerbsfähig sind. Wenn ein globales Unternehmen international nicht wettbewerbsfähige Managergehälter zahlt, wird es nicht die besten Leute bekommen. Die Menschen sind ja flexibel und sie wurden international ausgebildet. Warum sollten sie uns die Treue halten, wenn sie woanders mehr Geld verdienen können?“

Vielleicht wären Arbeiter auch so flexibel, wenn ihnen kostenlosen überdimensionierten Wohnraum in Edelvororten nebst fahrbarem Untersatz, den weiteren kleinen Annehmlichkeiten auch für die Familie und die reichlichen Entgelte nebst Entschädigungen zu Verfügung gestellt werden. 20 Prozent mehr für den Siemens Vorstand ist nicht vergleichbar mit den 2,2 % der Metallarbeiter. Man muss sich nur das Auseinanderlaufen der Gehaltskurven in den letzten Jahren anschauen. Die MAN-Vorstandskosten sind im Geschäftsbericht nicht nachlesbar.

Diese Ausschnitte aus dem Interview belegen die zwei Seiten einer Münze. Dies wird auch mit der heftigen diskutieren Verlagerung von 10.000 Siemens Arbeitsplätzen nicht klarer. Doch Siemens hat nicht die Absicht, in großen Stil Beschäftigung zu verlagern. Firmenchef Heinrich von Pierer: „ Wir haben den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland aufgenommen.“ Oder mit dem ihm zugeschriebenen Titel des mobil-Interviews: „Es geht um die Zukunft unserer Kinder – und zwar jetzt.“

Die Siemens AG als Vorreiter und die MAN AG zieht mit? Das Produktionsgebiet an der Westgrenze von Polen ist bereits zu teuer und damit die dortigen polnischen Kollegen. An der Ostgrenze arbeiten die Ukrainer als Grenzgänger noch billiger und wenn die demnächst zu teuer sind, gibt es die Mongolei? Doch Vorsicht danach ist China. Der bisherige Geschäftsführer Technik bei der Neoman Bus GmbH, Bengt Hamsten, leitet dort schon die «MAN Truck + Bus China» mit Sitz in Peking. Das dort bereits bestehende Bus-Joint-Venture Lion's Bus Co Ltd werde von der neuen Tochter geführt, mit der Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten insbesondere bei Lkw, Bussen und Komponenten erschlossen werden sollen. Für die türkischen Kollegen spricht nur der unsichere EU-Beitritt ihres Landes, sonst könnten sie auch schon betroffen sein.

Wir haben einen Ruck ausgelöst. Wir kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze. Wir verhindern die Demontage unserer Existenzgrundlage. In der Tradition der Salzgitter Arbeiter, dokumentiert im Monument zur Stadtgesichte . Wir haben in der Chronik bereits über dieses Denkmal geschrieben.

Nicht Manager, sondern Arbeiter lösen den Ruck aus.

Arbeiter arbeiten,
Unternehmer unternehmen.
Wenn Arbeiter etwas unternehmen,
müssen Unternehmer arbeiten.
(Verfasser unbekannt)

(HK)

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