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erstellt von dave — zuletzt verändert: 18.08.2008 10:11
31.03.2004 9:45

Termin 31.03.04, 10:00 Uhr: Kammertermin – Betriebsbedingte Kündigungen

RI Herr Bertram mit den ehrenamtliche RI Fr. A. Leunig und Hr. H.R. Meyer, 6. Kammer, Sitzungssaal D, ArbG BS

PV/Bekl Fr. Schulte-Schrepping bzw. Hr. Langelotz von AGV-BS mit GF Hr. Andrich bzw. Hr. Bader (Pers) für NEOMAN Bus GmbH ./. PV/Kl RA Koch mit Matthias T. Aktenzeichen: 6 Ca 829/03, Matthais S. Aktenzeichen: 6 Ca 833/03, 20 - zeitweise 40 Zuhörer im Saal bei den heutigen Kammertermine bis 12:30.

Personenfeststellung durch den RI und anschließende eine Vereidigung der neuen ehrenamtlichen RIin. Schriftsätze werden übergeben und die Gegenseite erhält Abschriften. RI ist von der Anzahl der Sätze irritiert, denn das Duplikat für einen Kl hat sich in das Paket mit eingeschlichen. RA klärt direkt und übergibt Exemplar Kl.

RI fragt Bekl ob weiterer Sachvortrag über die Schriftsätze hinaus erforderlich ist und ob das schriftliche Urteil der 3. Kammer bekannt ist. Anscheinend wurde diese Frage nonverbal beantwortet. RI nennt nun einige Punkte aus der 3. Kammer, die zu den Urteilen dort geführt haben. Es werden die unternehmerischen Maßnahmen, ob es interne oder externe Einflüsse sind, wie sich die SUP (Strategische Unternehmerische Planung) ausgewirkt hat und wie die zugrundegelegte Stückzahl ermittelt wurde, genannt.

PV Langelotz erhebt gegen die Ausführungen des RI Einspruch wegen der Stückzahl. Diese sind nicht von externen Einflüssen, sondern von der Verlagerung nach Polen abhängig Dies ist also eine unternehmerische Entscheidung. Es liegen konkrete Prognosen zu Grunde. Sie (Bekl) verstehen diesbezüglich auch die Entscheidung der 3. Kammer dahin nicht – ist nicht nachvollziehbar. PV Schulte-Schrepping diskutiert mit RI ob die genannten Zahlen höher oder niedriger sind. Die 4 anwesenden Bekl artikulieren sich jetzt wild durcheinander widersprüchlich, aber doch einheitlich gegen die RI Darstellung.

RI: „Hier liegt der erste Punkt des Streits.“

RI sieht noch weitere flankierenden Maßnahmen im Bereich der unternehmerischen Entscheidung der Bekl und nennt u.a. den Begriff Protec (gehört).

RI wechselt auf den Bereich der Sozialauswahl und geht auf die BR-Anhörung und nennt Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten in den Schriftsätzen der Bekl. Die benannten Personen der Kl werden von RI angesprochen und die Stellungsnahme der Bekl dazu. Die Sichtweise der Bekl zu den Leistungsträger werden aufgeführt und deren Ausschluss bei der Sozialauswahl.

Der gemeinsame Betrieb und die zwischenzeitliche Massenentlassungsanzeige incl. der Genehmigung / Wirkungsbeginn werden vorgetragen. Auf den Wiedereinstellungsanspruch, der sich aus der Betriebsvereinbarung ergeben soll wird auch als Punkt vom RI angesprochen. RI spricht die gute Auftragslage, die durch Mitteilungen der Bekl an die Presse für die Kl durchaus nicht verständlich sind, an. Gerade heute ist wieder ein entsprechender Artikel in der Braunschweiger Zeitung.

Die Bekl/PV versuchen diese Zahlen durch schwankende Einflüsse zu begründen. Laut Hr. Andrich nimmt die Presse nur eine gewünschte positive Grundstimmung auf. Das EBT von 2002 – 84 Mio. € und 2003 –9,5 Mio. €. ist durch die Kündigungen verbessert worden. Er versucht die veröffentlichten positiven Gewinnerwartungen von +5 Mio. € zu relativieren.

Anmerkung: Der kaufmännische GF hat m.E. bewusst den EBT und nicht das niedrigere EBIT genannt. Auch wurde der Kaufpreis von 85 Mio. € für Neoplan nicht ausgeführt, welches zu einem überproportionalen Investitionsvolumen geführt hat. Eine Fusion hat auch Nebenwirkungsrisiken. Es lesen leider zu wenige Produktionsleute Geschäfts- und Quartalsberichte. Gibt es unterschiedliche Darstellung des Geschäftserfolges für Aktionäre und für Mitarbeiter? Auch Mitarbeiter haben MAN-Aktien.

Der Arbeitsbedarf ist laut RA Koch nicht Durchgängig dargestellt, zumal erhebliche Mehrstunden z.Z. anfallen und diese rechnerische einen Mehrbedarf von über 100 Mitarbeitern ergeben. Wegen hohen Verlusten wird nach Polen verlagert. Wie viele Stunden nach Polen gehen ist aber ungenannt. Aber die Anzahl der zu Kündigenden wird daraus genau rechnerisch ermittelt? RA Koch unterstreicht diesen Vortrag mit Aussagen der Bekl PV Fr. Schulte-Schrepping und hebt die Widersprüchlichkeit der Argumentation der Bekl in diesem Punkt als Beispiel hervor. Aus politischen Gründen wird jetzt wieder die 35 Std. Woche bei Neoman vorgegeben, aber die Mitarbeiter sollen am Samstag freiwillig zusätzlich arbeiten. Die 40 Std Woche passt nicht ins Bild. Es ist genügend Arbeit da.

RI fasst die gewonnen Erkenntnisse per Protokoll zusammen und geht auf einen per Presse gemeldeten Auftrag ein. Es gibt dazu wohl ein Bezug im Kl-Schriftsatz.

Bekl/PV Langelotz: „ Es wird richtiggestellt, dass der Auftrag aus Stuttgart so nicht realisiert wird.“

Fr. Schulte-Schrepping beruft sich auf ein verständliches Überlesen dieser Schriftsatzsätze und stellt heraus, dass es nicht Entscheidungsrelevant ist, wie viel Arbeit nach Polen geht.

Hr. Bader erklärt die 37,5 Std. Woche wegen Brückentage, was einer realen 35 Std. Woche sein soll. Dies sieht der Tarifvertrag so vor.

Nachdem weitere PV´s für die nachfolgenden Termine im Sitzungssaal D stehen, spricht der RI die Sitzplatzsituation an. Einige der ersten Reihe bieten ihre Sitzplatz an. Die Personenanzahl ist auf 35 gestiegen.

RI fragt RA Koch nach der Aufrechterhaltung der Anträge I und der Weiterbeschäftigung bis zum Ende des gerichtlichen Verfahrens. RI nennt vorsorglich Modifizierungsgründe für den Weiterbeschäftigungsantrag. Die Weiterbeschäftigung ist bei positivem Verlauf der 1. Instanz selbstverständlich gegeben.

RI protokolliert erneut und trägt nun die Meinung der Kammer den Parteien vor. Nachfolgend einige wichtige Punkte daraus.

Die Kammer sieht die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung problematisch an, zumal in den Schriftsätzen unterschiedlich auf mündliche BR-Unterrichtung abgestützt wird.

Der Wegfall der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, insbesondere die Berechnung ist wegen der Durchgängig-/Nachvollziehbarkeit nicht sicher gegeben, da diese mathematisch so nicht aufgeht. Eine 2. Komponente ist nicht dargelegt worden???

Stellt die Vorstandsanweisung zur angeordneten Produktionssteigerung im Chassisrohbau heraus. Diese 21 Arbeitsplatze können auf alle anderen Fälle Auswirkungen haben. Die Kammer sieht dies im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung aller Berufsgruppen, weil alle Mitarbeiter alles können sollen, als Bedeutend an. Über die Universalität der Gekündigten sind sich die Bekl und die Kl zwar einig, aber die Kammer kann dies auch abweichend sehen. Zumal über 200 Mitarbeiter bei dieser Betrachtung im Vorfeld ausgenommen wurden sind und spricht die fehlende Vergleichbarkeit in Verbindung mit den vielen Ausnahmen an. Wenn alle alles können, was können die Ausgenommen?

Stellt diverse Widersprüche in den Aussagen heraus, was die Durchgängigkeit der unternehmerischen Entscheidung anzweifeln lässt. Problematisch sei z.B. die Stückzahl, wie bereits in der 3. Kammer angesprochen. Diese sei zwar jetzt durch die Bekl nachgereicht worden.

Die Darlegungspflicht des Arbeitgebers bei einem Ausschluss von ca. 1/3 der Belegschaft unter eine Ausnahmeregelung des KSchG gibt Fragen zur Notwendigkeit auf.

Die von den Kl dargestellte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im LKW-Bau ist genauer darzustellen. Es sind „Ross und Reiter zu benennen“. Dies kann auch eine zu enge Sozialauswahl bei einem gemeinsamen Betrieb begründen. Bekl beruft sich auf einen Übergangs-BR bis 2006.

Die Massenentlassungsanzeige sieht eine Freifrist vor, doch die Bekl ist gefordert dies darzulegen.

Es folgt eine rege Diskussion aller Bekl mit dem RI über diese Kammermeinung.

RI prüft nun die Vergleichsbereitschaft und spricht die Berichte der Presse zu den Urteilen der 3. Kammer und den Aussagen der PV´s darin an.

RA Koch zeigt eine Vergleichsbereitschaft von rund 100 Gekündigten auf, die gegeben sei wegen der anziehenden Konjunktur und der verbesserten wirtschaftlichen Lage. Die Beschäftigungsgarantie soll auch für die Fälle vor Gericht gelten. RA Koch hat die gewerkschaftliche Sicht zur angezweifelten Wiedereinstellungsgarantie in der Betriebsvereinbarung extra abgefragt.

GF Hr. Andrich spontan: „Es gibt keine Wiedereinstellungsgarantie“. „Wir haben alle Maßnahmen getroffen den Standort Salzgitter zu retten“. „Wir können nicht einfach 100 Leute zurücknehmen“.

Der RI begründet für die anderen PV´s der nachfolgenden Fälle die Ausführlichkeit und den zeitlichen Verzug mit der Hoffung der Beschleunigung der nachfolgenden, weil grundsätzliche Punkte für alle Termine geklärt werden.

Hr. Boris Bader von der Personalabteilung erklärt die Stückzahl und zieht sich auf die schon zuvor angesprochene SUP zurück. Das Wachstum das z.Z. generiert wird, trägt keine zusätzliche Mitarbeiter.

RA Koch: „Sie sprechen nur vom Busbau und ich vom LKW-Bereich“.

Fr. Schulte-Schrepping: „Hier ist die GmbH und nicht die AG der Arbeitgeber“.

Jetzt bieten Bekl-Vertreter als Vergleich die schon mitgeteilte Abfindung und die schon bekannten 2 Monatsgehälter. Die sich sowieso automatisch durch die Massenentlassungsanzeige und dem TVBesch ergeben.

RA Koch lehnt derartige Angebote im Namen der Kl ab.

RI sieht erhebliche Unterschiede hinsichtlich Sozialplanabfindung und Regelsatz laut seinen eigenen Berechnungen und nennt die ermittelten Zahlen.

Fr. Schulte-Schrepping spricht das Mithören der anderen Kl, auch aus anderen Kammer in der Zuhörerschaft an. Dies sei nicht Aufgabe dieser Kammer???. Sie will deshalb keine genauen Zahlen nennen.

Anmerkung: Hat Fr. Schulte-Schrepping ein Problem mit dem Öffentlichkeitsgebot von Gerichtsverhandlungen? Sind Anwesenheit und Berichterstattung unerwünscht? Die Zuhörer im Sitzungssaal sind auf 40 gestiegen.

Fr. Schulte-Schrepping nennt auch nach Aufforderung keine Zahlen.

RI stellt fest, das keine Zahlen kommen und protokolliert, spielt vor und dies wird genehmigt.

Beschlussverkündung am Ende des Sitzungstages.

RI geht nun zu 6 Ca 833/03 über und protokolliert wie angekündigt eine Modifikation des Weiterbeschäftigungsantrages wegen der erfolgten 2. Kündigung von Matthais S.. Diese wird auf den 30.6.2004 begrenzt. Vorgespielt und genehmigt.

RI will gerade zur Beschlussverkündigungsbekanntgabe überleiten, als Bekl-Verteter die Transfergesellschaft vortragen. GF lobt die Erfolge und die hohe Vermittlungsquote.

RA vermist langfristiger Qualifizierungsangebote wie bei einer Vorgängereinrichtung und spricht die geringe Vermittlungschance an. Die genannten Erfolge sind nur durch Eigeninitiative der Leute gekommen und zum Teil befristet.

GF Hr. Andrich widerspricht den Vortrag und der negativen Prognose von RA Koch.

RA Koch spricht auch hier die Verbindlichkeit der Wiedereinstellung 2006 an.

RI sieht in der beE eine Alternative zu einem Vergleich spricht aber auch die kurze Laufzeit an.

GF Hr. Andrich erklärt wortreich die festgelegte Dauer der beE und stellt erneut die 31 vermittelten Leute in den Mittelpunkt. Räumt aber auch die Eigeninitiative der Leute ein, die zur Vermittlung beigetragen hat.

Fr. Schulte-Schrepping stellt heraus, dass der heutige Wiederzugang zur beE bereits ein Entgegenkommen ist. Die beE ist am 31.7. unwiderruflich zu Ende und dann sind die Mitarbeiter entgültig ausgeschieden.

RI: „Herr Koch will ein konkrete Verbesserung als Vergleichsangebot“

Bekl/PV geht darauf nicht ein und RI stellt fest, dass ein Vergleich mit der beE also ausgeschlossen ist.

RI protokolliert und die Entscheidung wird am Ende des Sitzungstages bekannt gegeben.

Urteil:

Heute nach den Kammerterminen 31.3.04 – 12:55

Beide haben gewonnen. Kündigungen sind ungültig. Weiterbeschäftigungen gemäß Anträge. Bekl trägt die Kosten - Streitwert wird auf je 15.000 € festgelegt.

(WB)

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