«Unser Leben zählt mehr als ihre Profite!» (28.3.10)
in der Sendung vorgestellten Arbeiter unterscheiden sich in ihrem Alter, in ihrem Schicksal sind sie alle gleich: Der 59jährige verwitwete Arbeiter, der sich hartnäckig weigert, mit einem Trinkgeld abgespiesen zu werden und bekräftigt: «Auch ich habe das Recht, bis zur Rente zu arbeiten!» Dann der französische Grenzgänger, der seit über zwanzig Jahren im Betrieb ist. Seine Frau hat jedesmal Angst, wenn das Telefon läutet, weil sie befürchtet, es könnte die Nachricht sein, dass ihr Mann die Kündigung bekommen hat. Oder der 46jährige Familienvater, der sich bewusst ist, dass er kaum eine Chance hat, wieder eine Arbeit zu finden. Bald einmal wird er sich gezwungen sehen, die mit den Ersparnissen vieler Jahre erworbene Eigentumswohnung zu verkaufen. Der Jüngste von ihnen, ein 30jähriger Chemikant, war im Begriff eine Familie zu gründen, als ihn die Hiobsbotschaft erreichte, dass der Betrieb geschlossen werde. Der Wunsch seiner Lebensgefährtin, demnächst Mutter zu werden, wird durchkreuzt von den Plänen der Manager. Angesichts der wirtschaftlichen Ungewissheit muss das junge Paar sich weiterhin gedulden mit dem Nachwuchs.
Möglicherweise ungewollt offenbart die Reportage einen Gegensatz, der augenfälliger nicht sein könnte: Auf der einen Seite die Manager und Finanzanalysten, hinter ihnen die Bildschirme mit den Zahlen und Statistiken, auf der andern Seite die Arbeiter am Esstisch mit ihren Familien. Auf der einen Seite wird gelebt und gegessen, auf der andern Seite schaut man auf die Zahlen und Profite. Auf der einen Seite das Leben, auf der andern die zu Kapital gewordene, tote Arbeit, die die lebendige Arbeit verschlingt.
Um die Arbeiter zu beruhigen, redet Clariant von einem trügerischen «Industriepark», der die Arbeitsplätze, die verloren gehen werden, ersetzen sollte. Wann er gebaut wird und wieviele Stellen dort angeboten werden, das weiss niemand. Die einzige Hoffnung, welche darum die Fernsehreportage den Arbeitern macht, ist der wirtschaftliche Aufschwung, von dem die Ökonomen dauernd reden. Die Clariant Arbeiter hingegen haben einen andern Weg gewählt: den Weg des Kampfes. Um ihre Gewerkschaft herum haben sie ein Kampfkomitee gegründet, und am vergangenen 11. März haben sie gegen die Schliessung ihrer Fabrik demonstriert. Es ist das erste Mal seit der Wirtschaftskrise, dass in der Deutschschweiz die Arbeiter auf die Strasse gehen um lautstark zu protestieren. Und am nächsten Montag, wenn sich die Aktionäre von Clariant in Basel versammeln, werden auch sie dort sein, um für ihre Rechte zu demonstrieren.
«Unser Leben zählt mehr als ihre Profite!» steht auf dem Spruchband in den Officine von Bellinzona. Die Officine Arbeiter haben gekämpft und haben gewonnen. Schaffen wir zwei, drei, viele Officine! - rth
In diesem real existierenden System der Marktwirtschaft ist es aber genau umgekehrt - also ist der Spruch keine Wahrheit über die reale Welt.
Wirklich werden kann die Vorstellung nur in einer Welt, in der der Profit abgeschafft ist.