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Auszug: Protokoll des Landrates (11.3.10)

erstellt von swiss zuletzt verändert: 02.07.2011 18:12
Andreas Giger hat per Dringlichkeitsinterpellation den Fall Clariant Muttenz im Landrat des Kantons Basel-Landschaft am 11. März 2010 eingebracht. Hier der Auszug aus der Landratsdebatte.

Seite 1729

Frage der Dringlichkeit:

2010/090

Dringliche Interpellation von Andreas Giger-Schmid, SP-Fraktion, vom 11. März 2010: Erneuter Kahlschlag bei der Clariant AG, Verlust von 400 Arbeitsplätzen in Muttenz!
Laut Landratspräsident Hanspeter Frey (FDP) ist die Regierung bereit, die Interpellation als dringlich entgegenzunehmen.
://:
Der Dringlichkeit wird stillschweigend stattgegeben. Die Interpellation wird am Nachmittag beantwortet werden.

Für das Protokoll:
Michael Engesser, Landeskanzlei


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Seite 1731

Nr. 1730

44 2010/090
Dringliche Interpellation von Andreas Giger-Schmid, SP-Fraktion, vom 11. März 2010: Erneuter Kahlschlag bei der Clariant AG, Verlust von 400 Arbeitsplätzen in Muttenz!

(Nach Eingabe der Interpellation)


Regierungsrat Peter Zwick (CVP) beantwortet die Fragen:

Frage 1:
Wann wurde der Regierungsrat vom Unternehmen über den Abbauentscheid informiert?


Antwort:
Die Regierungsräte Adrian Ballmer und Peter Zwick sind am Nachmittag des Montags, 15. Februar 2010 – also am Vortag der entsprechenden Bilanzmedienkonferenz in Zürich –, über diese Massnahme informiert worden.

Frage 2:
Wie beurteilt der Regierungsrat die Ursachen für diesen Entscheid?


Antwort:
Die betriebliche Stilllegung und der damit verbundene Stellenabbau in diesem Ausmass kam auch für den Regierungsrat des Kantons Baselland unerwartet. Der Entscheid der Clariant-Geschäftsleitung ist bedrückend und zu bedauern, aber die Ursachen dafür sind gerade hinsichtlich betrieblicher und finanzieller Grundlagen, Strukturen und Entwicklungen zu wenig bekannt, um sie kompetent und glaubwürdig beurteilen zu können und zu wollen. Zudem hat der Regierungsrat keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen von Clariant, damit aber auch keine Möglichkeit, einen vertieften Blick in die betrieblichen und finanziellen Vorgänge zu werfen. Hierzu fehlt die eigentumsrechtliche Legitimation – Clariant ist ein börsenkotiertes Unternehmen.

Frage 3:
Was unternahm der Regierungsrat vor dem Hintergrund dieses Entscheides bisher?


Antwort:
Der Regierungsrat hat proaktiv als Sofortmassnahme durch die VGD eine Begleitgruppe eingesetzt, die Clariant bei der Entwicklung eines Industrieparks unterstützt und an welcher verschiedene Gruppierungen mit einem grossen Netzwerk in die Industrie (Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände, regionale Standortpromotion, Handelskammer, Wirtschaftskammer etc.) beteiligt sind. Arbeitsmarkttechnisch ist nichts unternommen worden, da keine Kündigungen ausgesprochen und keine Entlassungen vorgenommen worden sind. Das KIGA ist also nicht zum Einsatz gekommen.

Frage 4:
Was wird der Regierungsrat weiter unternehmen, um die Arbeitsplätze zu retten?


Antwort:
Man beachte die Antwort zu Frage 3. Massnahmen sind eingeleitet worden, aber das Unternehmen kann nicht gezwungen werden, defizitäre Betriebsstrukturen entgegen dem Markt oder dem Wettbewerbsdruck weiter zu betreiben. Auch kann die Regierung nicht die betroffenen Betriebszweige als Unternehmer in eigener Verantwortung weiterführen. 


Frage 5:

Setzt der Regierungsrat eine Task Force "Clariant" ein, in der alle Beteiligten (Kanton, Standortgemeinde, Unternehmen, Gewerkschaften, Industrie- sowie Arbeitgeberverbände) mit dem Ziel Einsitz nehmen, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten?

Antwort:
Im Vergleich betrachtet, ist die Task Force “Bombardier” unter anderen Voraussetzungen eingesetzt worden: Bombardier zog damals von Pratteln weg. Jetzt allerdings bleibt der Standort Muttenz von Clariant erhalten. Deshalb ist die erwähnte Begleitgruppe aus Fachleuten mit ihren Beziehungen der richtige Weg: Damit sollen neue und attraktive Stellen geschaffen werden.

Frage 6:
Ist der Regierungsrat der Meinung, dass ein korrektes Konsultationsverfahren durchgeführt wurde?


Antwort:
Es ist nicht Aufgabe des Regierungsrats, das Verfahren zu beurteilen. Eine Massenentlassung ist durch das Schweizerische Obligationenrecht geregelt. Die darin enthaltenen, privatrechtlichen Bestimmungen sind durch die entsprechende Rechtsinstanz – das zuständige Arbeitsgericht – bewerten zu lassen, sofern eine entsprechende Klage durch die Arbeitnehmenden erfolgen würde. Im Übrigen hat Clariant mit separatem Schreiben vom 9. März 2010 die Angestelltenvereinigung und die Gewerkschaft Unia über die formelle Einleitung eines Konsultativverfahrens mit Frist bis 30. April 2010 orientiert. Die Voraussetzungen für die korrekte Abwicklung des Verfahrens sind also gegeben.

Frage 7:
Was unternimmt der Regierungsrat, wenn kein korrektes Konsultationsverfahren durchgeführt wurde?


Antwort:
Der Entscheid eines Arbeitsgerichts, ein Verfahren sei nicht korrekt durchgeführt worden, hat keine rechtliche Handlungskonsequenz für die Verwaltung, sondern nur für den fehlbaren Arbeitgeber. Allfällige, ausgesprochene Kündigungen würden als missbräuchlich gelten und müssten um maximal zwei Monatslöhne als Entschädigung ausbezahlt werden. Die Kündigungen als solche würden aber – im Sinne eines Entscheids des Arbeitsgerichts des Kantons Zürichs im Fall Metropol – weiter bestehen.

Frage 8:
In einem Industriepark Clariant sollen neue Arbeitsplätze entstehen. Was sind das konkret für Arbeitsplätze und werden betroffene Arbeitnehmer aus der Clariant diese Arbeitsplätze erhalten?


Antwort:
Es ist verfrüht, hierzu Aussagen zu machen. Die Konzernleitung von Clariant bekennt sich aber zu einem Industriepark und dessen Einrichtung auf deren Betriebsareal in Schweizerhalle. Die Begleitgruppe soll den hierfür nötigen Entwicklungsprozess unterstützen und bei dessen Ausgestaltung mithelfen. Auch hierzu hat sich Clariant positiv und zusagend geäussert, was auch den Vorstellungen des Regierungsrats entspricht. In der Begleitgruppe arbeiten Vertreter von Clariant mit, und eine gemeinsame Entwicklung zu einem attraktiven Industriepark muss angestrebt werden.

Frage 9:
Welchen Nutzen sieht der Regierungsrat darin, dass ein Unternehmen seinen Hauptsitz im Kanton Baselland belässt, aber fast alle Arbeitsplätze ins Ausland verlagert?


Antwort:
Die Feststellung ist nicht ganz richtig: 1'100 Arbeitsplätze bleiben auch nach dem Stellenabbau in der Region. Clariant ist damit immer noch einer der grössten Baselbieter Arbeitgeber. Alle wichtigen Konzernfunktionen werden hiermit auch zukünftig am Hauptsitz zusammenlaufen. Der Nutzen von so grossen Betrieben und volkswirtschaftlich bedeutungsvollen Unternehmen liegt im Übrigen sowohl im steuerlichen Bereich als auch im Bereich Beschäftigung, Forschung und Entwicklung.

Frage 10:
Wie sieht die Industriepolitik des Kantons Basellandschaft aus und wie will der Regierungsrat mittel- und langfristig kantonale Industriearbeitsplätze sichern?


Antwort:
Staatliche Eingriffe im Rahmen einer eigentlichen Industriepolitik und in Form von strukturpolitischen Massnahmen haben begrenzte Wirkung und sind volkswirtschaftlich langfristig kaum nachweisbar. Deshalb gibt es in Baselland keinen Bedarf für eine eigenständige Industriepolitik, wie das auch sonst in der Schweiz nicht gemacht wird. Vielmehr sollen die Standortvoraussetzungen und die Wettbewerbsbedingungen konkurrenzfähig gestaltet werden – mit Eingriffen in den Markt hält sich die staatliche Ebene in der Schweiz weitgehend zurück. Diese politische Grundhaltung entspringt einer sozial-liberalen Marktauffassung mit einer offenen Volkswirtschaft und einem verlässlichen Rechtssystem als nötigem Rahmen, wo sich Unternehmen möglichst ungehindert und bestmöglich entfalten können.

://: Der vom Interpellanten gewünschten Diskussion wird stillschweigend stattgegeben.

Andreas Giger (SP) dankt Regierungsrat Peter Zwick für die Antworten. Er anerkennt, dass die Regierung etwas getan hat, aber es wäre mehr möglich. Es geht darum, die Zeichen der Unzufriedenheit des Volkes mit der «Abzockerei» durch Geschäftsleitungen , wie sie am Sonntag in der Abstimmung zum Umwandlungssatz der Pensionskassen oder heute in Bern mit der Debatte über die “Abzocker-Initiative” zum Ausdruck gekommen sind, zu erkennen – auch wenn die Abstimmungsresultate nicht direkt mit der Situation bei Clariant zusammenhängen. Die Situation ist nicht mehr tragbar, wenn auf der einen Seite der Geschäftsführer Millionen verdient und auf der andern Seite hunderte oder gar tausende Stellen abgebaut werden. Der Redner hat kein Verständnis für die Haltung des Regierungsrats, der nicht mittels einer Task Force oder anderen Massnahmen zugunsten des sozialen Friedens eingreifen will. Für ihn ist aber klar, dass die Politik jetzt zu handeln beginnen und eingreifen muss.

Thomas de Courten (SVP)
erwidert, die SVP setze sich dauernd für den Wirtschaftstandort Baselland ein. Deshalb fordert er den politischen Gegner auf, sich gleich stark dafür einzusetzen anstatt immer mehr Steuern zu fordern, neue Regulierungen in den Bereichen Sozial-, Ausbildungs- oder auch Sicherheitsvorschriften einzuführen, sich über schlechte Rahmenbedingungen für Unternehmen zu wundern und dann solche Veranstaltungen wie die Demonstration heute vor dem Regierungsgebäude zu inszenieren – «viel mehr Luft als in den aufgehängten Ballons ist in diesen Aktionen auch nicht drin». Diese politische Haltung führt zu unwirtschaftlichen Arbeitsplätzen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Regierungsrat aktiv gewesen ist, um Härtefälle zu mildern. Die Gewerkschaften sollten helfen, sachorientierte Lösungen zu suchen anstatt politisches Theater zu inszenieren: Zu den in den Landratssaal mitgeführten Ballonen ist zu bemerken, dass man sich nicht in einem politischen Kindergarten befindet. Die erwähnte Aktion stört mehr, als dass sie nützt.

Bruno Baumann (SP) findet es sehr schade, dass der Regierungsrat die 400 Arbeitsplätze eigentlich aufgegeben habe. Er hat sie aufgegeben in dem Sinne, dass nun eine andere Lösung gesucht werden soll, auch wenn nichts gesichert ist.
Thomas de Courten ist zu entgegnen: Ausländische Firmen sind gerne in der Schweiz wegen der im Vergleich zu anderen Ländern weniger «aktiven Gesetze» betreffend Arbeitnehmerschutz. Hier gibt es nach wie vor keine Sozialplanpflicht, so dass Menschen viel einfacher entlassen und den Arbeitslosenämtern und der Sozialhilfe der Gemeinden überlassen werden können, wo dann wieder Kosten entstehen. In den Nachbarländern sind Gesetze zum Schutz des Arbeitnehmers zahlreicher und schärfer. Am von seinen Vorrednern erwähnten Runden Tisch sind auch die Gewerkschaften zu beteiligen. Nur sind diese von Regierungsrat Peter Zwick nicht erwähnt worden. Wenn miteinander Lösungen gesucht werden sollen, müssen alle betroffenen Parteien – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – an diesen Gesprächen beteiligt werden und nicht nur ausgewählte Kreise der Wirtschaft.
Die Produktion in Muttenz ist zu 80%, bzw. mit ca. 400 Leuten betroffen, weshalb diese Arbeitnehmer vom Regierungsrat erwarten, dass dieser mit Hariolf Kottmann als Chef von Clariant Kontakt aufnehme und wenigstens versuche, diese Teilschliessung zu verhindern, bzw. rückgängigzu machen, weil sie «langsam, aber sicher genug haben»: Der Lohn des Geschäftsleiters ist in für die Firma wirtschaftlich schlechten Zeiten von CHF 12,5 Millionen auf CHF 22,6 Millionen erhöht worden. «Den einen gibt man, den anderen nimmt man, und zwar nämlich den Arbeitsplatz!» Diesbezüglich darf der freie Wettbewerb nicht einfach ungebremst laufen gelassen werden, denn so könnte jede Entlassung gerechtfertigt werden.
Die Arbeiter von Clariant erwarten auch, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und dass nichts unterlassen wird, um ihre Stellen zu retten. Ob ihnen allerdings mit dem geplanten Industriepark geholfen sein wird, ist nicht sicher: Vielleicht braucht es dafür dann wieder Fachkräfte aus dem Ausland.
Die Gründe für die Erhaltung dieser Arbeitsplätze sind die Qualität eines guten Produkts, die umweltgerechte Produktion in der Schweiz, das Know-How und die Motivation des Personals und auch der GAV als Schutz sowohl für die Angestellten als auch für die Firma.
In den Ballonen ist nicht nur heisse Luft: Die Leute wollen arbeiten und wehren sich für ihren Arbeitsplatz. Die Politik muss sich einsetzen, damit der Volkszorn nicht weiter wächst und nicht irgendjemand plötzlich genug hat. Wie bereits gesagt, sind also auch andere als nur die von Regierungsrat Peter Zwick erwähnten Kreise zum Runden Tisch zuzulassen.

Ruedi Brassel (SP) erinnert daran, dass hinter den 400 Arbeitsplätzen Menschen stehen und von der Streichung betroffen seien. In der Aussage des Regierungsrats fehlt ihm die nötige Klarheit und Verbindlichkeit, auch wenn klar ist, dass Arbeitsplätze in einer solchen Situaton zu retten ein hoher Anspruch ist. Das Beispiel Firestone 1978 zeigte aber, dass die Regierung – auch wenn damit Firestone in Pratteln nicht gerettet worden ist – bereit war, einen langen Weg in die USA auf sich zu nehmen und damit ein starkes Zeichen zugunsten der Arbeitsplätze im Baselbiet zu setzen. Ein solches Zeichen von der Regierung ist deshalb nicht ganz sinnlos.
Auch eine Task Force garantiert keinen Erfolg in den Bemühungen, die Stellenstreichungen zu vermeiden, aber sie setzt ein Zeichen und schafft eine Verbindlichkeit zwischen Partnern, die am gleichen Tisch sitzen. Der Name dieser Gruppe ist nicht wichtig, sondern die Arbeit an einer gemeinsamen Lösung für die nötigen Perspektiven des Werkplatzes.
Neben der Erhaltung der Arbeitsplätze fordert er, dass es «als absolutes Minimum» zu keinen Entlassungen in die Arbeitslosigkeit kommt. Es stimmt, dass es noch keine Entlassungen gegeben hat, aber die kommen vielleicht noch. Den Betroffenen muss geholfen werden, sich für neue Perspektiven qualifizieren zu können, wofür sie die Unterstützung sowohl – und primär – durch die Firma als auch durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren erhalten müssen.

Daniel Münger (SP) hält es ebenfalls für äusserst wichtig, dass es zu keinen Entlassungen komme. Der Werkplatz Muttenz ist hochrentabel, wie im gleichen Industriebereich am gleichen Standort das Beispiel Bayer zeigt.
Auch er ärgert sich über die Tatsache, dass die Gehälter der Geschäftsleitung während der Krise um 100% gestiegen sind. Die Frage, ob bei Clariant Missmanagement betrieben und am Markt vorbei gearbeitet worden sei, ist für ihn unbestritten, da der Betrieb seit Jahren schlecht läuft. Von diesen Fakten her rührt auch die heutige Debatte in Bern zum Thema Abzockerei, aber solch ein Verhalten von Geschäftsleitungen muss man sich in der Schweiz nicht bieten lassen.
Der Werkplatz Schweiz ist sehr wertvoll, und für ihn müssen es auch die weniger hoch qualifizierte Menschen sein, auf die man genauso angewiesen ist. Darum ist eine Umschulung für die betroffenen Menschen wichtig.
Bezüglich Marktregulation herrschen in der Schweiz beste Bedingungen, so dass Thomas de Courten und seiner Partei zu entgegnen ist: «Die einzige warme Luft hier drin sind Sie.»

Karl Willimann (SVP) hält diesen Spruch von der warmen Luft für übertrieben. Hingegen gibt er seinen Vorrednern hinsichtlich Schicksal der betroffenen Menschen recht. Auch ist die allgemeine Empörung über die hohen Gehälter von Geschäftsleitungen, deren Firmen schlecht laufen und die Personal entlassen, verständlich. Diese Dinge werden zu Recht angeprangert.
Bei der Beurteilung der Lage muss man allerdings auf die Frage, ob die 400 Arbeitsplätze wegen der Untätigkeit der Regierung wegfallen, ehrlich antworten: Das Chemie-Massengeschäft, welches von Clariant und früher auch von Ciba betrieben worden ist, ist im Ausland viel billiger, während die Produkte von Novartis und Roche die notwendige Wertschöpfung enthalten.
Gleichzeitig muss zu den angeblich schärferen Gesetzen im Ausland auch gesagt werden, dass die Schweiz mit 4,5% Arbeitslosen im Vergleich zu durchschnittlich 8-10% Arbeitslosen in der EU hinsichtlich Arbeitsmarktbedingungen offenbar nicht schlecht dasteht.
Die Arbeiter nehmen auch wahr, dass ihre Anliegen – z.B. im Rahmen von Vorlagen zu Unternehmensreformen – von der SP nicht mehr vertreten werden. Diese unternimmt offenbar alles, um den Werkplatz und die Standortqualität zu schwächen. Entsprechend sind die Arbeiter nicht mehr so zahlreich in der SP vertreten wie früher. Er ruft die linke Ratsseite auf, zusammen mit den anderen Parteien im Kanton Baselland Verbesserungen und positive Rahmenbedingungen für neue Industrien und Arbeitsplätze zu schaffen.

In den Augen von Franz Hartmann (SVP) kann Clariant nicht erfolgreich wirtschaften, weil es sich schlicht nicht lohne, im Ausland produzierte Roh-Komponenten, z.B. Farbstoffe für die Textilindustrie, hier veredeln zu lassen und dann für den Endverbrauch wieder ins Ausland zu exportieren. Die Betroffenheit über den scheinbar plötzlichen Verlust von 400 Arbeitsplätzen ist aber verständlich. Auf der anderen Seite ist erfreulich, dass der Forschungsund Entwicklungsbereich von Clariant hier in der Region (Reinach) bleiben wird und dass in Schweizerhalle bereits wieder Investitionen – in eine Luftverflüssigungsanlage – vorgenommen werden. Es ist wichtiger, mit dem Industriepark Neues entstehen zu lassen als sich über das Schicksal zu beklagen.

Martin Rüegg (SP) entgegnet Thomas de Courten klar, dass die Kundgebung vor dem Regierungsgebäude kein Kindergarten sei. Es geht nicht nur um 400 Arbeitsplätze, sondern um wesentlich mehr Menschen, die davon betroffen sein werden. Weiter geht es um die Frage, was gegen die Deindustrialisierung in der Schweiz und in Europa zu tun sei. Die Arbeitsplätze müssen hier gehalten werden, wofür z.B. ein Industriepark zu schaffen ist. Er ist gerne bereit, zusammen mit Karl Willimann nach vorne zu schauen. Dafür, für die Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze – auch das ist Wirtschaftsförderung! – und für solche Kundgebungen sind aber auch die Gewerkschaften nötig. Und es braucht eine aktive Regierung und politische Parteien, die sich für den hiesigen Standort einsetzen. Nicht zuletzt stellt sich aber auch die Frage, wo das Haus der Wirtschaft und dessen Einsatz bleibt in dieser Sache. Es ist richtig, wenn sich dessen Vertreter tatsächlich in der erwähnten Task Force engagieren.

Auch für Daniele Ceccarelli (FDP) ist der Verlust der 400 Arbeitsplätze bei Clariant sehr bedauerlich, da dieser den Werkplatz Baselland und die einzelnen Menschen treffe. Es ist mittels Arbeit an den Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Diese sind für beide Sozialpartner so freundlich und so fair wie möglich zu gestalten.
Die Kundgebung vor dem Regierungsgebäude ist laut gewesen und sorgte ein wenig für Stau vor dem Haus, aber sie ist «absolut in Ordnung» gewesen: Die Menschen haben das Recht, für ihre Anliegen zu demonstrieren. Zu den Antworten der Regierung ist zu sagen, dass sie sich offenbar für eine Lösung einsetzt, sie aber auch die Grenzen ihres Einsatzes sieht. Immerhin soll der Dialog geführt werden, wobei die Forderung nach Einbezug der Gewerkschaften in diese Gespräche legitim ist.
Zur Verantwortung des Staates ist zu bemerken, dass dieser nicht als Ersatz für private Unternehmen unrentable Betriebe weiterführen kann. Das führte zu Verhältnissen wie im früheren Osteuropa, was bekanntlich nicht erfolgversprechend gewesen ist. Der Staat kann aber mit Sozialplänen, Dialogangeboten, einem Industriepark und mit den vorhandenen Sozialwerken helfen. Dass diese Hilfe gewährleistet werden muss, bezweifelt wohl niemand. Und tatsächlich darf die Entlassung in die Arbeitslosigkeit nicht der erste Schritt sein. Die SVP hat aber Recht: Der Standort Baselland muss gefördert werden. Und um den Standort fördern zu können, ist die Mithilfe der SP in den jeweiligen Sachvorlagen nötig. Auch er hält die Verdoppelung der Gehälter in der Geschäftsleitung für «etwas speziell».

Bruno Baumann (SP) dankt seinem Vorredner für die aufmunternden Worte. Die Demonstranten von heute morgen produzierten nicht warme Luft, sondern wehrten sich nur. Gleichzeitig darf jetzt aber nicht alle Verantwortung auf die Sozialwerke abgeschoben werden, denn innert Kürze würden dann wieder deren hohen Ausgaben beklagt werden.
Weiter fordert er Karl Willimann auf, ihm genau zuzuhören: Es ist nicht gesagt worden, dass die Regierung Schuld an den Entlassungen ist, aber diese soll die Wünsche und Erwartungen der Arbeitnehmer entgegennehmen. Es muss zusammen mit den Gewerkschaften nach Lösungen gesucht werden.

Regierungsrat Peter Zwick (CVP) betont gegenüber Bruno Baumann, dass der Regierung die Entlassung von 400 Angestellten nicht egal gewesen sei. Die Frage nach Bekanntgabe dieser Nachricht war aber sofort, was mit dem nun zur Verfügung stehenden Raum vor Ort passieren werde. Ein Industriepark wurde angeregt, was vom Regierungsrat sogleich nicht als Möglichkeit, sondern als zwingende Massnahme beurteilt worden ist. Dennoch kann die Regierung nichts gegen Entscheidungen eines privaten Unternehmens tun. Immerhin hat sich Clariant am gleichen Tag noch zu den übrigen Arbeitsplätzen in der Region bekannt.
Bei den Verhandlungen zum Industriepark gilt es zu unterscheiden zwischen einem Runden Tisch mit den Gewerkschaften und einer Begleitkommission – u.a. mit der Wirtschaftskammer – mit einem «Riesennetzwerk» zu Unternehmen, die diese zu Investitionen bewegen kann. Die Firma PanGas hat innerhalb von zwei Monaten einenneuen Standort eingerichtet, so dass von der Regierung weiter auf diesen Industriepark mit neuen Arbeitsplätzen gesetzt wird. Momentan wird geklärt, wieviel Raum frei wird. Welche Art von Arbeitsplätzen kommen wird, ist noch nicht bekannt. Aufgrund der Bewerbungen ist aber klar, dass es sich um grössere Industrie-Unternehmen und nicht um kleines Gewerbe handeln wird. Die Federführung für den Industriepark liegt bei der VGD, die dafür mit BaselArea und anderen Organisationen zusammenarbeiten wird.
Gegenüber einem Runden Tisch mit den Gewerkschaften, welchen diese von der Clariant mittels Brief gefordert haben, will sich die Regierung nicht verschliessen. Ob allerdings Clariant daran teilnehmen wird, ist die Entscheidung des Unternehmens selbst.
Zu Ruedi Brassels Forderung nach Weiterbildung ist zu bemerken, dass zuerst bekannt sein muss, in welchem Ausmass Entlassungen stattfinden werden. Diesen Prozess wird das KIGA begleiten, so dass es nötigenfalls aktiv werden kann. Wie erwähnt, ist es eine schwierige Aufgabe, denn der Staat ist nicht der Unternehmer, der in eigener Regie Produktionsbetriebe führen kann, auch wenn deren Produkte qualitativ gut gewesen sind. Immerhin muss auch festgehalten werden, dass Clariant 2009 mit CHF 200 Millionen Verlust ein enormes Defizit zu verbuchen hatte. Nun müssen die Gegenwart und die Möglichkeiten für die Zukunft wahrgenommen werden.
Noch ein Wort zur Arbeitslosigkeit: Diese liegt – bei Kurzarbeit für ca. 4'450 Personen – mit 3,9% in Baselland wesentlich tiefer als der Schweizer Durchschnitt, was beweist, dass die Baselbieter Regierung wirtschaftspolitisch aktiv gewesen ist und die Betriebe angemessen begleitet.
Die Demonstration von heute vor dem Regierungsgebäude ist verständlich und zu akzeptieren. In diesem Zusammenhang ist der Unia ein Kompliment und eine Gratulation für deren Organisation und die geordnete Durchführung auszusprechen.

Bruno Baumann (SP) fordert noch einmal die Integration der Gewerkschaften in die Begleitgruppe und nicht deren Beteiligung an einem Runden Tisch. Schliesslich geht es um die angemessene Information dieser Arbeitnehmer-Vertreter, die auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und die Räumlichkeiten vor Ort kennen und die Arbeitnehmer über den Fortschritt der Verhandlungen auf dem Laufenden halten können. Ist es also möglich, dass die Gewerkschaften aktiv in dieser Begleitgruppe mitarbeiten können?

Regierungsrat Peter Zwick (CVP) kann diese Frage – auch wenn der Wunsch der Gewerkschaften verständlich sei – jetzt nicht beantworten, da sich diese Gruppe auf einer Vertrauensbasis gebildet habe, auf der gewisse Informationen und Zahlen ausgetauscht worden seien. Dieser Wunsch müsste in die Gruppe eingebracht und von dieser beantwortet werden.

Für das Protokoll:
Michael Engesser, Landeskanzlei


Fortsetzung

Rita Bachmann (CVP) als Muttenzerin hat schon länger die Entwicklung des Werkplatzes Clariant intensiv und mit Sorge verfolgt. Sie ist aber nun erfreut über die Mitteilung, dass ein Industriepark in Schweizerhalle erstellt werden könnte. Das ist ein Lichtblick, hilft allerdings wohl jenen Leuten, die nun bei Clariant um ihren Arbeitsplatz bangen, wenig. Es ist daher wichtig, dass auch bei der Ansiedlung neuer Arbeitsplätze in Schweizerhalle der Kontakt zwischen den Beteiligten stark gepflegt wird, dass auf die Vermittlung Arbeitssuchender geachtet wird und dass Regierung, Kiga, Gewerkschaften und Firmenleitung ein reger Austausch besteht.
Ein grosser Wunsch ist auch, dass auch vonseiten der Arbeitnehmenden die Bereitschaft zur Flexibilität besteht. Denn ein Arbeitsplatz ist immer besser als keiner. Die Regierung ist stark gefordert – die Gewerkschaften aber auch.

Hannes Schweizer (SP) ist der von Thomas de Courten verwendete Begriff «Kindergarten» in Bezug auf die heutige Kundgebung sauer aufgestossen. Die Demo ist Ausdruck des Willens einer Bevölkerungsschicht, auf Missstände aufmerksam zu machen und zugleich eine Forderung zu stellen.
Im Juni 2009 hat die SVP aufgerufen zu einer Bauern-Demonstration in Sempach gegen die Milchpreissenkung – die indirekt auch den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge hatte –; bei anderer Gelegenheit haben demonstrierende Bauern eine Bundesrätin mit Stiefeln beworfen.

Andreas Giger (SP) hofft, Rita Bachmann meine mit der von den Arbeitsnehmenden geforderten Flexibilität nicht die Bereitschaft, sich nach China verlagern zu lassen.
Regierungsrat Peter Zwick hat richtig gesagt, Clariant habe buchhalterisch ein Defizit von CHF 194 Mio. geschrieben; aber im gleichen Zeitraum hat sie liquide Mittel von über einer Milliarde aufgebaut, den Cash-flow von CHF 391 Mio. auf CHF 757 Mio. gesteigert und dabei erst noch CHF 300 Mio. Rückstellungen für Restrukturierungskosten gebildet. Buchhalterisch liegt da einiges im Argen.

Christoph Buser (FDP) betont, der Staat könne ein Unternehmen mit der Grösse von Clariant nicht züchtigen. Es braucht den Dialog. Diese Gespräche sind ja im Gang, und man darf sich etwas von ihnen erhoffen.
Die Aussagen von Thomas de Courten mögen etwas gar pointiert gewesen sein, aber es ist doch festzustellen, dass der Parteipräsident der SP tief im Herzen getroffen worden ist und mit einem reflexartigen Rundumschlag reagiert hat. Das ist der Situation nicht angemessen.
Martin Rüegg hat offensichtlich keine Ahnung, was im Haus der Wirtschaft läuft. Er sollte bei seinen Kollegen Münger, Giger und Baumann nachfragen, denn diese gehen im Haus der Wirtschaft oft ein und aus. Wenn die Wirtschaftskammer Baselland zu etwas steht, dann zur Sozialpartnerschaft; das ist eine Stärke unserer Region. Zudem ist die Wirtschaftskammer nicht der natürliche Vertreter des Industriekonzerns Clariant – dafür wäre die Handelskammer zuständig –, und es gibt auch nur sehr bedingt Kontakte. Als die Einladung zum Runden Tisch kam, erklärte sich die Wirtschaftskammer natürlich zur Mitwirkung bereit, brachte aber auch zum Ausdruck, dass sie höchstens ein zweitrangiger Ansprechpartner sei.
Clariant ist nicht Mitglied der Wirtschaftskammer. Die Regierung hat zum Konzern über ihren Wirtschaftsdelegierten die engeren Kontakte. Bei den Gesprächen am Runden Tisch wurden recht rasch Möglichkeiten gesucht, um den Angestellten, die mit einer Kündigung rechnen müssen, zu helfen. Diese Haltung traut die Linke den Unternehmern offenbar gar nicht zu. Jetzt sollte einmal die nächste Sitzung abgewartet werden. Klar ist, dass sich niemand gegen einen Einbezug der Gewerkschaften wehren dürfte. Die Regierung hat rasch reagiert und alles, was in einer solchen Situation möglich ist, getan, ohne dabei für andere grosse Industriekonzerne abschreckende Zeichen zu setzen. Auf dem eingeschrittenen Weg sollte besonnen weiter voran gegangen werden. Die Kundgebung vom Morgen war völlig okay und diente dazu, den Anliegen der Betroffenen Nachdruck zu verleihen.

Thomas de Courten (SVP) bedauert, die Debatte verlängern zu müssen, aber er wurde persönlich angegriffen und möchte sich dagegen zur Wehr setzen. Bruno Baumann hat vorhin Karl Willimann aufgefordert, besser zuzuhören. Aber dieser Vorwurf fällt auf Bruno Baumann und Hannes Schweizer zurück. Denn mit keinem Wort wurde gesagt, die Kundgebung sei ein «Kindergarten» gewesen. Vielmehr wurde betont, dass die Härtefälle erkannt worden seien und sich die Regierung sofort daran gemacht habe, diese Härten möglichst zu mildern. Das tut sie in arbeitsintensiver Weise, direkt mit den Betroffenen, lösungs- und sachorientiert, ohne grossen Wind zu verursachen.
Wenn aber die Linke heute der Wirtschaftsförderung das Wort redet, muss man sich daran erinnern, was sie sonst so fordert: Forschungsmoratorien, Kriegsmaterialexportverbote, Verkehrs- und Transport-Einschränkungen, Gentechverbote, Reichtumssteuern und nicht zuletzt als grosses Ziel den Beitritt zur EU. Das alles wird Arbeitsplätze in der Schweiz, mithin also auch in der Region, kosten. Heute die Förderung des Wirtschaftsstandorts zu predigen, in der Realität aber ganz anders zu handeln, ist nicht sauber. Kindergartenmässig ist es, mit schwarzen Ballons am Pult im Parlament zu sitzen und zu polemisieren statt an Lösungen mitzuarbeiten.

Landratspräsident Hanspeter Frey (FDP) stellt fest, es sei eine gute Diskussion geführt worden, die bestimmt auch zum Nachdenken angeregt hat.

://: Damit ist die Interpellation 2010/090 beantwortet.

Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei

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