Clariant: Mit Blaulicht und Sirene gegen Unterschriftensammler (März09)
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Mit Blaulicht und Sirene fuhren am vergangenen Mittwoch fünf Polizeipatroullien beim Clariant-Werk in Muttenz vor. Es war kein Raubüberfall, es war kein "terroristischer Akt", der die Ordnungshüter auf den Plan gerufen hatte. Eine harmlose Unterschriftensammlung von Unia-Funktionären in der Werkskantine – gefordert wird Kurzarbeit statt Entlassungen - hatte genügt, damit der Clariant-Werksleiter Armin Meile die Polizei zu Hilfe rief. Es handle sich um einen „Rechtsmissbrauch“, den er nicht tolerieren könne, erklärte er gegenüber Telebasel - oder juristisch ausgedrückt um „Hausfriedensbruch“. Darin kommt ein Herr-im-Hause-Standpunkt zum Ausdruck, der Arbeitnehmervertretungen nur als Kopfnicker duldet. „Mit diesen Damen und Herren“ habe er jeden Monat Besprechungen, sie seien also „bestens informiert“ und man habe „bis jetzt einen guten Kontakt gehabt“, empört sich der Werksleiter, der an einen Patriarchen aus der Zeit der Industrialisierung erinnert.
Ausser Telebasel hat kaum eine Zeitung über die Polizeiaktion berichtet. Weit erstaunlicher ist allerdings, dass die Gewerkschaft Unia in ihrer Medienmitteilung über die Unterschriftensammlung bei Clariant den Polizeieinsatz mit keinem Wort erwähnt und daher auch nicht verurteilt. Damit gleicht die Unia jenem grossen Federvieh, das glaubt, sich vor dem Feind schützen zu können, indem es den Kopf in den Sand steckt. Ob es die offiziellen Gewerkschaften wahr haben wollen oder nicht: Der „Arbeitsfrieden“ ist vorbei! Es sind die Unternehmer, die den ArbeiterInnen den Krieg erklärt haben: Um effizienter zu werden, erklärte Werksdirektor Meile, müsse man versuchen, die gleiche Menge mit weniger Kosten zu produzieren. „Und zum Kostenfaktor gehört halt auch das Personal“, führte er weiter aus, weshalb dieses nun „leicht abgebaut werden“ müsse. Wahrscheinlich werde das aber nicht genügen, weshalb man auch noch Kurzarbeit machen müsse.
Die Botschaft ist klar: Profitmaximierung auf dem Buckel der Lohnabhängigen, und zwar ohne Widerrede! Und wer nicht hören will, muss fühlen! Sind die ArbeiterInnen nicht willig, so brauchen die Unternehmer Gewalt. Wenn Werksdirektor Meile bereits wegen einer bescheidenen Unterschriftensammlung die Polizei holt, was wird er erst tun, wenn die Belegschaft bei Clariant mit einem Streik versucht, die Entlassungen zu verhindern? Geübt hat die Baselbieter Polizei die gewaltsame Räumung von Streikposten bereits einmal vor fünf Jahren, beim Streik in der Reinacher Verpackungsfirma Allpack. Wer sich die damaligen Szenen noch einmal ansehen möchte, findet sie hier. Zusätzlich, wie sich das für die bürgerliche Klassenherrschaft gehört, doppelt auch noch die Justiz nach: Über zwanzig Streikende, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen werden vom 25.-27. März in Liestal vor Gericht stehen, angeklagt wegen „Nötigung“. Im Hintergrund lauert zudem eine Schadenersatzklage des Allpack-Besitzers in der Höhe von rund einer Million Franken.
Die Kriegserklärung der Unternehmer an die ArbeiterInnen lässt diesen grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder die bedingungslose Unterwerfung unter das Unternehmerdiktat mit allenfalls einem gelegentlichen Scheinkampf wie bei Borregaard, der sogleich in die Aufnahme von Sozialplanverhandlungen führt – oder der gemeinsame, entschlossene Widerstand. Dass Widerstand möglich ist und wie das geht, haben vor einem Jahr die Arbeiter der Officine von Bellinzona gezeigt. Es wird Zeit, nicht mehr länger den Kopf in den Sand zu stecken – und auch nicht, andern Sand in die Augen zu streuen! Nicht staatliche Konjunkturprogramme, auch keine Weiterbildungsoffensive, sondern nur der entschlossene und solidarische Kampf aller Ausgebeuteten kann verhindern, dass die Lohnabhängigen die Krise bezahlen müssen!
Bericht auf TELEBASEL, Stichwort: "Clariant", Beitrag "Gewerkschaftsaktion bei Clariant"