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Clariant: «Geschüttelt, nicht gerührt» (23.3.09)

erstellt von swiss zuletzt verändert: 18.02.2010 12:54
Bericht eines Gewerkschaftsaktivisten über eine Protesteaktion Ende März bei Clariant und Gedanken zum Arbeiterprotest in Frankreich.

Bericht hier gefunden.

 

"Mein Name ist Kottmann. Ich bin geschüttelt, nicht gerührt!" Mit einer Schaufensterpuppe und diesem umgehängten Schild haben am vergangenen Mittwoch etwa fünfzig gewerkschaftliche Vertrauensleute auf dem Werksgelände in Muttenz (BL) gegen die kaltschnäuzigen Abbaupläne des Chemiemultis Clariant protestiert. Dies als Antwort auf die Arroganz ihres obersten Bosses Hariolf Kottmann, der in einem Zeitungsinterview weitere Entlassungen angekündigt und erklärt hatte, es gehe darum, die Belegschaft zu "schütteln und aufzuwecken". Dies ist ihm nun zweifellos gelungen, allerdings in einer Art und Weise, wie er sich das vermutlich kaum vorgestellt hatte.

Im Februar hatten sich die gewerkschaftlichen AktivistInnen von der vom Direktor herbeigerufenen Polizei vertreiben lassen, als sie in der Werkskantine für eine gewiss bescheidene Forderung Unterschriften sammelten: Kurzarbeit statt Entlassungen. Mitte März haben dann rund sechzig ArbeiterInnen an einer Betriebsversammlung beschlossen, Clariant-Boss Kottmann die Stirn zu bieten und "gemeinsam gegen die Entlassungen" zu kämpfen. Als erste Kampfmassnahme folgte darauf die Protestaktion mit der Kottmann-Puppe. Gleichzeitig hat man symbolisch für die seit 2004 abgebauten Stellen 500 schwarze Ballone in den Himmel steigen lassen.

Was die ArbeiterInnen im nordfranzösischen Reifenwerk von Continental am liebsten mit ihren "Kottmännern" machen würden, haben sie anlässlich ihrer Protestaktion gegen die geplante Werksschliessung unmissverständlich gezeigt: Zuerst drangen sie in die Tagungsräume der Firmenleitung ein und bewarfen die Manager mit Eiern. Anschliessend liessen sie ihrer Wut freien Lauf. Symbolisch verpassten sie zwei Strohpuppen, welche die verhassten Direktoren darstellten, eine Tracht Prügel und hängten sie dann an der Dachrinne auf. Noch vor einem Jahr hatten die Beschäftigten einer Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn zugestimmt und damit dem Unternehmen 27 Mio. Euro Gewinn verschafft. Ein Arbeiter bringt es auf den Punkt: "Das heisst einfach mehr arbeiten, um schneller arbeitslos zu sein. Wir strengen uns an, aber die Früchte ernten wir nicht."

Nicht beim symbolischen Akt stehen geblieben waren die mehr als dreihundert ArbeiterInnen im französischen Sony-Werk bei Bordeaux. Als Antwort auf die angekündigte Betriebsschliessung hielten sie den Vorstandsvorsitzenden von Sony-Frankreich sowie den Personalchef eine Nacht lang fest und verbarrikadierten die Werkszufahrt mit Baumstämmen und Fässern. "Wir werden alle gefeuert. Wir wollen wenigstens mit Respekt behandelt werden." Mit diesen Worten erklärte ein Gewerkschaftsvertreter die ungewöhnliche Protestaktion gegen die Arroganz der Manager. Erst als am folgenden Tag Lokalpolitiker beschwichtigend auf die Arbeiter einwirkten und die Wiederaufnahme von Verhandlungen versprachen, wurden die Manager frei gelassen.

Es sieht ganz danach aus, als würden die Kottmänner, die Meyer (SBB), Marchionne (FIAT) und wie sie alle heissen, mit ihrer Kaltschnäuzigkeit, mit der sie mit einem Federstrich die wirtschaftliche Existenz unzähliger Familien zerstören, ungewollt etwas erreichen, das sie so wahrscheinlich nicht erwartet hätten: die Belegschaften schütteln und wachrütteln. Zuweilen bleibt es bei verbalen Protesten, teils kommt es zu spontanen Revolten, viel seltener leider zum organisierten Widerstand. Als die Arbeiter der SBB-Werkstätten von Bellinzona am 7. März 2008 den Firmenvertreter am Sprechen gehindert, ihn zum Teufel gejagt und mit dem unbefristeten Streik und der Besetzung des Betriebes den Schliessungsplänen des Managements den entschlossenen Kampf angesagt hatten, haben sie einen Weg zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze beschritten, der absolut vorbildlich ist.

Die Krise trifft die arbeitende Bevölkerung mit voller Wucht. Die vorausgesagten Arbeitslosenzahlen werden laufend nach oben korrigiert. Die Unternehmer versuchen, aus weniger Beschäftigten mehr Gewinn herauszupressen. Noch lassen sich die meisten Belegschaften wie brave Lämmer widerstandslos zur Schlachtbank führen. Doch die Anzeichen von Widerstand mehren sich, zwar noch vereinzelt, aber dennoch unmissverständlich. Möge sich der zynische Ausspruch des Clariant-Bosses Kottmann im umgekehrten Sinne bewahrheiten! Möge die Krise dazu führen, dass die Belegschaften geschüttelt und wachgerüttelt werden! Möge der globalisierte Angriff auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen dazu führen, dass diese sich in allen Ländern zusammenschliessen und organisieren! Damit sie auf diese Weise die erforderliche Kraft gewinnen, um die Unternehmer und Manager der globalisierten Ausbeutung ein für alle Mal zu verjagen, so wie die Arbeiter der Officina von Bellinzona am 7. März 2008 den SBB-Manager zum Teufel gejagt haben! Schaffen wir zwei, drei, viele Officine!

Videos zu den Arbeiterprotesten in Frankreich:

Eierwürfe bei Continental-Protesten in Frankreich (FAZ.NET, 17.03.09)

youtube-Video mit aufgehängten Managerpuppen

Aufgehängte Managerpuppen (Video nicht mehr verfügbar)

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