Redebeiträge am Internationalen Frauentag 2007
„Hartz IV und Armut“ war das Thema des ANA-Redebeitrages auf der Nürnberger DGB-Veranstaltung zum Internationalen Frauentag unter dem Motto: Armut ist weiblich
Hallo liebe Frauen und ich begrüße natürlich auch die hier anwesenden Männer ! Wir ergreifen hier als Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser ANA das Wort, um auf Armut und Hartz IV einzugehen, denn es betrifft uns alle, sowohl Erwerbslose als auch die (noch) Erwerbstätigen. Die ANA hat schon ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Bilanz gezogen: Hartz IV ist Verarmung nach dem Regelsatz. Dieser Regelsatz von 345,-€ für Alleinstehende liegt unterhalb der tatsächlichen Lebenshaltungskosten. Nur zwei Beispiele:
Wie sollen wir von pro Tag veranschlagten 34 Cent eine Tageszeitung kaufen? Für Cafe- und Kneipenbesuche sind ebenfalls 34 Cent täglich angesetzt, das ist ein Cappuccino in der Woche. Doch letztlich stehen auch diese Beträge nur auf dem Papier. Wenn unvorhergesehene Ausgaben anstehen, rutschen die Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen schnell ab in die Schuldenfalle. Miet- und Heizkosten können zum Problem werden. Liegt die Miete über der von der ARGE festgelegten Mietobergrenze, werden nur sechs Monate lang die tatsächlichen Mietkosten übernommen. Der Rest muss dann von dem 345,- Euro-Regelsatz beglichen werden. Alleinerziehende sind größtenteils Frauen. Sie sind nach einer Trennung oder Scheidung vom Partner die ökonomischen Verliererinnen. Bei einem Regelsatz von 207,- Euro für das Kind unter 14 Jahren müssen sie dann auch noch von ihrem Regelsatz draufzahlen. Nur ein Beispiel: Welches Spielzeug für veranschlagte 76 Cent pro Monat kann die Mutter für das Kind kaufen? Da kann ich nur sagen, ich zitiere: Am Ende des Geldes ist einfach noch zuviel Monat übrig!
**Als Sofortmaßnahme fordern wir**: Eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes und: Keine Anrechnung des Kindergeldes. Die tatsächlichen Mietkosten und die vollen Heizkosten müssen übernommen werden.
Für viele Menschen erscheint die Annahme eines 1-Euro-Jobs als Rettungsanker, um ein paar Euro im Monat mehr zu haben. Oft werden die Einsatzstellen von den Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen selbst gesucht. Sie müssen also nicht erst aktiviert werden, wie es das SGB II-Gesetz den Menschen unterstellt. Dennoch lehnen wir die 1-Euro-Jobs ab ! Wir von der ANA haben bereits vor 2 Jahren vorausgesehen, dass die 1-Euro-Jobs reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichten. Dies hat sich leider bewahrheitet. Es ist ein Skandal!
Erwerbslose Frauen arbeiten immer, genauso wie Dazu-Verdienerinnen und voll in der Erwerbsarbeit stehende Frauen. Sie verrichten auch im 21. Jahrhundert den Großteil der Hausarbeit! Das sind hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Kindererziehung, Beziehungsarbeit und die Pflege von Familienangehörigen. Das ist gesellschaftlich notwendige Arbeit, wird aber nicht bezahlt und auch nicht in vollem Umfang honoriert.
Hartz IV ist für Frauen ein Rückfall in das alte konservative Rollenbild. Frauen konnten früher mit Arbeitslosenhilfebezug auch mit ihrem Partner zusammenwohnen. Mit Hartz IV können Frauen nicht mehr selbstbestimmt entscheiden, welche Lebensform sie wählen. Entweder werden sie aus ökonomischen Gründen in die Ehe gedrängt, da sie in vielen Fällen keine Leistung mehr erhalten oder es erfolgt die Trennung vom Partner. Das typische alte Rollenbild wird wiederbelebt: Die Frau ist abhängig vom Ernährer.
Wir fordern deshalb: Das Partnereinkommen darf nicht angerechnet werden!
Nicht nur Frauen mit Arbeitslosengeld-II-Bezug sind von Armut bedroht. Auch bei erwerbstätigen Frauen steigt das **Armutsrisiko. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse** nahmen in den vergangenen Jahren enorm zu. Sie verdrängen zunehmend reguläre Arbeitsplätze und werden mehr und mehr zur Normalität. In ihnen arbeiten zum größten Teil Frauen. ---- Die Angst, erwerbslos zu werden, relativ schnell in Hartz IV zu fallen und damit zahlreichen Sanktionsdrohungen ausgesetzt zu sein, bestimmt den Alltag. Mit dem zu niedrigen Regelsatz, dem gesellschaftlichen Ausgegrenzt-sein und dem Ausgesetzt-sein der nie enden wollenden Hetz- und Diffamierungskampagnen von Politikern, Unternehmerverbänden und der Medienwelt sind nicht nur **erwerbstätige** Frauen – zudem erpressbar geworden. Ihnen werden Zuschläge gestrichen, die Arbeitszeit wurde und wird bei gleichbleibender Entlohnung erhöht. Und sie wissen: vor den Betrieben stehen wir, die Erwerbslosen, die auf dem Arbeitsmarkt Konkurrentinnen und Konkurrenten der ordentlichen, tariflich bezahlten Beschäftigten sind. Die (noch) Erwerbstätigen wissen: Wenn ich selbst arbeitslos werde, bin ich gezwungen, auch miese Jobs weit unter tariflicher Bezahlung anzunehmen. Hartz IV hat also System und ist auch so gewollt. Die Unternehmerverbände konnten damit bereits große Teile ihrer jahrelangen Forderungen bei der Politik durchsetzen. Wir wissen auch: Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit beginnt in den Betrieben. Und nicht zu vergessen: Niedrige Löhne haben auch Auswirkungen auf das Rentenniveau! Bekannt ist: Altersarmut ist weiblich! Davon werden mit fortlaufenden Lohnverschlechterungen auch immer mehr Männer betroffen sein.
Wir fordern: Existenzsichernde Einkommen und die Einführung eines Mindestlohns.
Hartz IV bedeutet ein Leben unterhalb des Existenzminimums. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist nicht mehr möglich. Erwerbslose geraten in die Lohndrückerrolle, indem sie gezwungen sind, zu jeder Bedingung jede Arbeit anzunehmen. Dies ist Ziel neoliberaler Politik: Die Absenkung der Kosten, hauptsächlich der Personalkosten ins Bodenlose zugunsten des Profits. Arm trotz Arbeit. Ein menschenwürdiges Leben spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Wir fordern deshalb: Hartz IV muss weg! Wir fordern stattdessen gute tariflich bezahlte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu guten Arbeitsbedingungen, von denen man /frau leben kann, und zwar für alle ! Für uns Frauen heißt Gleichberechtigung nicht, dass wir eine Gleichheit in der Ungleichheit wollen!
Das Motto hier und heute am Internationalen Frauentag „Armut ist weiblich“ trifft leider im 21. Jahrhundert immer noch zu.
**Zu kämpfen, gegen Armut und Ausgrenzung, gegen Sexismus und Ausbeutung, sich zu engagieren für ein menschenwürdiges Leben ohne Oben und Unten, lohnt sich! Deshalb müssen wir gemeinsam, mit allen, die es ernst meinen, >> noch stärker in Bewegung kommen und für unsere Rechte kämpfen, denn: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!“ In diesem Sinne: Hartz IV muss weg! Kämpft und streitet mit uns – Männer und Frauen! Nicht nur am Internationalen Frauentag.**
Zweite Rede zum Internationalen Frauentag (in Kooperation mit dem Verdi-Bezirkserwerbslosenausschuss)
In der Bundesrepublik führen wir zur Zeit eine Diskussion über die flächendeckende Einführung von Krippenplätzen. Diese sind dringend erforderlich. Wenn es aber nur um Krippenplätze geht, und wir die Diskussion nicht im Gesamtkonzept einer Bildungsoffensive sehen, ist das fatal. Die Wirkung frühkindlicher Förderung verpufft völlig wirkungslos, wenn die Förderung nicht weiter geführt wird. Und eigentlich führen wir eine Debatte über die Finanzierung. Jeder weiß, dass genügend Geld vorhanden ist. Aber alle haben Angst die entsprechenden Stellen anzuzapfen.
Mit der Einführung soll es Frauen besser möglich sein, in einem Beruf fuß zu fassen. Und damit wird es schizophren. Wir haben nämlich in Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit. Millionen Menschen haben seit Jahren keine Arbeit. Dabei sind Alleinerziehende besonders schlimm dran. Seit Jahren beziehen sie oft das Armutsendgeld nach dem SGBII, besser bekannt als Hartz IV. Das ist Armut per Gesetz.
*Diesen Frauen sollen nun also bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden??*
Wenn es Arbeitsplätze gibt, wie sehen diese aus? Frauen werden abgedrängt in Jobs mit prekärer Bezahlung. Ich werde 2 Beispiele nennen, bei denen die Bezahlung sittenwidrig ist, und sogar Lohnwucher ist.
Das Zauberwort für alle heißt Minijob. Kein Weg führt daran vorbei, diese Kolleginnen – denn in aller Regel sind es Frauen – genauso zu bezahlen, wie jeden anderen auch im Betrieb. Weil das Teilzeitarbeitsplätze sind unterliegen sie genauso den Tarifen und Gesetzen wie alle anderen Jobs auch! Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Ich habe das für den Einzelhandel mal ausgerechnet. Das Ergebnis ist erschreckend. Dort sind mind. 700.000 sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsplätze in Minijobs umgewandelt worden. Bei einer Arbeitszeit von 65 Stdn. im Monat sind aber nicht 400,00€ zu zahlen sondern 875€. Es ist auch möglich das über die Arbeitszeit auszugleichen. Eine Minijobberin darf dann halt nur 30 Stdn. im Monat arbeiten. Die Bezahlung liegt damit 50% unter Tarif und liebe Kolleginnen und Kollegen das ist Lohnwucher. 500.000 Beschäftigte im Einzelhandel arbeiten soviel, dass man von deren zuviel geleisteter Arbeitszeit 175.000 sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs mit 100Stdn. im Monat einrichten kann.
In solche Arbeitsplätze werden Menschen durch die Arbeitsagentur getrieben. Und das SGBII bietet den Erwerbslosen keine Chance einen solchen Arbeitsplatz abzulehnen. Der §10 SGBII bietet dazu keine Möglichkeit mehr. Der Willkür von Arbeitgebern ist damit Tür und Tor geöffnet. Und diese nutzen es brutal aus.
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist überhaupt von einer Ausnutzung – nein besser Ausbeutung – geprägt. Mir liegt eine Anzeige eines Textilunternehmens vor nachdem eine Vollzeitverkäuferin für 7,75€ in der Stunde gesucht wird. Das Unternehmen zahlte kein Urlaubsgeld und keine Jahressonderzahlung. Das Jahresgehalt beträgt also in dem Geschäft 15.160€ der Tarif liegt bei 26.330€. Ein Unterschied von 11.170€. Das sind 42% unter Tarif. Das liebe Freunde ist sittenwidrig. Ein solches Verhalten erfährt nicht etwa Ächtung. Frau Wöhrl, die das zu verantworten hat, ist mittlerweile in die Regierung aufgestiegen, vielleicht ja gerade deshalb!!! Ich bin sicher, dass Frau Dagmar Wöhrl in ihrer Tätigkeit als Staatssekretärin das asoziale Verhalten, das Sie gegenüber ihren Angestellten an den Tag gelegt hat, in geeignete Gesetze führen wird, damit auch alle anderen Arbeitgeber, die sich in gleicher Weise asozial verhalten, profitieren.
*In solche Arbeitsplätze wird vermittelt. Damit fördert die Arbeitsagentur die Armut trotz Arbeit. Die Beschäftigte eines solchen Jobs ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Diese Entwicklung legalisiert die Ausbeutung. Und das muß gestoppt werden.*