Berlin - Die Chuzpe von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) überraschte sogar hartgesottene Profis des Berliner Politikbetriebs. Seinen Rücktritt hatten die Opposition und Unionspolitiker gefordert, weil er weitaus früher als zugegeben über die geplanten Börsenboni für die Bahnmanager Bescheid wusste. Vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags war er geladen worden, dort sollte er Rede und Antwort stehen - "wir haben viele Fragen", erklärte Ausschussmitglied Dirk Fischer (CDU) grimmig. Mittwochnachmittag verließ der Minister denn aber hoch erhobenen Hauptes die Runde: "Ich habe mich durchgesetzt. Es gibt keinen Sonderbonus", sagte er.
Gerade noch sah es so aus, als müsste Tiefensee wegen der Bonusaffäre den Hut nehmen, nun aber sieht sich der Minister "gestärkt", "mit Rückenwind", und als sei das nicht genug, sprach er seinen Kontrahenten, Bahnchef Hartmut Mehdorn und dem Aufsichtratsvorsitzenden Werner Müller, generös das Vertrauen aus. "Alle Fragen sind an dem Minister abgeperlt. Und obwohl die Unterstützung als halbherzig ausfiel, wollten die Parteien der großen Koalition ihren Minister letztlich nicht opfern", sagt Winfried Hermann, Verkehrsexperte der Grünen.
Tiefensee bleibt, weil ihn die Kabinettskollegen in letzter Sekunde gestützt haben. "Geschmacklos" nannte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf einmal die Boni, die sein Sprecher am Vortag noch "nicht kritikwürdig" genannt hatte. Die Börsen-Prämien für den Bahnvorstand seien vom Tisch, ergänzte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und nannte den wahren Grund für die Meinungsänderung: Derzeit sei das Thema ohne Bedeutung, weil der Börsengang aufgeschoben ist, sagte er.
Wegen der Finanzkrise hat die Bundesregierung die Teilprivatisierung der Bahn für diese Legislaturperiode abgeblasen. Wie Steinbrück sagte, sei ein Börsengang in diesem derart ungünstigen Marktumfeld "nicht verantwortbar". Einen neuen Zeitpunkt für eine Privatisierung nannte Steinbrück nicht. "Wir legen uns nicht fest." Die Gespräche mit potenziellen Investoren sollen aber weiter laufen, man werde "sofort den Schalter umlegen, wenn sich die Umstände bessern".
Die Bedingungen, auf die sich die große Koalition für den Börsengang geeinigt hatte, bleiben nach Ansicht der Unionsfraktion auch unter einer neuen Regierung gültig. "Das Paket wird sicher nicht völlig neu geschnürt werden müssen. In entscheidenden Punkten waren sich die Koalitionsparteien auch mit der FDP und den Grünen einig", sagte der Vizechef der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich. Er schlug aber vor, in "einigen Punkten nachzujustieren". Es sei sinnvoll, die Personalunion im Vorstand von DB AG und der Bahntochter, die an die Börse soll, aufzuheben. Derzeit ist Hartmut Mehdorn Vorstandschef der Deutschen Bahn und der Tochter DB Mobility Logistics, die privatisiert werden soll.