Vertrauen kann man nicht anordnen
erstellt von dave
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zuletzt verändert:
25.08.2008 15:46
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"Dazu muss dieser (der BR) aber an der Seite der Mitarbeiter stehen (diese Einschätzung kann nicht angeordnet werden, sie wird im Kopf des Ratsuchenden gefällt!)... Der Mitarbeiter, der seinen Arbeitsplatz verteidigt, tut nichts Ungesetzliches, er verteidigt nur die Einhaltung eines Vertrags."
Mit diesen Worten hat unser ehemaliger BR-Vorsitzender Heribert Fieber Stellung bezogen zu dem IG Metall Artikel im Siemens Dialog "Deutlich besser als das letzte Mal". Und mir spricht er aus dem Herzen.
http://dialog.igmetall.de/Forum.46.0.html?&cat;_uid=2&conf;_uid=1&thread;_uid=71&view;=single_thread
Und Fredericke, die auch hier im Forum viel mit diskutiert hat darauf geantwortet:
"Lieber Heribert Fieber,
dein Beitrag spricht mir voll aus dem Herzen. Du hast zutiefst verstanden, wozu
wir Gewerkschafter da sind und was unsere Verantwortung ist.
An die Anderen: an ihm kann man sich vorberhaltlos orientieren - sowohl was den
Stil der Auseinandersetzung betrifft, als auch den klaren Standpunkt den er
einnimmt.
Und so gibt es eben doch Vorbilder, Leute die nicht versuchen, uns mit mit
Engelszungen dazu zu bewegen, das kleinere Übel zu fressen, sondern uns im Kampf
um unsere Interessen bestärken.
Danke Heribert!"
Besser kann man es nicht sagen. Danke Fredericke!
Ergänzende Erläuterung von Heribert Fieber im Siemens-Dialog, die sein Statement nicht verstanden haben oder verstehen wollen:
[em]"Bei beiden (Anm: IGM und BR) sollten die MitarbeiterInnen den höchsten Schutzanspruch haben. Denn es geht bei den ArbeitnehmerInnen in aller Regel um die Existenz, bei der Siemens AG dagegen um eine Gewinn steigernde Restrukturierung! Und ich bleibe dabei, wenn in einer IG Metall-Veröffentlichung der Verlust von 700 Arbeitsplätzen bei einer milliardenschweren Siemens AG hingenommen wird, statt ihn als "Skandal" zu thematisieren, dann sollte zumindest auch auf das Wort "ideal" verzichtet werden. ... Nein, auch bei der Umsetzung einer guten Regelung muss der Betriebsrat die Belegschaft dabei unterstützen, ihren Arbeitsvertrag (die Existenzgrundlage) zu erhalten (und die Regelung zeigt auch Alternativen zum Arbeitplatzverlust auf). Die Drohung mit den evtl. folgenden Kündigungen bei Nichterreichen der Abbauzahl kann man dem Arbeitgeber überlassen."[/em]
IG Metall und BR (nicht nur BR Mch H) sollten über diese Worte nachdenken und an ihrem Handeln und ihrer inneren Haltung reflektieren. Das Statement von Heribert Fieber fordert zu einer klaren Positionierung der Gewerkschafter auf. Man kann es nämlich nicht beiden Seiten recht machen. Siemens zufrieden zu stellen bedeutet, die Mitarbeiter Stück für Stück zu verkaufen. Siemens gleicht einem kleinen Kind, das mehr und mehr haben möchte, wenn man ihm keine Grenzen, keinen Widerstand zeigt. Wie der stellvertretende BR-Vorsitzende in Mch H auf der letzten Betriebsversammlung richtig sagte, ist der Wunsch von Siemens, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, auf den erfolgreichen Arbeitskampf in den letzten beiden Jahren zurück zu führen, den die Belegschaft, insbesondere NCI, zusammen mit dem BR und der IG Metall geführt hat.
Nun aber hat man unter dem neuen BR Vorsitz von Stella Heuss Abstand von diesem erfolgreichen Kurs genommen. Man hat die eindeutige Position: "Gewerkschaft und BR sind für und ausschließlich für die Arbeitnehmer da." verlassen und die Position eingenommen: "Wir fühlen uns auch für die Zielerreichung der Siemens AG, die Gewinnmaximierung um jeden Preis ist, verantwortlich". Die neue Position ist vergleichbar mit einem Anwalt, der beide Parteien (deren Interessenlagen unvereinbar sind) zugleich verteidigen möchte. Nicht umsonst verbietet unser deutsches Recht diese Form der Vertretung. Der Anwalt muss sich entscheiden, welche Seite er vertritt. Eine Gewerkschaft und ein BR muss sich auch entscheiden und sie sollten sich bereits für die Arbeitnehmerseite entschieden haben. Sonst nämlich wäre es besser und ehrlicher, eine Wechsel in das Management vorzunehmen.
Die klare Haltung pro Arbeitnehmer, dass Ziel ihre Rechte zu verteidigen (und sie in diese Verteidigung mit einzubeziehen) bedeutet zwangsläufig Ärger mit Siemens zu bekommen. Denn Siemens wird einen solchen BR bekämpfen, damit der folgende handsam wird, und mehr Verständnis für die Gewinnmaximierungssorgen der Siemens AG aufbringt als für die existenziellen Sorgen der Arbeitnehmer. Siemens wird mit allen möglichen Dingen drohen, Drohpositionen aufbauen, um ihrem Ziel den BR zu ihrem Erfüllungsgehilfen zu machen, näher zu kommen.
Daher ist es für einen BR und auch für die IG Metall natürlich anstrengender, eine klare Position einzunehmen. Man kann sich nicht mehr gemütlich zurück lehnen und nach 4 Tagen Verhandlungen sagen, es ist es geschafft. Man kann nicht in einen Alltag zurückkehren, der durch Einzelgespräche bestimmt ist. Man kann nicht seinen Job als BR oder IGM Funktionär machen, wie ein Bäcker Semmeln verkauft, sondern man muss gewerkschaftliche Arbeit zu seiner Sache machen.
Nur, wenn man gewerkschaftliche Arbeit als gesellschaftliche Aufgabe begreift, und sie ähnlich ernst nimmt, wie der Unternehmer seinen Unternehmenserfolg, dann wird man in der Auseinandersetzung mit Siemens auch standhaft bleiben können und sich nicht einschüchtern lassen.
Für einen Schmusekurs mit dem Arbeitgeber, der bemüht ist, gute Konditionen für den Stellenabbau auszuhandeln, diesen selbst aber als unvermeidlich hinnimmt, braucht man keine Gewerkschaft.
Die Kraft der Gewerkschaft (so sie lebendig wäre) liegt gerade darin, dass sie ein gesellschaftliches Gegenstück zu den Unternehmen bildet (bilden sollte). Dieses Gegenstück ist notwendig, um zu verhindern, dass 2% (Großkonzerne) 80% (abhängig Beschäftigte) ausbeuten und ausbluten lassen, nur um ihren eigenen Gewinn zu erhöhen. Gewerkschaften sind dazu da, einen (übrigens im Grundgesetz verankerten) Schutzraum für Arbeitnehmer zu schaffen, in dem sie ihr Recht auf Existenz und darüberhinaus auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit verteidigen können. Eine Gesellschaft, in der mehr und mehr die bloße Existenzsicherung in den Mittelpunkt rückt, wird über kurz oder lang Schaden leiden. Die Geschichte zeigt, dass diese 80% irgend wann diese Ausbeutung nicht mehr hinnehmen werden (vgl. Französische Revolution). Gewerkschaften haben also gesellschaftliche Verantwortung und sollten diese wieder wahrnehmen, anstatt sich in verkrustete Strukturen zurückzuziehen und zu überlegen, wie man am besten Ärger mit Siemens vermeidet.
Diese gesellschaftliche Verantwortung beginnt mit einer klaren Haltung im Betrieb, in Mch H. Es ist gesellschaftlich nämlich nicht egal (und für den einzelnen Arbeitnehmer erst recht nicht), wenn die Belegschaft Mensch für Mensch reduziert und in die Arbeitslosigkeit entlassen wird. Der Idealfall ist also nicht, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, sondern die Existenz der Menschen zu erhalten, sich gegen Stellenabbau bei gewinnträchtigen Unternehmen wie Siemens zu stellen und dies mit allen legalen Mitteln einzufordern. Damit würde die Gewerkschaft, der BR die gesellschaftliche Verantwortung der Siemens AG, die sie in ihren eigenen Leitlinien als notwendig erklärt, einfordern.
Ich wünsche mir
- ein klares Statement des BR Mch H.
- dass er begreift, dass es nichts hilft, wenn er weiß, dass er auf unserer Seite steht; er muss es uns sagen und danach handeln, damit wir das auch wissen.
- dass er begreift, dass genügend Menschen da sind, die ihn im Kampf um unsere Arbeitsplätze unterstützen würden
- dass er begreift, dass wir ihm nichts wegnehmen wollen
- dass wir vom NCI mit ihm zusammen und nicht gegen ihn arbeiten wollen.
- dass er zu dem Mut zurück findet, den er einmal hatte, dass er Selbstbewusstsein zeigt.
Hört endlich auf zu schweigen! Es hat mich enttäuscht, dass nicht ein einziger BR erkennbar Stellung bezogen hat zu den Worten von Heribert Fieber. Denkt über die Worte Eures ehemaligen BR Vorsitzenden wenigstens mal nach! Ich finde, das seid Ihr ihm und uns schuldig!
Vertrauen kann man nicht anordnen!
Der "enttäuschte Mitarbeiter" beklagt zu Recht, dass "nicht ein einziger BR erkennbar
Stellung bezogen hat zu den Worten von Heribert Fieber". Allerdings ist zu bedenken,
dass es viele Foren gibt, in denen darüber Meinungen ausgetauscht wurden,
man kann ja nicht immer auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen.
Ich stimme Heribert zu 100% zu (ich bin übrigens NCI-Betriebsrat in Mch-H),
und habe das auch schon in unserem letzten NCI-BR-Newsletter wie folgt formuliert:
Ein Wort des Dankes an Heribert
Ich kann mich dem Leserbrief von Heribert Fieber zum aktuellen Personalabbau
und der Positionierung von Gewerkschaft und Betriebsrat nur anschließen:
Danke für die klaren Worte!
Wie Ihr wisst, bin ich Metaller, Betriebsrat und NCI’ler zugleich
(mitunter ein netter Spagat),
und Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich mich als Betriebsrat
im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten, etwa bei den Beratungsgesprächen,
auch danach positioniere und verhalten werde.
Es war das Verständnis eines Heribert Fieber von BR-Arbeit, das mich damals
dazu motivierte Betriebsrat werden zu wollen, und sowas prägt…
Ich stelle fest, dass es immer wichtiger wird, dass wir eine eigene unabhängige
BR-Liste des NCI haben und auch beibehalten, denn der Kurs,
das Werte-Bild von IGM-Liste und NCI-Liste hat sich seit der Wahl leider deutlich
auseinander bewegt.
Auf Basis von Ploneboard