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Fragen aus der Belegschaft zur BV

erstellt von dave — zuletzt verändert: 25.08.2008 15:46
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Fragen aus der Belegschaft zur BV

Abgeschickt von dave am 13.Mai 2005 16:56
Von Kollegen wurden an NCI bzgl. unseres Antrags gegen Auswahlrichtlinien folgende Fragen gestellt. Wir legen Wert darauf, unsere Antworten mittels der Angabe der Gesetzesstellen und einschlägigen Kommentaren zum Arbeitsrecht nachprüfbar zu machen: 1. Frage: „Auf der Betriebsversammlung wurde gesagt, dass Punkt 1 eures Antrags juristisch überflüssig ist, weil in der Einigungsstelle nur Bedingungen für Kündigungen definiert werden. Dies seien aber keine Auswahlrichtlinien. Daher könne die Einigungsstelle keine beschließen. Da ich gerne beide Seiten höre, und die ganze Vorstellung etwas merkwürdig fand, bitte ich um Stellungnahme.“. (Punkt 1 des Antrags lautet: „Der Betriebsrat ist nicht mit der Vereinbarung von Namenslisten und Sozialauswahlkriterien im Interessenausgleich einverstanden.“) Antwort: In der Einigungsstelle können sehr wohl Auswahlrichtlinien im Rahmen des Interessenausgleichs verhandelt werden, denn „Bedingungen für betriebsbedingte Kündigungen festzulegen“ bedeutet die Art und Weise festzulegen, wie gekündigt werden soll. Das aber können nur Auswahlrichtlinien (oder als Spezialfall davon Namenslisten) sein. Die Abfindungshöhen sind Teil des Sozialplans. Das sieht auch die BRV von Mch P so, wie aus ihrer Aussage: „... dass im Falle der Nichterreichung der geplanten Abbauzahlen über die Freiwilligenaktion eine unabhängige Stelle die im Zusammenhang mit Sozialauswahl notwendige Kriterien erarbeitet und festlegt." hervorgeht. Damit ist es rechtlich möglich, dass in der Einigungsstelle Auswahlrichtlinien zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart werden. Deshalb ist Punkt 1 unseres Antrags juristisch nicht überflüssig. 2. Frage: Imperatives Mandat „BV von heute: Wieso gibt es kein imperatives Mandat für eine BRV. Ich denke der BR muss als Gremium alles bestimmen, dann muss der BR sie doch rechtlich binden können und das ist ein imperatives Mandat. Wie seht ihr das?“ Antwort: Der Verhandlungsspielraum einer Betriebsratsvorsitzenden oder Verhandlungskommission kann sehr wohl vom Betriebsrat festgelegt werden, wie aus dem Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht eindeutig hervorgeht: „Der BR kann dem Vorsitzenden oder einer Kommission im Übrigen einen Verhandlungsspielraum einräumen oder diesen durch Alternativ- oder Grundsatzbeschlüsse von vornherein beschränken. Die Letztentscheidungsbefugnis muss allerdings beim BR selbst liegen. Er kann dem Vorsitzenden für ein Einigungsstellenverfahren eine „Linie“ vorgeben, mit der er auch ohne erneuten Beschluss zur Unterzeichnung der dort verhandelten BV bevollmächtigt ist (BAG 24. 2. 2000 AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 7)“. (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5.Aufl. 2005, Autor:Eisemann, BetrVG §26 Vorsitzender, RN. 4) Damit ist diese Aussage eindeutig widerlegt. 3. Frage: Freiwilliges Einigungsstellenverfahren „In der Betriebsversammlung wurde gesagt, dass es ein Unterwerfen (worunter?) nicht geben kann, da es sich bei Auswahlrichtlinien nach §95 BetrVG nicht um ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren handelt. Was ist eigentlich ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren?“ Antwort: Laut BAG Rechtssprechung zählen Auswahlrichtlinien und Namenslisten zum Interessenausgleich und nicht zum Sozialplan (zu diesem gehört finanzielle Nachteilsausgleich wie bspw. Abfindungen). Im Falle einer Betriebsänderung gemäß §111 BetrVG beim Personalabbau Com FN vorliegt, verdrängt der §112 BetrVG als speziellere Norm die allgemeinere Norm des §95 BetrVG über Auswahlrichtlinien („lex specialis derogat legi generalii“). Beim Einigungsstellenverfahren bzgl. des Interessenausgleiches handelt es sich also sehr wohl um ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren. In einer E-Mail vom 26.04.05 von einem BR an unseren NCI-BR wird dies durch RA Apitzsch, den Top-Anwalt des BR, bestätigt: „RA A. bestätigt, ... keine Auswahlrichtlinien nach §95. Das sei ein anderer, Fall als eine Betriebsänderung nach §112.“. Beim freiwilligen Einigungsstellenverfahren wird zunächst versucht, eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat herbeizuführen. Wenn diese nicht gelingt, fällt die Einigungsstelle einen Spruch, der aber die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht ersetzt, außer der BR hat sich im Voraus diesem Spruch unterworfen oder er stimmt ihm nachträglich zu (§76 Abs.6 S.2 BetrVG). Es gibt also die Möglichkeit der freiwilligen Unterwerfung in einer Einigungsstelle zu einem Interessenausgleich. Daher ist Punkt 2 unseres Antrags nicht unsinnig. 4. Frage „Können die Verhandlungsführer denn etwas verhandeln was der BR nicht will? Ich stelle mir das so vor. Mit der Bankvollmacht meiner pflegebedürftigen Mutter könnte ich ihr ganzes Geld verprassen (was ich natürlich nicht tue). Wie ist es im Fall der Einigungsstelle?“ Antwort: Der BR Mch H hat am 9.2.05 die Betriebsratsvorsitzende (BRV) und den stellvertretenden BR-Vorsitzenden mit den Verhandlungen auch in der Einigungsstelle beauftragt. Die Verhandlungsvollmacht wurde dabei nicht beschränkt. Kommt es daher zu einer Einigung in der Einigungsstelle zwischen den Verhandlungsführern und dem Arbeitgeber, dann ist diese Einigung nach den Regeln über Vertretung und Vollmacht (§§164 ff. BGB) sowie nach §26 Abs.2 S.1 BetrVG wirksam - ohne BR-Zustimmung. Die BRV kann sich auch im Voraus dem Schiedsspruch der Einigungsstelle unterwerfen (dazu ist sie ermächtigt). Dann kann der vorsitzende Richter der Einigungsstelle auch für den Interessenausgleich einen gültigen Schiedsspruch fällen. Dieser ist ohne Zustimmung des BR wirksam. Umfasst der Schiedsspruch Auswahlrichtlinien, dann gelten diese. Hätte der BR aber im Voraus einen Beschluss nach §33 BetrVG gefasst, der den Abschluss von Auswahlrichtlinien ausschließt, dann würden Auswahlrichtlinien nicht in den Verhandlungsspielraum der Einigungsstelle fallen. Ein Schiedsspruch könnte diese also gar nicht umfassen. Ansonsten wäre er anfechtbar gemäß §76 Abs.5 S.4 BetrVG. Wenn sich die BRV nicht im Voraus dem Schiedsspruch der Einigungsstelle unterwirft, kann der vorsitzende Richter einen Spruch fällen (§76 Abs. 6 BetrVG). Dieser ist nur dann wirksam, wenn er nachträglich genehmigt wird. Auch diese Genehmigung kann von der BRV gegeben werden, weil sie dazu bevollmächtigt ist. Auch dann wird der BR nicht gefragt. Sie kann natürlich sagen: „Da muss ich meinen BR fragen“, aber sie muss nicht. Es gibt also keinen einzigen Punkt, in dem der BR zustimmen muss. Die BRV kann alles alleine bestimmen, es sei denn, der BR fasst im Voraus einen Beschluss nach §33 BetrVG gegen Auswahlrichtlinien. Damit war unser Antrag gerechtfertigt.
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