Innovationen - Alternativen zu Stellenabbau
erstellt von dave
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zuletzt verändert:
25.08.2008 15:46
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[quoteC format="text/plain"]Head Count Reduction ist und bleibt der innovativste Vorschlag. Ein anderer waere vielleicht, den problembehafteten Standort Muenchen ganz dicht zu machen und das Unternehmen am besten von den USA aus zu fuehren. Spitzenmanager kommen aus den USA bzw. sind Kollegen mit USA Erfahrung. Man wuerde sich durch eine Verlagerung der Konzernzentrale in die USA Versetzungskosten sparen.[/quote]
DC es bleibt platt. Innovation bedeutet die Entwicklung neuer Ideen, Prozesse, Techniken und Produkte. Wenn also der innovativste Vorschlag eines Manager Stellenabbau oder Standortschließung oder der Verlagerung des Firmensitzes ist, sollte man ihn auf der Stelle entlassen, denn er wird seiner Aufgabe, Innovationen zu fördern und zu bringen, nicht gerecht.
Ich gebe dir mal einen Denkanstoß: Die Konjunkturtheorie von Schumpeter (die übrigens eine von vielen ist), die auf die Durchsetzung des technischen Fortschritts abstellt, und daher deiner Denkweise entgegen kommt, unterscheidet zwischen Inventionen (das sind die eigentlichen Erfindungen und Entdeckungen) und Innovationen (das ist die kommerzielle Verwertung der Erfindungen und Entdeckungen). Während nach der Theorie die Inventionen recht gleichmäßig erfolgen (das setzt natürlich ein Klima voraus, in dem Inventionen erfolgen können) vollziehen sich Innovationen in zyklischen Schwankungen. Dabei erfolgt der Anstoß für Innovationen durch den sog. Pioneerunternehmer. Hat der Pioneerunternehmer mit seinem Vorstoß Erfolg, so zieht dies - freiwillig oder durch den Wettbewerb erzwungen - andere Unternehmen nach sich, die als Imitatoren oder Nachahmer bezeichnet werden. Es kommt zu einer verstärkten Investitionstätigkeit, die über den Multiplikatorprozess einen Aufschwung bewirkt. Irgend wann jedoch nimmt die Kraft der Innovation ab, es kommt zu Sättigungserscheinungen, die Investitionstätigkeit erlahmt solange bis durch eine neue Innovation der Anstoß für einen eneuten Aufschwung erfolgt.
Was lehrt uns das? Eine Firma, die als Pioneerunternehmer auftritt, wird zum Motor und zur No.1. Pioneerunternehmer wird man aber nicht dadurch, dass man den Wunsch äußert und Hochglanzbrochuren verfasst, sondern dadurch dass man ein Klima für Inventionen und Innovationen schafft.
Demotivation der Mitarbeiter durch permanente Arbeitsplatzvernichtung und Lohnsenkung ist mit Sicherheit nicht geeigenet die Kreativität der Mitarbeiter anzuregen. Inventionen, also Erfindungen zu machen, setzt nämlich die Freiheit des Geistes voraus. Jemand, der sich ständig sorgen muss, ob er morgen noch seinen Arbeitsplatz hat, ist nicht frei. Seine Kräfte sind gebunden. Dies gehört zu dem weiten Feld der Mitarbeitermotivation.
Darüber hinaus werfen Erfindungen keine kurzfristigen (Shareholder) Profit ab, sondern dienen der langfristigen Sicherung dieses Profits. Auch Innovationen tragen sich mittelfristig. Siemens könnte nun, statt Mitarbeiter zu entlassen und damit einen kurzfristigen, schnell verpuffenden Börsengewinn zu erzielen, diese Mitarbeiter für die Innovationssicherung, die nicht dem Shareholdervalue unterliegt, einsetzen. Insbesondere in Flauten, wäre die Förderung dieser Elemente eines Konjukturzyklus die einzig richtige Reaktion. Und eine reiche Firma wie Siemens hätte sich das leisten können. Das Geld, das Siemens in Stellenabbau investiert hat, in innovative Prozesse zu investieren, wäre viel förderlicher gewesen. Ein Beispiel für verherendes Management ist Mobile Phones. Innovationen gibt es dort schon lange nicht mehr. Man läuft dem Markt nach, macht hier was und dort was, ohne wirkliche Zielrichtung. Entscheidende Entwicklungen wurden buchstäblich verschlafen - trotz jugendlicher Mannschaft mit frischen Uni-Kenntnissen.
Siemens muss vom Imitator wieder zum Pioneerunternehmer werden. Denn der Zyklus ist nicht nur Produktherstellung - Gewinn, sondern Innovention (Erfindung) - Innovation (neue Idee) - Produktentwicklung - Produktherstellung - Gewinn. Gewinn wird grundsätzlich nicht durch die neuen innovativen Produkte gesichert, sondern durch die bereits entwickelten/hergestellten. Erst, wenn die neuen Produkte in den Produktherstellungsprozess eintreten sind sie für die Gewinnentwicklung verantwortlich. Klar ist, wenn bei denn Inventionen und Inovationen nichts nachkommt, ist die Firma mittelfristig tot, auch wenn die Mannschaft in Rekordzeit den Entwicklungs- und Produktionsprozess gestaltet. Auch ein Verlagern nach China würde diesen Tod nur hinauszögern, aber nicht verhindern. Das aber setzt ein Management voraus, dass weiß, wie man Innovationen fördert und Produkte entwickelt und ich bleibe dabei, das sehe ich nicht.
Stellenabbau ist also keineswegs die beste Innovation. Wie du am Erfolg der NCI-ler sehen kannst tragen diese eine große Innovationskraft in sich. Sie haben in kürzester Zeit auf einem völlig neuem Gebiet - dem Arbeitsrecht - Methoden und Organisationformen entwickelt, die ihr "Unternehmen", ihren Arbeitsplatz erhalten haben. Siemens sollte anstatt sinnlos gegen die eigenen Mitarbeiter anzurennen, diese offensichtliche Innvationskraft dieser Mitarbeiter aufgreifen und wieder für die eigenen Innovationen umsetzen. Das wäre eine echt innovative Entscheidung.
An diesem Ansatz sollte man weiter arbeiten, denn er versucht, die Fantasielosigkeit des Stellenabbaus zu durchbrechen.
Klar muss man sich darüber sein, dass das zentrale wissenschaftstheoretische Problem der Wirtschaftswissenschaften ist, dass es kaum Gesetzmäßigkeiten gibt mit unbeschränkter empirischer Geltung. Insbesondere ist dies durch das menschliche Verhalten und durch die Komplexität der Zusammenhänge bedingt. Aus diesen Grunde arbeitet man in der Volkswirtschaft mit Modellen, die ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit sind. Dabei wird die Realität auf eine überschaubare Anzahl von Zusammenhängen zurückgeführt. Es werden Annahmen getroffen. Diese Annahmen werden als konstant angesehen (ceteris paribus-Klausel). Diese Klausel besagt, dass alle nicht näher betrachteten Einflussfaktoren als konstant angenommen werden. Problematisch ist die ceteris paribus-Bedingung immer dann, wenn die als konstant angenommenen Faktoren nicht näher bestimmt werden, denn dann entzieht sich das Modell möglicherweise gänzlich einer empirischen Überprüfung oder sein Informationsgehalt geht gegen null.
Leider wird dieser Modellcharakter in den Wirtschaftswissenschaften meist vergessen und die Modelle werden als absolute Wahrheiten angesehen und so gehandelt. Einem Wissenschaftler tut das in der Seele weh. Man reduziert zu gerne auf eine Handvoll Faktoren und stellt die daraus resultierenden Ergebnisse als Wahrheit hin. Die Folge Fantasielosigkeit und platte Statements, die mit Freude nachgeplappert werden. Deshalb finde ich den obigen Ansatz erfrischend. Es ist wirklich zu hinterfragen - warum ausgerechnet die Mitarbeiter, die Siemens los werden möchte eine solche innovative Kraft erzeugen, die das Unternehmen Siemens anscheinend nicht wecken und für sich nutzen konnte. Vielleicht birgt die Vernetzung des NCI und anderer bzw. die Theorie, die dieser zugrunde liegt, auch neue wirtschaftliche Arbeits-Modelle in sich. Man sollte es untersuchen!
Auf Basis von Ploneboard