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Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

erstellt von jackpeter — zuletzt verändert: 25.08.2008 16:03
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Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 13.Juni 2006 23:54
Hallo Heidi, hallo Friederike Heidi schrieb: „..ich denke ver.di und die IGM sind schon ein guter Anfang, wenn sie wirklich geschlossen auftreten. Noch einen zusätzlichen Dachverband brauchen wir meiner Meinung nach nicht unbedingt.“ Für mich sind ver.di und IGM eher ein schlechtes Ende. Aus zwei schon oben genannten Gründen: Machtmissbrauch der Funktionäre und das jahrzehntelange Co-Management (auf betrieblicher und politischer Ebene). Die beiden Gewerkschaften sind stark im Parlament vertreten und haben sogar Minister gestellt. Dabei haben sie die Deregulierung und Privatisierung, welche die Globalisierung antreibt, schlicht verschlafen. Einen Dachverband haben wir schon, das ist der DGB. Er könnte den politischen Druck ausüben aber nicht durch Mitmachen wie jetzt, sondern von der Straße her, wie in Frankreich oder Italien. Die Einzelgewerkschaften sollten sich wieder auf ihre Kernkompetenzen besinnen: die Durchsetzung der vielfältigen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Zum NCI habe ich in meiner Antwort an TheoRie Stellung bezogen. Mich würde auch Heidis und Friederikes Meinung zu der von mir vorgeschlagener basisdemokratischer Kontrolle interessieren („..Meiner Meinung nach ist es ein Prozess in drei Schritten: vollständige Information aller Mitglieder, offene Diskussion unter allen Mitgliedern (diese zwei Schritte können auch iterative ablaufen) und anschließenden verbindliche Abstimmung (verbindlich insbesondere für die Funktionäre)..“. Schöne Grüße INTR

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 13.Juni 2006 23:57
Hallo TheoRie, die IGM-Satzung findest Du z.B. hier: [url href="http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-0A342C90-A0DFC6EE/internet/style.xsl/view_4054.htm "]http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-0A342C90-A0DFC6EE/internet/style.xsl/view_4054.htm [/url] „...Bei einer Urabstimmung reichen bereits 25% Zustimmung damit es erst gar keinen Streik gibt. Später genügen wiederum bereits 25% Zustimmung damit ein Streik beendet wird. Wieso siehst Du INTR einen Hinweis auf eine verstärkte Kontrolle aufgrund dieser Satzung?“ Wie sieht es in der Praxis aus? Der Vorstand stellt eine Tarifforderung auf und motiviert über Wochen bis Monate z.B. durch Warnstreiks die Mitglieder. Danach wird verhandelt, der Streik beginnt, man bekommt etwa die Hälfte des Geforderten und ein paar Tage darauf gibt es eine Urabstimmung zum Beenden des Streiks. Die Mitglieder haben keine Zeit über den Inhalt des Vertrages zu diskutieren und sogar wenn fasst ¾ dagegen sind, gilt er als angenommen. Die Funktionäre brauchen sich nicht mal die Mühe zu machen, die Mitglieder zu Überzeugen, dass sie das Beste herausgeholt haben, weil eine Minderheit eben ausreicht. Schöne Grüße INTR PS. Die nächsten Tage bin ich im Urlaub und werde mir die Beiträge erst danach anschauen (hoffentlich kommen ich dann noch mit).

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 15.Juni 2006 00:02
[quote:Anonymous User format="text/plain"]Meiner Meinung nach ist es ein Prozess in drei Schritten: vollständige Information aller Mitglieder, offene Diskussion unter allen Mitgliedern (diese zwei Schritte können auch iterative ablaufen) und anschließenden verbindliche Abstimmung (verbindlich insbesondere für die Funktionäre)..“. [/quote] Der erste Schritt sollte heutzutage überhaupt kein Problem mehr sein. Man kann ohne weiteres alle Mitglieder umfassend informieren, z.B. mit einem regelmäßig erscheinenden Mitgliederjournal, dass allen per Post zugestellt wird. Oder auch mit einer Homepage im Internet, mit E-Mails oder Briefen. Die Information ist heute erheblich einfacher als früher. Allerdings dürfte der zweite Schritt bei den großen Gewerkschaften zum Problem werden: Eine offene Diskussion unter ALLEN Mitgliedern ist in der Praxis kaum realisierbar. Es ist praktisch unmöglich, dass wirklich jeder zu Wort kommt, der etwas beizutragen hat. Da hilft eben nur eine Aufgliederung in kleinere Einheiten, z.B. Ortsverbände oder Betriebsgruppen. Dort kann in einem überschaubaren Rahmen eine offene Diskussion geführt werden. Aber dann kommt der nächste Schritt: Dann müssen Vertreter dieser Kleingruppen miteinander diskutieren und dabei nicht nur ihre persönliche Meinung, sondern die der gesamten Gruppe vertreten. D.h. sie müssen das Ergebnis der internen Diskussion ihrer Gruppe an die nächsthöhere Ebene weitergeben. Wenn dieser Schritt mehrmals wiederholt wird, weil es viele Oranisationsstufen gibt, dann kann schon einiges verloren gehen, was an der Basis herausgearbeitet wurde. Und es besteht natürlich die Gefahr, dass einzelne Vertreter mehr an ihrer eigenen Karriere innerhalb der Gewerkschaft interssiert sind als an den Mitgliedern ihrer Betriebsgruppe. Da sehe ich in der Tat ein Problem, das sich mit der ganzen modernen Technik nicht lösen lässt, denn es liegt in der menschlichen Natur begründet. Eine Abhilfe wäre, wenn keiner so einen Posten zu lange behält, also immer wieder ein anderer zum Vertreter der Gruppe erwählt wird. Ich finde es auch nicht gut, wenn ein einzelner allein die Interessen einer ganzen Gruppe beim nachsthöheren Gremium vertritt. Es sollten immer mindestens zwei sein, die sich gegenseitig unterstützen, aber auch kontrollieren. Der dritte Schritt ist auch problematisch, denn in der IGM oder bei ver.di werden kaum alle einzelnen Mitglieder an jeder Abstimmung teilnehmen können. Hier gilt im Prinzip dasselbe wie bei Schritt Zwei. Gruß, Heidi

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 15.Juni 2006 20:48
Rückmeldung zum Kurs „Von der Interessenvertretung zur Einheitsgewerkschaft“ (Teil 1) Liebe Forumsteilnehmer, liegt es einfach nur daran, dass dieses meine erste aktive Teilnahme im Forum des NCI ist, und ich die Vergrößerung des Informationsumfangs zu diesem Thema als sehr schnell empfinde, oder handelt es sich dabei sogar um Eure Durchschnittsgeschwindigkeit? Die Kombination aus großem persönlichen Erfahrungsreichtum, einer hohen Bereitschaft sowohl zum Gespräch als auch zum Zuhören und einem starken Willen zur aktiven Teilnahme an Veränderungen wird vermutlich maßgeblich dieses rasante Tempo bestimmen. Die hohe Fortschrittsgeschwindigkeit hat auch INTR erneut bestätigt, den vermutlich ebenfalls die schnelle Zunahme an der Fahrt des Themas „Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?“ überrascht hat. Für mich wird es ebenfalls schwierig werden, den für mich wichtigen Anschluss nicht zu verlieren, denn bereits nächste Woche muss ich erneut einen mehrtätigen Zwischenstopp in der informationstechnischen Isolierung einlegen. Wie bereits angedeutet, plane ich mittelfristig einen Neuanfang an der Basis, wobei ich an diese Aufgabenstellung diesmal nicht mehr so wie ein junger, unerfahrener Dackel herangehen darf, da ansonsten ein erneuter Misserfolg sehr wahrscheinlich wäre. Das vergangene Scheitern hatte seine Hauptursache in der menschlichen Natur, die plötzlich beim Übergang von der zweiten zur dritten Stufe durchgebrochen ist. Bezug nehmend auf den Beitrag von INTR zur „Basisdemokratischen Kontrolle“ (11.06.) hat Heidi hat in ihrem Beitrag vom 15.06. die einzelnen Schritte detailliert ausgeführt und ergänzt. Besonders Deine Aussagen zum Übergangsbereich zwischen den Stufen 2 und 3 Da sehe ich in der Tat ein Problem, das sich mit der ganzen modernen Technik nicht lösen lässt, denn es liegt in der menschlichen Natur begründet. Eine Abhilfe wäre, wenn keiner so einen Posten zu lange behält, also immer wieder ein anderer zum Vertreter der Gruppe erwählt wird. Ich finde es auch nicht gut, wenn ein einzelner allein die Interessen einer ganzen Gruppe beim nachsthöheren Gremium vertritt. Es sollten immer mindestens zwei sein, die sich gegenseitig unterstützen, aber auch kontrollieren. finde ich sehr interessant. Insgesamt liest sich Dein Beitrag sehr fließend und enthält dennoch zahlreiche Hinweise auf Stolpersteine, die häufig sogar zur Auflösung eine Gruppe und zum bisweilen schmerzhaften Tod einer Idee beziehungsweise Zielsetzung führen können. Der Unerfahrene wird beim Lesen vielleicht denken, dass es gerade im heutigen Zeitalter mit den neuen Kommunikationsmitteln nicht allzu schwer sei, den notwendigen Informationsaustausch sicherzustellen und damit auch eine ausreichende gegenseitige Kontrolle zu erreichen. Dass sehe ich aber fast völlig anders und werde mich davor hüten, meinen Blick hauptsächlich auf nachfolgende Ebenen und die damit verbundenen Aufgabenbereiche zu richten, bevor nicht die bisweilen mühselige Basisarbeit zufriedenstellend erbracht wurde. Zu zwei von uns häufig verwendeten Begriffen möchte ich einschiebend kurz etwas anmerken: Kontrolle: Für mich handelt es sich hierbei um einen eventuell missverständlichen Oberbegriff, welcher von mir in den beiden untersten Ebenen (Basis und Funktionsträger) positiv besetzt ist. Kontrolle ist für mich ein dynamischer Prozess der mit einem ganzen Sammelsurium von Begriffen wie Vertrauen, Offenheit, Kritikfähigkeit, Wissen, Mitarbeit, Menschlichkeit etc. verbunden ist. Ohne gegenseitige und auch ständig kontrollierter Kontrolle, die bei einem ausreichenden Vertrauen als angenehm empfunden wird, können die individuellen egoistischen menschlichen Ausprägungen den Zusammenhalt und den Erfolg der Gruppe in zu starkem Maße beeinträchtigen. Selbsthilfegruppe: Diesen Begriff finde ich auch in unserer Runde für eindeutig zu schwach besetzt. Die Selbsthilfegruppe als Zufluchtsort für körperlich, geistig und beruflich Hilfsbedürftige und ohne einen größeren Einflussbereich außerhalb der Gemeinschaft? Ich möchte eine bewusst eng begrenzte Betrachtung herausgreifen. Für mich ist eine Selbsthilfegruppe unter anderem ein Ort zum Auftanken von Energie, Wissen und Motivation, welche ich zur Aufgabenbewältigung auch fernab der Gruppe – zum Beispiel als Funktionär in einer mächtigen Interessenvertretung - benötige. Diese Regeneration funktioniert natürlich nur, solange ich den Kontakt und auch das Vertrauen der Selbsthilfegruppe besitze. Letzteres wird aber häufig versäumt und manch einer verleugnet später sogar seine „Herkunft“, weil sie der persönlichen Karriere plötzlich abträglich sein könnte. Für eine nur scheinbar fehlende Gestaltungskraft nach außen gibt es zwei Hauptgründe: 1) Äußerlich fehlender Bezug zur Selbsthilfegruppe 2) Unablässige Behinderung der Ausweitung von Selbsthilfegruppen durch die Allgemeinheit und die etablierten Interessenvertretungen Anmerkung zu 1): Welcher Machtträger würde sich beispielsweise offen zur Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe gegen Alkohol- oder Drogenmissbrauch bekennen? Zurück zu Heidis letztem Beitrag. … vollständige Information aller Mitglieder … Der erste Schritt sollte heutzutage überhaupt kein Problem mehr sein. Man kann ohne weiteres alle Mitglieder umfassend informieren, z.B. mit einem regelmäßig erscheinenden Mitgliederjournal, dass allen per Post zugestellt wird. Oder auch mit einer Homepage im Internet, mit E-Mails oder Briefen. Die Information ist heute erheblich einfacher als früher. Bereits beim Begriff „Information“ stoße ich scheinbar auf ein erstes großes Verständnisproblem. Bezogen auf eine Selbsthilfegruppe ordne ich den direkten und persönlichen Dialog ebenfalls unter den Begriff Information ein. Sollte es von Eurer Seite eine andere Zuordnung geben, dann bitte unbedingt melden, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Solltet Ihr anderer Meinung sein, dann fehlt mir eine Stufe oder zumindest ein wesentliche Voraussetzung für eine dauerhaft funktionierende basisdemokratische Kontrolle. Allein die unkommentierte oder unidirektionale Informationsweitergabe ist ungenügend, da eine Rückmeldung nicht abgefragt wird. Beginnendes Desinteresse oder zunehmende Unzufriedenheit von Mitgliedern können dadurch nicht rechtzeitig erkannt werden. Gegenseitiges Kennenlernen und Kontrollieren sind damit überhaupt nicht möglich. Mit einer pauschalen Weitergabe von Informationen verschlechtert man nicht allein das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand, sondern verschreckt mit der Informationsflut vielleicht sogar noch Mitglieder. Noch schwerwiegender ist aber, dass die Mitglieder in ein passives Verhalten geradezu gedrängt werden. Sie erhalten das Gefühl, sich nicht mehr selbst um Informationen kümmern zu müssen und geraten damit in eine verhängnisvolle Isolation. Information ist auch eine Holschuld und gerade eine Selbsthilfegruppe kann es sich vom Prinzip her nicht leisten, den Mitgliedern nachlaufen zu müssen. Die Gemeinschaft muss in ausreichendem Umfang wissen, wer zumindest geistig noch ein aktives Gruppenmitglied ist, damit einer schleichenden Auflösung von innen begegnet werden kann und man sich bei einer größeren Belastungsprobe nicht plötzlich in einem Trümmerfeld wiederfindet. Allgemeine Veröffentlichungen (Migliederjournal, Homepage) ohne zusätzlichen Informationsaustausch können außerdem ganz gezielt für die Bevormundung oder gar den Missbrauch einer Gruppe verwendet werden. Aus den an der Informationsweitergabe beteiligten Funktionsträgern können sich so ungewollt Funktionäre entwickeln. Der Verlust von Reaktionsschnelligkeit der Gruppe ist außerdem bei zeitkritischen Vorgängen wie Personalanpassungen und Standortfragen mitunter schwerwiegend. Allgemeine Veröffentlichungen müssen auch auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Zulässigkeit hin ausreichend überprüft sein. So wird man interessante Informationen aus dem Tätigkeitsbereich des Betriebsrats vergeblich suchen, da ansonsten mit dem (überwiegend fadenscheinigen) Hinweis auf das Betriebsverfassungsgesetz die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber (§ 2 (1) BetrVG) oder die Geheimhaltungspflicht (§ 79 BetrVG) gefährdet wäre. Betriebsräte wissen sehr genau, wie man sich erfolgreich gegen eine Kontrolle von der Basis schützen kann, und wie gar zu aktive einzelne Mitglieder spätestens mit Unterstützung des Arbeitgebers wieder ruhig stellen kann. Die allgemeinen Informationen sind also bezogen auf die Größe der Adressatenliste vielleicht umfangreich, aber sie sind mit Ausnahme organisatorischer Informationen, wie zum Beispiel des Veranstaltungskalenders, qualitativ höchstens für die passiven Mitglieder ausreichend.

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 15.Juni 2006 21:13
Rückmeldung zum Kurs „Von der Interessenvertretung zur Einheitsgewerkschaft“ (Teil 2) Ein offenes Internetforum wie das vom NCI halte ich für eine wirklich tolle und hilfreiche Plattform zum Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Informationen. Bereits das Mitlesen war für mich schon sehr interessant, wobei es weniger die Inhalte sind, die mich faszinieren, sondern das zwischen den Zeilen erkennbare Engagement und die umfangreiche (Lebens-)Erfahrung vieler VerfasserInnen. Die von einem selbst frei wählbare Zeit zum ungestörten Schreiben und wiederholten Lesen von Beiträgen ist besonders für einen Langsamschreiber, wie ich es bin, wirklich ideal. Unsere Selbsthilfegruppe im Betrieb hatte auch vom Beginn bis zum Auseinanderbrechen einen kontinuierlichen und umfangreichen privaten Austausch per eMail (nicht über das Firmennetzwerk wohlgemerkt!) aufrechterhalten, ohne den wir Vieles nicht erreicht hätten. Private Treffen konnten auf ein notwendiges Minimum reduziert werden, da sich diese aufgrund der räumliche Entfernung und der sehr unterschiedlichen Terminplanung nur schwer realisieren ließen. Zur Unterstützung bezüglich einer basisdemokratischen Kontrolle einer Selbsthilfegruppe bedarf es dann zusätzlich neben einem geschlossenen Forumsbereich und einer Bereitschaft zum Schreiben auch einem sehr großen Vertrauen zwischen den Forumsteilnehmern. Es besteht weder eine optische noch akustische Verbindung zwischen den Teilnehmern und somit sind bereits die eventuell auftretenden typischen äußeren Erkennungsmerkmale für den Fall von unaufrichtigem Verhalten nicht mehr erkennbar. In einer Runde aus Teilnehmern, die sich gegenseitig nicht kennen, ist es daher leicht möglich, dass man sich – vielleicht sogar ungewollt und unbewusst – deutlich anders verhält, als es den eigenen Wesenszügen überhaupt entsprechen würde. Die Erreichung eines ausreichenden Informationsaustauschs bezüglich einer Grundlage für eine basisdemokratische Kontrolle sehe ich trotz der erweiterten Möglichkeiten immer noch als ein großes und keineswegs gelöstes Problem an. Viele der Forumsbeiträge von Netzwerk IT belegen diesen Sachverhalt ganz deutlich. Aber ohne diesen ersten Schritt kann eine Vertretung zumindest als Bevormundung empfunden werden und die Mitglieder und Funktionäre machen sich gegenseitig begründete und unbegründete Vorwürfe. Wenn die Mehrheit der Mitglieder einer Vereinigung zwar brav ihren Beitrag zahlt, sich aber ansonsten passiv verhält, ist eine sinnvolle demokratische Interessenvertretung eigentlich auch nicht möglich. Die sich im zweiten Schritt anschließende Diskussion mit Teilnehmern, die ihrer Informationspflicht nicht ausreichend nachgekommen sind oder dieses gar tun konnten, stelle ich mir sehr schwierig vor, denn diesen fehlt ein ausreichendes Wissen, damit sie von ihren eigenen oberflächlichen Beiträgen, überhaupt selbst überzeugt sein könnten. Handelt es sich bei den Teilnehmern gar um Vertreter einer Gruppe, dann kommt ein mitunter beachtlicher Verstärkungsfaktor zum Tragen. Betriebsräte sind leider oft ein trauriges Beispiel für einen nicht der Aufgabe gerecht werdenden zweiten Schritt. Vielfach ist das Informationsdefizit der Mitglieder derart groß, dass nicht einmal eine Diskussion mehr möglich ist. Es ist naiv anzunehmen, dass fehlendes Wissen bereits durch einen gesunden Menschenverstand kompensiert werden könnte. Wer nicht einmal eine eigene Meinung hat, wird die von anderen ebenfalls nur sehr schwach vertreten können. Und bei den anderen Vertretern besteht das Risiko, dass sie eine abweichende Meinung der Mehrheit nicht akzeptieren und gar nicht oder nur ungenügend vertreten. Heidi hat für dieses Risiko bereits zwei Lösungsvorschläge angegeben: Da sehe ich in der Tat ein Problem, das sich mit der ganzen modernen Technik nicht lösen lässt, denn es liegt in der menschlichen Natur begründet. Eine Abhilfe wäre, wenn keiner so einen Posten zu lange behält, also immer wieder ein anderer zum Vertreter der Gruppe erwählt wird. Ich finde es auch nicht gut, wenn ein einzelner allein die Interessen einer ganzen Gruppe beim nachsthöheren Gremium vertritt. Es sollten immer mindestens zwei sein, die sich gegenseitig unterstützen, aber auch kontrollieren. Ein häufigerer Wechsel der Vertreter wird unter Berücksichtigung von teilweise langen Einarbeitungszeiten und auch aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen nur in wenigen Fällen möglich sein. So halte ich einen freiwilligen Rücktritt von Betriebsratsmitgliedern für absolut illusorisch. Das sogenannte Vier-Augen-Prinzip wird nicht ohne Grund auch in den Unternehmensleitungen zunehmend eingesetzt und ist auch in vielen anderen Bereichen oftmals unverzichtbar. In einem aus einer Listenwahl hervorgegangenen Betriebsrat kann es aber die Kompromissbereitschaft stark beieinträchtigen, da es die Diskussion von Einzelgruppen und nicht der einzelnen Mitglieder fördert. Damit siegt dann die stärkste Gruppe und man hat sich zugleich wieder vom geschlossenen Auftreten und dem Gedanken einer Einheitsgewerkschaft entfernt. Hierzu schrieb Heidi bereits am 05.06. : Schade nur, dass dieses Selbsthilfenetzwerk als Konkurrenz zur IGM angesehen wird. So etwas kann im Endeffekt nur schaden. Ich finde es ganz in Ordnung, wenn auch NCI eigene Kandidaten für den BR aufstellt. Warum nicht? Das ist wie in der Kommunalpolitik: Parteizugehörigkeit zählt da nicht so sehr, es geht mehr um die Persönlichkeit. Wenn die Zusammenarbeit in der Praxis funktioniert, spielt es keine Rolle, wieviele verschiedene Listen im BR vertreten sind. Unterschiedliche Meinungen wird es immer geben, die Frage ist, wie die einzelnen Mitglieder mit solchen Konflikten umgehen! Und das wiederum hängt nicht unbedingt von der Listenzugehörigkeit ab Mein Hauptaugenmerk befindet sich also immer noch an der Basis und es sind noch sooo viele Fragen für mich offen. Friederike schrieb (13.06.) : Deine Überlegung zur Kontrolle von unten ist völlig richtig. Wenn du Programm und Statut der MLPD kennen würdest würdest du genau das dort finden. Das Problem besteht darin, daß ich genau das dann auch eingefordert habe. Und es fand eben nichts davon statt. D.h. das Problem ist absolut nicht theoretisch - es ist eine reine Kräftefrage. Friederike, waren das ausschließlich Kräfte von oben oder auch aus den eigenen Reihen, die Deiner Forderung widersprochen haben? Es kann einem leicht passieren, dass man zwar die Funktionäre genauer kontrollieren möchte, deren Anhänger oder Anwärter für eine spätere Nachfolge dabei aber aus den Augen verliert. Bei Mehrheitsentscheidungen wird dann der tatsächliche Einfluss der Funktionäre einem so richtig erst bewusst. Bin zwar noch nicht fertig, aber jetzt erst einmal viele Grüße von daheim. TheoRie P.S.: Musste diesen Beitrag leider zerteilen, da er die zulässige Textgröße überschritten hat. Sollte wohl künftig versuchen, mich kürzer zu fassen.

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 15.Juni 2006 22:43
Lieber TheoRie, zu Deiner Frage an mich: Es waren in erster Linie die zentralen Kräfte von oben. 1. Der zentrale Leiter des Kontrollorgans. Da er ja gegenüber einer dummen Frau an der Basis nicht falsch liegen konnte, erhielt er die entsprechende Unterstützung des Parteivorsitzenden. Sozusagen der "klassische Fall". Das Kontrollorgan, das die Führung kontrollieren soll (gestützt auf die Basis) gerät angesichts von Kritik an der eigenen Arbeit in das Fahrwasser, vor allem seine "Autorität" verteidigen zu müssen. Der Parteivorsitzende eilt ihm zu Hilfe. Gemeinsam verstoßen sie dann gegen sämtliche Beschlüssse die die Basis auf ihrem 1. Parteitag gefaßt hat und die für alle Mitglieder samt Funktionäre verbindlich sind. Da das den Mitgliedern in einer Kampfsituation schlecht zu verkaufen ist, wird es verschwiegen. Gleichzeitig wird ein Beschluß herbeigeführt, der die Zeiträume zwischen den Parteitagen um ein Jahr verlängert - man braucht schließlich Zeit, bis die Mitglieder die Dinge nicht mehr nachvollziehen können. Dann wird, gezwungen durch die von mir herbeigeführte Öffentlichkeit, doch meine Eingabe an den Parteitag vorgelegt, mit 7 Jahren Verspätung. Gemäß dem Statut hätten sie das 1997 tun müssen. Getan haben sie das 2004, mit dem Ergebnis, daß die Delegierten es einstimmig korrekt fanden, was der Leiter der Kotrollkommission und der Parteivorsitzende gemacht haben. Womit die Delegierten dieses Parteitages einstimmig die Beschlüsse des 1. Parteitags der MLPD abgelehnt haben. Das nennt man Liquidatorentum. Es kommt von oben und stützt sich auf die Unwissenheit der Basis aber auch auf mangelnde Wachsamkeit. Deine Gedanken zur Frage der Kontrolle als positives Moment halte ich für entscheidend. Hier ist die Scheidelinie. Wer es ehrlich meint, wünscht sich die Kontrolle. Nicht als Mißtrauen, sondern eben als Alarmsignal. "Aufpassen! Nochmal nachdenken". Keinen Fehler zulassen!. Ich freue mich, daß du zurück bist. Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 16.Juni 2006 19:57
Liebe Friederike, liebe Heidi, selbstverständlich bin ich besonders froh, im Forum des NCI gerade zu Euch beiden zurückkehren zu können. Hinsichtlich dieser „Bevorzugung“ bin ich Euch noch eine Erklärung schuldig und möchte dazu kurz den Beginn meiner Beziehung zum NCI etwas näher beschreiben. Wann es genau gewesen ist, dass ich im Rahmen der Suche zu irgendwelchen Begriffen mittels Google erstmals auf der Homepage des NCI gelandet bin, weiß ich nicht mehr. Es dürfte wohl ungefähr drei Jahre zurücklegen. Das Forum befand sich zum damaligen Zeitpunkt noch auf einem Server der IGM. Nach dem Umzug zum Netzwerk IT sind leider nicht mehr alle Forumsbeiträge abrufbar, ansonsten wäre es für mich relativ einfach, meinen passiven Einstieg zurückzuverfolgen. Damals haben mich die Seiten des NCI sofort begeistert, denn ich fühlte mich umgehend als einfaches Individuum und nicht als Mitglied einer übergeordneten Gruppierung angesprochen. Neben den laufend aktualisierten und vorwiegend selbst recherchierten Berichten finde ich die wahrscheinlich in mühseliger Kleinarbeit und mit viel persönlichem Engagement erstellten Hintergrundinformationen und die wirklich nützlichen Ratgeber sehr toll. Etwas Vergleichbares, bei dem man außerdem so viel Menschlichkeit spürt, kenne ich im Bereich des Berufslebens nicht. Für einen auch an seinem Umfeld interessierten Mitarbeiter und für ein verantwortungsbewusst handelndes Betriebsratsmitglied sollten die Seiten des NCI eigentlich automatisch zur Standardlektüre gehören. Die Entstehungsgeschichte des NCI und sein natürlich stark regionaler Bezug geben dennoch auch völlig Fremden keinen Anlass für eine ablehnende Haltung. Die Forumsbeiträge waren damals noch zu einem großen Teil vom Stellenabbau am Standort Mch H geprägt und enthielten damit vielfach Spezifisches, welches ich auf meine Arbeitswelt nur in ganz geringem Umfang übertragen konnte. Aber dann habe ich einen längeren und sehr persönlichen Dialog sozusagen live verfolgen können, bei dem Ihr beiden Euch mit einem verzweifelten Mitarbeiter unterhalten habt. Dieser Austausch ist mir sehr tief unter die Haut gegangen und damit haben sich sogleich Eure Namen fest bei mir eingeprägt. Sofern es sich nicht gar um einen Anonymous User hielt, könnte mir sogar das Geschlecht Eures Gesprächspartners entfallen sein, aber mich hat auch wirklich die offene und von Emotionen beeinflusste Art des miteinander Redens beeindruckt, wobei das Geschlecht ohnehin nebensächlich wäre. Es sind mir noch andere Namen beziehungsweise Kürzel im Gedächtnis geblieben, aber es handelt sich dabei (merkwürdigerweise) natürlich ausschließlich um Frauen. Wir Männer geben uns auch weiterhin große Mühe dabei, dass die geschlechtsspezifischen geistigen Ausprägungen deutlich erkennbar bleiben. Eigentlich kenne ich noch das Kürzel eines langjährigen männlichen Forumsteilnehmers, aber es handelt sich dabei eher um einen störenden Besucher, der sich vermutlich im Forum geirrt hat. Für eine aktive Teilnahme am Forum hatte ich zum damaligen Zeitpunkt einfach keine Zeit mehr, da ich an einem kurzlebigen und oberflächlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausch überhaupt nicht interessiert gewesen bin. Außerdem bestand bereits ein zuweilen sehr zeitintensiver Schriftverkehr mit den Mitgliedern unserer kleinen Selbsthilfegruppe. Dieser privat geführte Informationsaustausch per eMail diente uns hauptsächlich zur Vorbereitung einzelner oder gemeinsamer Aktivitäten, dem genaueren Kennenlernen und der gegenseitigen Kontrolle, und dass, obwohl wir uns fast täglich auf der Arbeit begegnet sind und uns auch dort gesprochen haben! Miteinander telefoniert haben wir eigentlich nur in dringenden und zeitkritischen Notfällen. Die gegenseitige Kontrolle hat mich mehr als nur einmal vor Aktionen zurückgehalten, für deren konsequente Umsetzung ich vermutlich mit folgenschweren Reaktionen zu rechnen gehabt hätte. Wenn man von der Richtigkeit des eigenen Tuns zweifelsfrei überzeugt ist, und sich auch noch genügend Zeit für eine sehr sorgfältige Planung und Vorbereitung von entsprechenden Handlungen nehmen kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit eines auch für andere deutlich sichtbaren Volltreffers sehr groß. Dann können sich mächtige Funktionsträger sogar von einem Winzling in einem von ihnen nicht mehr tolerierten Maß bedroht fühlen. Auch andere, an die Du dabei nicht einmal im Traum gedacht hättest, bekommen plötzlich Angst vor Dir und schließen vorübergehende Bündnisse, mit dem Ziel, Dich möglichst schnell wieder unter Kontrolle zu bringen oder Dich von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Wenn Du ganz allein dastehst und eigentlich weglaufen möchtest, weil sich unter Dir der Abgrund zu öffnen scheint, dann hoffst Du höchstens noch, das alles nur ein Alptraum sein möge, und wartest vergeblich darauf, dass Du endlich wieder aufwachst. Wenn Du Dich dann umdrehst, siehst Du keinen einzigen der Belegschaft hinter Dir stehen. Du hast ganz offensichtlich versucht, lediglich Deine eigenen egoistischen Interessen durchzusetzen, und den Willen der Mehrheit dabei völlig ignoriert. So einfach ist das. Besitzt Du dann noch ein erweitertes Hintergrundwissen über betriebliche Abläufe, wie man es zum Beispiel auch von einem Betriebsratsmitglied erwarten kann, so verstärkt dieses den Schmerz und verlängert die Dauer der inneren Ohnmächtigkeit sogar noch zusätzlich. Auf diese Art von Erfahrungen kann und muss ich verzichten, denn ich trage auch Verantwortung für die eigene Familie und bin nicht nur mir selbst gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Seit dem Auseinanderbrechen unserer Selbsthilfegruppe existiert für mich nun aber keine Kontrolle mehr. Zunächst wollte ich für einen längeren Zeitraum einfach meine Ruhe haben und möglichst nur schweigen, wofür ich keine Kontrolle benötigt hätte. Ich schaffe es aber nicht mehr nur stillzuhalten; der Blick hinter die Kulissen hat einfach zu viele Eindrücke bei mir hinterlassen. Also habe ich am 1. Juni das Forum des NCI geöffnet und Euch beiden darin auch schnell gefunden. Ich muss zugeben, dass mich zu diesem Zeitpunkt die Thematik der großen Einheitsgewerkschaften nur sehr mäßig interessiert hat, da ich auf diesem Gebiet nur ein sehr dürftiges Wissen besaß und mit wirklichen Funktionären einer Gewerkschaft bislang auch überhaupt keine Kontakte hatte. Ich habe vor vier Jahren zunächst die Gewerkschaft für das Auftreten der Listenwahl mitverantwortlich gemacht – die tatsächlichen Ursachen haben sich mir erst viel später erschlossen. Bezogen auf unseren Betrieb ist für mich die Gewerkschaft eigentlich immer im Hintergrund geblieben. Der Einstieg ins Forum hat mich schon eine gehörige Portion Überwindung gekostet. Zum einen ist die Angst vor einer erneuten Enttäuschung meiner zugegebenermaßen hohen Erwartungen recht groß gewesen und zum anderen habe ich mit mir völlig unbekannten Menschen bisher einen persönlich höchstens oberflächlichen Schriftverkehr gehabt. Seit über zwei Wochen bin also ganz eifrig wieder beim Lernen und Regenerieren. Ich bin schlichtweg begeistert, denn eine derartige Freude hatte ich bei mir nun wirklich nicht erwartet. Mein stark angeschlagenes Selbstbewusstsein befindet sich auch in einem Erholungsprozess, der mir zunehmend dabei hilft, den ehemaligen Mitgliedern unserer Selbsthilfegruppe nicht mehr dauernd und mit innerlich gesenktem Haupt aus dem Weg gehen zu müssen. Die eigene Familie profitiert rein oberflächlich betrachtet noch nicht von meiner Erholung, denn fürs Schreiben benötige ich einfach genügend Zeit und Ruhe und muss mich dafür entsprechend zurückziehen können. Ich stelle mir also nicht mehr die Frage „Was habe ich falsch gemacht?“ sondern suche nach Antworten für die Frage „Wie kann ich es künftig besser machen?“. Die jüngsten Enttäuschungen beherrschen jetzt nicht mehr meine Gedanken und ich kann endlich meinen Blick wieder nach vorne richten. Dafür möchte ich mich bei Euch, Friederike und Heidi, ganz herzlich bedanken! Da es praktisch unmöglich ist, gegenüber einem Unbekannten mehr als nur eine oberflächliche Kritik zu äußern, musste ich Euch zunächst ein Mindestmaß an Informationen über mich geben, wodurch meine Beiträge etwas umfangreicher wurden, und oftmals auch der Bezug zum eigentlichen Thema nicht mehr erkennbar ist. Mit meinem Hereinplatzen wollte ich die Leserinnen und Leser nicht unnötig nerven, aber mir ist einfach kein anderer Zugangsweg als über das Forum eingefallen. Viele Grüße TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 16.Juni 2006 20:20
Liebe Friederike, vielen Dank für Deine umfassende Antwort bezüglich der Verhinderung einer basisdemokratischen Kontrolle. Bereits beim erstmaligen Lesen konnte ich viele Parallelen zu meinem eigenen Arbeitsumfeld finden. Mit Deiner Formulierung „einer dummen Frau an der Basis“ provozierst Du natürlich eine persönliche Stellungnahme, denn das kann man nicht einfach unkommentiert so stehen lassen. Warum findet man insgesamt in den Betrieben überhaupt sehr wenig Frauen an der Basis? Allein mit dem Anteil an der Zahl der Beschäftigten, dem hohen Anteil bei den Teilzeitbeschäftigten, der Mehrfachbelastung durch Haushalt und Familie und vielen anderen „Äußerlichkeiten“ lässt sich dieser Sachverhalt nicht begründen. Bereits bei der Gründung unserer Selbsthilfegruppe, haben wir auch versucht, Frauen zur Mitarbeit gewinnen zu können, aber leider blieben wir mit unseren wirklich ernst gemeinten Bemühungen ohne Erfolg. Für die Frauen gab es bezüglich des Umfangs der Mitarbeit stets nur ein „ganz oder gar nicht“. Zu halben Sachen waren sie einfach nicht bereit und besaßen damit wohl eine gute Einschätzung für die zusätzliche Belastung, die damit auf sie zukommen könnte. Bei wichtigen Dingen wie Berufsausbildung und Familie wollten sie aber auch weiterhin ganze Sachen machen können, und da sahen sie zunächst eine vermeidbare Gefährdung und haben leider ihre Mitarbeit vorerst abgelehnt. Die Männer waren da schon sehr viel flexibler und kompromissbereiter; aber bereits von halben Sachen sind sie in der Mehrzahl noch meilenweit entfernt. Dieser Umstand erklärt auch, weshalb es in der aktiven Basis keine dummen Frauen gibt. Natürlich gibt es vereinzelt auch „bequeme“ Frauen, aber die Sitzen in gut geschützten Positionen und heben ihren Kopf nur wenn es unbedingt notwendig ist und dann auch nur ganz kurz aus der Deckung. Die Frauen in höheren Positionen machen auch weiterhin ganze Sachen und ruhen sich nicht auf irgendwelchen Lorbeeren aus. Sie sind in der Regel ganz bei der Sache, also mit ihrem Verstand UND ihrem Herz, was leider vielfach auch im Gesicht deutliche erkennbare Spuren hinterlässt. Die Männer achten da schon mehr auf ihre Gesundheit und vergessen das rechtzeitige Runter- oder gar Abschalten nicht. Ob Frauen jetzt allgemein die besseren Menschen sind, eine derartige Diskussion möchte ich in diesem Forum auf gar keinen Fall anzetteln und halte deshalb jetzt meinen Mund hierzu. Was Du in Deinen weiteren Ausführungen als zentralen Leiter des Kontrollorgans und als Parteivorsitzenden bezeichnest, waren bei mir das Betriebsratsgremium und die Unternehmensleitung, also nicht etwa eine Gewerkschaft!!! Die Abwehraktivitäten sahen in meinem Fall natürlich anders aus, das Resultat ist aber dann wieder vergleichbar. Liquidatorentum – klingt nicht besonders angenehm. Da lasse ich vorerst lieber die Finger davon, weil ich hierzu absolut keine Ahnung habe. Die auf Vertrauen basierende und dieses auch noch fördernde Kontrolle ist für das Zusammenleben wirklich ganz wichtig. Dazu gehören sowohl ein ehrliches „Wie war’s heute in der Schule?“ als auch ein mitunter zunächst schmerzhaft empfundenes „Das sehe ich vollkommen anders.“. Gruß TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 16.Juni 2006 22:17
Lieber TheoRie, Deine Fähigkeit zur Abstraktion - also das Gleiche in den unterschiedlichen Vorgängen zu erkennen, schätze ich besonders.Das macht es uns leicht, auch bei unterschiedlichen konkreten Erfahrungen das Gesetzmäßige darin zu erkennen. Zum Liquidatorentum: das ist nicht so besonders schwer: Ein Parteivorsitzender schwört jahrzehntelang, daß für ihn dieselben Richtlinien und Prinzipien gelten, wie für ein einfaches Parteimitglied. Und als er auf den Prüfstand kommt, gilt für ihn "April - April". Und er mißbraucht seine Funktion nach Strich und Faden. Wäre ja jetzt nicht so schlimm, man hat ja ein Kontrollorgan, nur das hat schon vorher seine Funktion mißbraucht. Wäre ja jetzt auch nicht so schlimm, denn die Mitglieder entscheiden ja letzendlich. Aber das hätte vorausgesetzt, daß sie so viel Selbstbewußtsein und Klarheit haben, daß sie beide Organe kritisieren. Das hatten sie nicht. Damit stehen wir wieder vor der Aufgabenstellung, um die es geht:"Eine Erziehung zur Selbstbefreiung". Das hat mit der "Erziehung" im herkömmlichen Sinn absolut nichts zu tun. Es hat was damit zu tun, daß man die Menschen ernst nimmt und ihre Fähigkeit zur Befreiung in jeder Beziehung fördert. Und dabei selber lernt. Gruß Friederike P.S. sag mal Deiner Frau und den Kindern oder dem Kind viele Grüße. Du glaubst nicht wieviel die nebenbei mitkriegen.

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 17.Juni 2006 01:52
Liebe Friederike, die Abstraktion zur Erkennung von Gesetzmäßigkeiten und die Anwendung auf neue Aufgabenstellungen im technischen Bereich gehören für mich als Ingenieur zu meiner täglichen Arbeit. In manchen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens lassen sich zumindest unter ausreichender Beachtung von Randbedingungen ebenfalls gewisse gemeinsame Gesetzmäßigkeiten herausfinden, die man dann wiederum auf die Gebiete überträgt, in denen man vorher keine eigenen Erfahrungen sammeln konnte. Aber das funktioniert nur in den Bereichen einigermaßen, in denen man ausreichend stark verallgemeinern kann, also quasi von einem Durchschnittsverhalten ausgehen darf. Bei konkreten zwischenmenschlichen Beziehungen ist dieses gewohnte abstrakte Denken eher von Nachteil, weil es einen oftmals vom Erkennen des Wesentlichen ablenkt. Das führt vielfach zu einem enttäuschten „Aber eigentlich hätte ich erwartet, dass …“. Beim Liquidatorentum kann also die Basis den Parteivorsitzenden sowohl direkt als auch indirekt über das Kontrollorgan überwachen? Meine knappe Zusammenfassung zu Deiner Beschreibung: Ein typisches Basisverhalten kann auch einen gegenseitig gedeckten mehrfachen Funktionsmissbrauch nicht verhindern. Ich finde dieses typische unselbständige Verhalten der Basismehrheit fordert unter gezielter Nutzung des Herdentriebs einen Versuch zur Erreichung der Führerschaft geradezu heraus und bei einer genügend großen Basis besteht sogar ausreichend Platz für mehrere Führer. Dass sich bei einer unzureichenden Kontrolle bereits vom Prinzip her die schlechteren Charaktere sich automatisch oben befinden, muss ich an dieser Stelle wohl nicht erläutern. Diesen Sachverhalt wollte ich zunächst selbst immer wieder nicht wahrhaben, aber leider ist es wirklich so. Das ließe sich natürlich von der Basis aus ändern, aber deren Mehrheit will einfach nicht selbständig werden, sondern ruft immer wieder nach Führern beziehungsweise sogenannten Interessenvertretern, die ihnen – selbstverständlich nur ganz verantwortungsbewusst - das Denken möglichst vollständig abnehmen. Sogar gegen die Kontrolle einer Kontrolleinheit sträuben sie sich. Auf das Eingeständnis, den Falschen gewählt zu haben oder seine Aufsichtspflicht vernachlässigt zu haben, kann man lange warten. Dafür ist einfach Charakterstärke erforderlich und die muss man sich erst in ausreichendem Maße erarbeitet und gelernt haben. Manche verwechseln auch den eisernen Willen zur Sturheit mit Charakterstärke. Hierzu aus dem Forum des NCI im Rahmen der Betriebsratswahlen: XY : Nur die dümmsten Ochsen wählen ihren Metzger selber. Worauf Du, Friederike, geantwortet hast: Und die besonders dummen Ochsen werfen sich den Schlauen in den Weg, damit es auch wie geplant läuft. Ja, das ist wahrlich eine Gesetzmäßigkeit, die sich mit einer sehr großen Zuverlässigkeit auf ausreichend große Gruppen mit einer unzureichenden basisdemokratischen Kontrolle übertragen lässt. Wer jetzt immer noch der Meinung sein sollte, dass sich Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaften ausreichend selbst gegenseitig kontrollieren könnten oder dieses sogar wollten, sollte vielleicht … Ganz ehrlich, es fällt mir momentan keine sinnvolle Fortführung des Satzes ein. In meinen Gedanken stören mich jetzt die vielen ganz, ganz dummen Ochsen mit Lesebrille. Damit stehen wir wieder vor der Aufgabenstellung, um die es geht:"Eine Erziehung zur Selbstbefreiung". Das hat mit der "Erziehung" im herkömmlichen Sinn absolut nichts zu tun. Es hat was damit zu tun, daß man die Menschen ernst nimmt und ihre Fähigkeit zur Befreiung in jeder Beziehung fördert. Und dabei selber lernt. Das hast Du sehr schön formuliert und es klingt auch herrlich einfach. Warum tu ich mir dabei eigentlich so schwer? In Deinem zweiten Beitrag vom 06. Juni hast Du geschrieben: Wenn ich wirklich Fortschritt will, Weiterentwicklung, dann setze ich alles daran, daß Fähigkeit und Kompetenz entsteht, und daß Leute heranwachsen, die es besser als ich können. Dann habe ich gewonnen! Auch dieses habe ich dabei beachtet, und sie konnten es dann auch besser als ich. Vermutlich hätte wenigstens Darwin seine Freude an Ihnen. Mensch was war ich doch für ein blödes Rindvieh. Ich habe sich dumm stellende Ochsen zum Metzger gemacht! Ich habe nicht gewonnen, sondern mir durch mein eigenes Verschulden eine haushohe Niederlage eingehandelt. Viele Grüße von mir und von meinen drei Mädchen (xx Jahre & 17,5 Jahre & 14,5 Jahre) TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 17.Juni 2006 12:05
Lieber TheoRie, was du jetzt als Liquidatorentum bezeichnest, ist im Gegenteil das System der Selbstkontrolle. Ja hier kann die Basis die Funktionäre kontrollieren. Es gibt auch für alle verbindliche Richtlinien, die jedes Mitglied von Anfang an in die Hand bekommt. Anhand derer es überprüfen kann, ob so gehandelt wird. Liquidatorisch ist es, die Richtlinien zu mißachten bzw. zu ignorieren und statt dessen in der Praxis willkürlich zu machen, was gerade opportun ist.Bzw. das eben zu akzeptieren.(Das System der Selbstkontrolle wird damit liquidiert.) Daß Du drei so große Töchter hast, finde ich ziemlich stark. Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 17.Juni 2006 21:54
Liebe Friederike, vielen Dank für Deinen korrigierenden Hinweis. Es wäre besser gewesen, wenn ich mich vor meiner Antwort zumindest zu dem Begriff Liquidatorentum informiert hätte, dann wäre mir auch der gravierende „Vorzeichenfehler“ nicht unterlaufen. Die drei Mädchen sind für mich, der „nur“ einen Bruder als Geschwister hat und der in einer vorwiegend von Männern dominierten Umgebung aufgewachsen ist und arbeitet, eine bedeutende Herausforderung und sie bewirken eine ständige Erweiterung des Erfahrungshorizonts. Für meine Mädchen kann ich wirklich dankbar sein. Es war nicht meine Absicht, aber vermutlich habe ich Dich mit der Altersangabe xx Jahre für das älteste Mädchen etwas irritiert. Es handelt sich dabei nicht um meine eigene Tochter, sondern um die meiner Schwiegereltern. Gruß TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 17.Juni 2006 22:02
Hehe! Ich dachte xx steht für 20. Na, dann grüß sie mal besonders herzlich von mir. Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 18.Juni 2006 18:39
Hallo INTR, zu Deinen bereits am 13.06. an mich adressierten Beiträgen möchte ich Dir endlich antworten. Mit der Thematik der Einheitsgewerkschaften scheinen wir uns von unterschiedlichen Richtungen aus zu beschäftigen: Du mehr von oben, Friederike & Heidi aus vielen Richtungen und ich eher von unten, wodurch sich unsere inhaltlichen Treffpunkte sehr voneinander unterscheiden können. Ich muss zugeben, dass ich mich mit Interessenverbänden und deren Organisationsstrukturen nicht sehr intensiv beschäftigt habe, und deshalb zu diesem Themenbereich eher ein oberflächliches Wissen besitze. Im politischen Bereich konnte ich bereits in jungen Jahren Erfahrungen sammeln und auch für mich persönlich schnell feststellen, dass ich für eine politische Karriere wohl kaum geeignet wäre. Mittels ständig wechselnder Strategie und Taktik letztlich möglichst viele Wählerstimmen zu erreichen, das liegt mir einfach nicht. Bei der Betrachtung mir fremder Bereiche bin ich deshalb auf die Erfahrungen aus meinem eigenen basisnahen Umfeld angewiesen, und versuche diese auf das mir zunächst weitgehend Unbekannte zu übertragen. Alle Gruppen bestehen aus einzelnen Menschen und ich kann jede Ebene von – wohlgemerkt gleichberechtigten - Funktionsträgern oder Funktionären zunächst als eine Art spezielle Basis betrachten. Bezüglich meiner sehr unterschiedlichen Beispiele hast Du, INTR, geschrieben: Ich bin mir sicher, dass jede dieser Ebenen ihre eigenen (erfolgreichen) Kooperations- und Durchsetzungsstrategien hat, aber ich glaube auch, dass sie nicht austauschbar sind. Welche Kooperations- und Durchsetzungsstrategien meinst Du genau: Die innerhalb einer Ebene, die zu anderen Ebenen oder alle beide? Ich behaupte jetzt zunächst ganz einfach, dass wenn man zum langfristigen Überleben gezwungen ist, viele unterschiedliche und vielleicht sogar widersprüchliche Ziele situationsbezogen zu berücksichtigen, dass die Beachtung der Funktionsprinzipien einer kontrollierten Basisdemokratie zu sehr erfolgversprechenden Ergebnissen führen kann. Ich habe eigentlich völlig unbewusst den Begriff „Überleben“ erwischt, aber er trifft wiederum die meiner Meinung nach (leider) notwendige Voraussetzung für ein auf breiter Front stattfindendes Nachdenken und Handeln. In guten Zeiten besitzt man eher einen Spielraum zum näherungsweisen Erreichen eines Optimums für Einzelgruppen, das dann aber mehr oder weniger indirekt zu Lasten der schwächer Vertretenen geht. Wir behandeln aber hier im Forum unsere Einschätzung des Werdegangs der Einheitsgewerkschaften in einer für die Arbeitswelt vorerst nicht besonders rosig aussehenden Zukunft. Wollte man die jeweilige Ebene vollständig vertreten und erhalten, dann könnten die Durchsetzungsstrategien vielleicht austauschbar sein, ich bin mir da jedoch nicht sicher. Für den anderen Fall gebe ich Dir Recht. Dann handelt es sich aber für mich auch nicht mehr um eine Interessenvertretung sondern um ein Unternehmen, das „weniger interessante Bereiche“ der Basis einfach (für dumm?) verkaufen kann. Vielleicht muss man sich künftig zur Risikoverringerung seine persönliche Einheitsgewerkschaft selbst zusammenbasteln, ähnlich wie beim Versicherungsschutz. Zuerst beginnt die Ausarbeitung von Kompromissen (internes Co-Management) bezüglich der eigenen Ziele (Stundenlohn, Wochenarbeitszeit, Berufssicherheit, Beschäftigungssicherheit, Standortsicherheit, …). Dann zahlt man entsprechende Beiträge an die jeweiligen Interessenvertretungen und braucht auch nicht mehr selbständig zu denken, denn die müssen jetzt versuchen, die jeweiligen Maximalforderungen durchzusetzen. Irgendwie haben mich die zahlreichen Listen der Betriebsratswahlen auf diesen Gedanken gebracht. Die Gewerkschaften versuchen nur scheinbar diese Separation zu verhindern, indem zum Beispiel die Kandidatur auf fremden Listen automatisch den Verlust der Mitgliedschaft bedeutet. Zur Trennung von Ärzten und Pflegepersonal: Welchen Kompromiss muss ich wählen, damit ich das jeweilige Optimum für Behandlung und Betreuung erreiche? Oder ist es vorteilhafter, wenn ich - wie in den USA - Mitglied eines ganz bestimmten Krankenhauses werde? Bin ich wirklich blöd, wenn ich Geiz nicht geil finde und meine Elektrogeräte nach Möglichkeit in einem Fachgeschäft des Einzelhandels kaufe? Nach meinem Eindruck, scheinst Du geradezu wissenschaftlich nach einem persönlichen Optimum zu suchen, also nach einer möglichst individuell für Dich maßgeschneiderten Interessenvertretung, die Deine beruflichen Probleme und Bedürfnisse versteht. Vermutlich besitzt Du zudem eine größere Flexibilität hinsichtlich des Standorts und des Arbeitgebers. Zugegeben, auf den ersten Blick könnte eine Berufsgruppenvertretung für die Ingenieure mit ihrem ausgesprochenen Organisationsgeschick und ihrer ausgeprägten Teamfähigkeit als die zweckmäßigste Lösung erscheinen. Ein Auseinanderfallen einer monokulturellen Interessenvertretung ist höchst unwahrscheinlich, da bei wenigen „homogenen“ Zielen keine größeren internen Kompromisse erforderlich sind, sondern gleich mit Maximalforderungen an den Arbeitgeber herangetreten werden kann. Die absolute Größe der Interessenvertretung spielt nur eine untergeordnete Rolle, nur der Organisationsgrad des Interessenverbands ist wichtig, da ansonsten die äußere Gestaltungsmacht durch ungebundene (tarifunabhängige) Ingenieure beeinträchtigt werden könnte. Der AIN ist nicht unabhängig genug vom Gemischtwarenladen ver.di und die AUB ist nur an einzelnen Standorten stark vertreten und besitzt selbst dort keine äußere Gestaltungsmacht, da sie keine Tarifvertragspartei ist. Also am liebsten ein mit dem Marburger Bund vergleichbarer nationaler (oder nicht besser gleich internationaler?) Interessenverband für Ingenieure, die nur sich selbst brauchen, für den Arbeitgeber nahezu unentbehrlich sind und im Ausland ebenfalls gute Berufschancen haben. Jetzt benötigt man also nur noch eine geeignete Organisationsstruktur, damit interne Fehler künftig vermieden werden und ein ausreichend hohes Mitbestimmungsrecht suggeriert werden kann, damit auch möglichst alle Ingenieure Mitglied werden. Wenn automatisch mit Vollendung des 40. Lebensjahres die Mitgliedschaft enden würde, aber dafür zu vergünstigten Konditionen in einer Art angeschlossenen beE vielleicht für drei Jahre weitergeführt werden könnte, dann könnte das für junge Mehrleister zumindest für einen gewissen Zeitraum eine interessante Organisation sein. Die privaten Krankenkassen sind für junge erwerbstätige Singles auch sehr attraktiv – ich war immer gesetzlich versichert. Bei den Betriebsratswahlen gibt es seit Jahren keine Trennung mehr zwischen Arbeitern und Angestellten und über den Tarifvertrag zum Entgeltrahmenabkommen (ERA-TV) sowie dem damit verbundenen Wegfall der Trennung zwischen Lohn und Gehalt sind auch nicht alle Ingenieure begeistert. Eine individuelle Interessenvertretung als ausgleichendes Moment gegen diese zunehmende Gleichbehandlung betrachte ich aber höchstens als Übergangserscheinung bei den „zentrifugalen Tendenzen“. Mit zunehmenden Abstand zur Rotationsachse steigt die Geschwindigkeit und man selbst gewinnt zunächst an Fahrvergnügen, wenn man sich jedoch überschätzt hat und für einen Moment nicht mehr genug Kraft zum Festhalten aufbringen kann, außerdem so weit außen niemand mehr in der Nähe ist, der einen halten könnte, dann endet der Fahrspaß ganz abrupt. Insgesamt kann ich es nicht abschätzen, wie die tendenzielle Entwicklung hinsichtlich eines Zusammenschlusses oder der Separation von Gewerkschaften sein wird. Zunächst dürfte ihre äußere Gestaltungsmacht noch deutlich weiter sinken. Viele der Arbeitnehmer entwickeln sich ohnehin scheinbar ganz freiwillig zum eigenen Unternehmer hinsichtlich der Vermarktung ihrer Arbeitskraft. Dann sind sie endlich selbständig und brauchen sich weder mit einem Tarifvertrag noch mit einem Betriebsrat beschäftigen. Wer aufgrund der unternehmerischen Freiheit in Schwierigkeiten gerät, sollte rechtzeitig Beratung bei einer passenden Selbsthilfegruppe suchen, bevor sein Marktwert soweit gesunken ist, dass er nicht mehr konkurrenzfähig anbieten kann. Schade, dass diese Erkenntnis oft zu spät kommt. Du hast wiederholt nach neuen/reformierten Organisationsstrukturen für überbetriebliche homogene Interessengruppen mit äußerer Gestaltungsmacht gefragt und geschrieben: „Aber vielleicht finden die Ingenieure doch noch eine Lösung, wenn sie das Problem erkannt haben.“ Mit Ihren herkömmlichen Denkweisen werden sie das Problem nicht erkennen können und damit auch keine sinnvolle Lösung finden, denn die Ursachen für das Problem liegen in den eigenen Köpfen tief verborgen. Jetzt werde ich mal eine Pause einlegen, damit Dir während Deiner Urlaubszeit der Briefkasten nicht überquillt. Grüße an Dich und die anderen treuen ForumsbesucherInnen TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 18.Juni 2006 20:39
Meiner Meinung nach funktionieren Einheitsgewerkschaften nicht mehr - falls sie jemals wirklich funktioniert haben. Der Mensch braucht zu allem was er tut, eine Motivation und eine Identifikation. Und wie bitte sollen BMW-Gewerkschafter, die ihren Bereich gut kennen und für den wahrscheinlich völlig richtig handeln (oder auch nicht), wissen wie man in der IT-Branche mit den Leuten und dem Arbeitgeber umgeht. Wir sehen es doch ganz klar an der IG Metall. Sie denkt und handelt in den alt bewährten Kategorien und ist einfach nicht in der Lage sich auf andere Branchen umzustellen. Sie schafft es nicht Angestellte anzusprechen. Sie schafft es nicht sie zu halten wie in Mch H, weil sie auf das sog. Altbewährte pocht, auf ihren überkommenen Hierarchien besteht und überhaupt nicht darauf vorbereitet ist, mit einer anderen Denkweise, mit einer anderen Art zu agieren, umzugehn. Deshalb sind Einheitsgewerkschaften ein Quark. Die Mediziner haben jetzt auch für ihre Branche etwas erstritten, etwas, dass sie brauchen. Dachverband ja, Einheitsgewerkschaften gehen an der Realität vorbei. Am Festhalten überkommener Strukturen schwächen wir uns selbst.

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 18.Juni 2006 22:25
Ihr seid aber fleißig! Schon wieder so viel Neues im Forum. Irgendwie dreht sich die Diskussion im Kreis: Einerseits gibt es Pluspunkte für die großen Einheitsgewerkschaften, die viele verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern vertreten, andererseits wird immer wieder der Wunsch nach einer perfekt massgeschneiderten Interessenvertretung für Ingenieure laut. Ehrlich gesagt, ich halte es für unrealistisch, dass jede einzelne Berufsgruppe, möglichst speziell für jede einzelne Branche, sich ihre ganz spezielle Interessenvertretung zusammenbasteln kann. Eine für die Ingenieure in der Automobilindustrie, eine für die Ingenieure in der Telekommunikationsbranche etc... Und wohin dann z. B. mit den Teamassistentinnen? Dürfen die auch mitreden oder nicht? Und überhaupt, was ist mit dem ganzen Projektmanagement? Da arbeiten auch Ingenieure, aber sie sind nicht so sehr auf technische Details fixiert wie die in der Entwicklung. Ihre Arbeitsbedingungen sind ein wenig anders. Ich will damit sagen: Wenn es wirklich lauter einzelne Interessenvertretungen gibt, dann werden immer einige übrig bleiben, die nirgends so ganz reinpassen. Also bilden die wieder eine eigenen Organisation. Oder auch nicht. Da bietet die Einheitsgewerkschaft den Vorteil, dass jeder Mitglied werden kann und dort auch auf Gleichgesinnte trifft. Innerhalb der Gewerkschaft können natürlich Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich z. B. für die Belange der IT-Beschäftigten einsetzen. Das gibt es ja bereits innerhalb der IGM. Auch bei ver.di gibt es solche Arbeitskreise für einzelne Branchen und Berufsgruppen. Es ist keineswegs so, dass einfach alle in einen Topf geworfen werden, egal ob sie zusammenpassen oder nicht! Gruß, Heidi

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 18.Juni 2006 22:35
Ich denke, es sind zwei Paar Stiefel, ob man am Gedanken der Einheitsgewerkschaft festhält oder ob man die Einheitsgwerkschafte mit bestimmten Unfähigkeiten und Mängeln gleichsetzt. Ich fand es immer tödlich, wenn die DAG einen Tarifkampf hatte als bei der IGM gerade alles rum war und umgekehrt. Kollegen in einem Betrieb bzw. in einem Konzern tun gut daran sich zusammenzutun und ihre Kämpfe gemeinsam zu führen. Natürlich müssen die Forderungen den spezifischen Notwendigkeiten der einzelnen Berufsgruppen entsprechen. Daß das zu entwickeln, kein Hexenwerk ist, zeigt der neueste Artikel bei NCI (auf jeden kommt es an). Sie fassen im Grunde die wichtigsten Momente, auf die es bei einer wirksamen Interessensvertretung ankommt, zusammen. Und sie machen absolut keinen Unterschied zwischen Arbeitern, Angestellten und Ingenieuren. Nun kann man sagen: Eben - NCI ist ja auch keine Gewerkschaft. Nein das ist es nicht, es macht nur mit den gewerkschaftlichen Prinzipien auf betrieblcher Ebene, auf überbetrieblicher ebene und auch auf politischer Ebene ernst. Das beweist, daß man das kann! Selbst ohne Riesenapparat- und Bürokratie. Weil man die Menschen ernst nimmt und sich selber auch. Das ist es, was man hier lernen kann. Nicht die Struktur entscheidet letztendlich, sondern die Denkweise, die dann natürlich auch die entsprechenden Strukturen schafft (offene Kommunikation etc.) Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 19.Juni 2006 03:04
Liebe Forumsrunde, zu Euren drei letzten Beiträgen möchte ich noch unbedingt vor meiner Zwangspause antworten. Zum Beitrag von Anonymous User: Die Einheitsgewerkschaften funktionieren schon – aber es könnte und müsste auch deutlich besser gehen. Unabdingbare Voraussetzung ist aber, dass wir selbst beginnen unsere Denk- und Handlungsweisen zu ändern und diese auch den etablierten Interessenvertretungen immer und immer wieder mitteilen. Für Individualisten mit einer herkömmlichen und kurzfristigen Denkweise sowie einer eng begrenzten Kompromissbereitschaft ist vermutlich eine Art privater und speziell angepasster Risikoversicherung ansprechender. Bezüglich der IGM beziehungsweise zur Einheitsgewerkschaft zwei Anmerkungen: a) Mit einer verbesserten Struktur, deren Suche von uns noch nicht abgeschlossen werden konnte, und einer zu den jeweiligen Ebenen beziehungsweise Bereichen ausgewogenen Zusammensetzung seitens der Mitglieder oder deren Vertreter sowie „unserer“ sogenannten basisdemokratischen Kontrolle auf allen Ebenen, ließe sich ein großer Teil der Unfähigkeit und der Mängel bestimmt vermeiden. b) „Sie schafft es nicht Angestellte anzusprechen.“ Ja, das sind auch meine Erfahrungen. Zwei der Hauptursachen für das Nicht-Können oder Nicht-Wollen werden wohl der noch ausreichende Wohlstand der Gewerkschaften selbst und ein erschreckend hohes Misstrauen gegenüber den „Neuen“ sein. Für den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Respekt müssen unbedingt die Mitarbeiter aus den bisher nicht oder nur ungenügend vertretenen Bereichen den ersten Schritt machen. Die Basis muss das Umdenken bewirken. Die verspätete und unfreiwillige Reaktion auf externe beziehungsweise wirtschaftliche Einflüsse erzeugt höchstens inneren Widerstand in den Köpfen der Funktionäre bzw. Funktionsträger, der sie dazu antreibt, die vorhandenen Mauern weiter aufrecht zu erhalten. Noch kurz zu den Ärzten und ihrer vielfach als positives Beispiel angesehenen Interessenvertretung: Ich betrachte die momentane Euphorie eher als ein Strohfeuer. Diese Berufsgruppe ist innerlich keineswegs so homogen wie es von außen zunächst erscheinen mag. Größere Belastungsproben, wie die fortschreitende Schließung von Krankenhäusern beziehungsweise deren Umwandlung in wesentlich profitablere und risikoärmere Seniorenheime oder die Auslagerung bestimmter Tätigkeitsfelder, stehen ihnen erst noch bevor. Zur Antwort von Heidi: Vielleicht drehen wir uns im Kreis, aber ich habe das Gefühl, dass der Durchmesser immer mehr abnimmt, es sich dabei also eher um eine kleiner werdende Spirale handelt. Seit geraumer Zeit halte ich ebenfalls eine für bestimmte Berufsgruppen maßgeschneiderte Interessenvertretung für nicht zukunftsweisend. Zumindest nicht für die Berufsgruppen, die im normalen Arbeitsleben beziehungsweise in einem Betrieb auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen angewiesen sind. Deine Beispiele für die Inhomogenität bei den Ingenieuren sind sehr zutreffend, wo doch gerade die Ingenieure im Laufe ihres Berufslebens deutliche Änderungen in ihrem Tätigkeits- und Aufgabenbereich bewältigen müssen. Gestern Entwicklungsingenieur – heute Projektleiter – morgen Vertriebsbeauftragter – übermorgen teurer Kostenfaktor. Derartig hohe Anforderungen an die fachliche und aufgabenbezogene Flexibilität sind mir bei den Ärzten bislang nicht bekannt. Ich bin schon gespannt, was INTR wohl dazu meint. Zur Antwort von Friederike: Deinem Beitrag und dem guten Hinweis auf den dazu passenden neuen Artikel „Auf Jeden kommt es an!“ vom NCI kann ich nur zustimmen. „Nun kann man sagen: Eben - NCI ist ja auch keine Gewerkschaft. Nein das ist es nicht, es macht nur mit den gewerkschaftlichen Prinzipien auf betrieblicher Ebene, auf überbetrieblicher Ebene und auch auf politischer Ebene ernst.“ Und mit dem einfachen Hinweis darauf, dass der NCI keine Gewerkschaft beziehungsweise Tarifsvertragspartei ist, wird aber unter anderem von INTR dem NCI eine äußere Gestaltungsmacht abgesprochen. Der NCI befindet sich erst am Anfang seines rasanten Werdegangs. Warten wir es ab, wir werden bestimmt noch während unseres eigenen Berufslebens mit einigen positiven Überraschungen rechnen dürfen und sollten uns nicht dabei am erschreckend langsam fortschreitenden Generationenprozess der deutschen Wiedervereinigung orientieren. Grüße und einen schönen Start in die Woche TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 27.Juni 2006 22:13
Hallo TeilnehmerInen, ich melde mich zurück und versuche meinen Senf dazuzugeben. TheoRie (Teil 1): „...Die hohe Fortschrittsgeschwindigkeit hat auch INTR erneut bestätigt, den vermutlich ebenfalls die schnelle Zunahme an der Fahrt des Themas „Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?“ überrascht hat...“ Ja, dieser intensiver und konstruktiver Diskurs hat mich wirklich (positiv) überrascht. Auch war das Tempo einmalig! Leider kann ich es nicht durchhalten (meine Frau hat sich schon beschwert wegen dem stundenlangen Hocken vor der Kiste). Etwas enttäuschend ist, dass wir praktisch nur zu viert diskutieren: keine Resonanz von der Basis und von den Funktionären. Worst case könnte man es interpretieren wie folgt: die Basis hat keine Hoffung auf Veränderungen mehr und die Funktionären juckt es nicht. Aber das was ich hier persönlich mitgenommen habe (an Infos, Erfahrungen, konstruktiver Kritik und Menschlichkeit) kann mir keine wegnehmen. TheoRie (Teil 1): „...ordne ich den direkten und persönlichen Dialog ebenfalls unter den Begriff Information ein.“ Und: „...Allein die unkommentierte oder unidirektionale Informationsweitergabe ist ungenügend, da eine Rückmeldung nicht abgefragt wird. Beginnendes Desinteresse oder zunehmende Unzufriedenheit von Mitgliedern können dadurch nicht rechtzeitig erkannt werden. (usw.)“ Stimme ich überein. TheoRie (Teil 2): Im Kern d’accord! Heidi: „...Allerdings dürfte der zweite Schritt bei den großen Gewerkschaften zum Problem werden: Eine offene Diskussion unter ALLEN Mitgliedern ist in der Praxis kaum realisierbar. Es ist praktisch unmöglich, dass wirklich jeder zu Wort kommt, der etwas beizutragen hat...“ und Friederike: „...Der zentrale Leiter des Kontrollorgans usw...“ Meine Hoffnung für diese Probleme ist die direkte Demokratie (im Gegensatz zu mittelbaren Demokratie wie Delegiertenversammlungen, Abgeordnete usw.). Hier möchte ich (in Abwandlung von Willi Brand) mal ausrufen: „mehr direkte Demokratie wagen!“. Was ich in meiner Forderung nach basisdemokratische Kontrolle vergessen habe (und woran mich der Beitrag von Friederike wieder erinnert hat) ist das Antragswesen und die damit verbundenen Manipulationsmöglichkeiten für die Funktionäre. (Ein Leerstück hierzu kann man auch hier im Forum unter „IGM-Austritt wegen abgekarteter VKL-Wahlen“ nachlesen). Es stellt sich natürlich die Frage wie kann man die technischen Voraussetzungen für eine direkte Demokratie schaffen. Als Lösung schwebt mir eine Art Volksabstimmung per Internet vor. Top down würde es so aussehen. Die Funktionäre stellen dort allen Mitgliedern einen Antrag vor. Danach gibt es eine breite Diskussion an der Basis darüber (in Gruppen und Internetforen). Diese Diskussion muss insbesondere horizontal verlaufen (also zwischen den Mitgliedern) und eher am Rande bottom up (also zu den Funktionäre hin). Nach eine angemessenen Frist wird einfach direkt von der Basis abgestimmt (z.B. per Internet, weil es billiger und bequemer ist). Anträge auf Entschlüsse müssen natürlich auch direkt von der Basis möglich sein (und zwar von jedem einzelnen Mitglied). Hier muss aber ein „Filter“ eingebaut sein, damit nur über „relevante“ Anträge abgestimmt werden muss. Wie findet man heraus was relevant ist? Das Mitglied stellt seinen Antrag in einem Diskussionsforum vor und wenn die Zahl der Diskussionsteilnehmer ein bestimmtes Quorum erreicht, muss der Antrag zu Abstimmung zugelassen werden (nach einer weitere Diskussionsrunde wie oben). Die Anträge können sich selbstverständlich auch auf die Abwahl von Funktionären beziehen (z.B. wenn sie bei der Umsetzung von Beschlüssen nicht weiter kommen oder sie gar hintertreiben). Die notwendige Voraussetzung für das funktionieren einer direkten Demokratie ist natürlich ein aktive und mündige Basis. TheoRie hat hier (leider) völlig richtig konstatiert: „...aber deren Mehrheit will einfach nicht selbständig werden, sondern ruft immer wieder nach Führern beziehungsweise sogenannten Interessenvertretern, die ihnen – selbstverständlich nur ganz verantwortungsbewusst - das Denken möglichst vollständig abnehmen....“. Hier kann ich nur den Standpunkt Churchill wiederholen: „Demokratie ist das Schlimmste (oder Schlechteste?) was man sich ausdenken kann, aber das Beste was wir haben“. Ich füge noch hinzu: wenn schon Fehlentscheidungen gemacht werden, dann sollten sie zumindest durch die Mehrheit beschlossen worden sein. NB. Mit den mündigen Mitglied meine ich nicht einen „moralisch geläuterten“ und/oder selbstlosen, sondern einen informierten, selbständig denkenden und aktiven Menschen (auch in eigener Sache). Was meint Ihr dazu? Schöne Grüße INTR PS. Auf den Beitrag von TheoRie vom 18.6.06 werde ich in Kürze (?) eingehen.

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 27.Juni 2006 22:44
Hallo INTR, schön, wieder einmal etwas von dir zu hören. Der Vorschlag mit der Diskussion im Internet ist im Prinzip gut, aber in der Praxis wohl doch mit Problemen verbunden. Gerade in großen Diskussionsrunden mit vielen engagierten Teilnehmern bricht schnell Chaos aus. Da kann es dann auch zu persönlichen Beschimpfungen kommen und ziemlich unsachlich werden. Das habe ich schon mehr als einmal erlebt! Trotzdem ist dieser Vorschlag im Moment der beste, denke ich. Man braucht natürlich auch Moderatoren, die für die Einhaltung der Regeln sorgen. Da steckt viel Abeit dahinter! Aber es ist machbar. Das zweite Problem betrifft jetzt nicht unbedingt Ingenieure mit Hochschulabschluss und guter Allgemeinbildung. Aber in einer Gewerkschaft sind auch viele weniger Gebildete organisiert. Das ist auch ganz richtig so. Ich kenne viele Leute, die sich an einer Diskussion wie dieser hier gar nicht beteiligen können - ganz einfach, weil sie nicht in der Lage sind, so lange und teilweise recht anspruchsvolle Texte zu lesen und zu verstehen! Schreiben können sie so etwas erst recht nicht. Sie machen sich sehr wohl Gedanken über aktuelle Themen, tun sich aber schwer damit, diese Gedanken in Worte zu fassen. Die brauchen wirklich jemanden, der für sie spricht bzw. schreibt. Und der natürlich auch genau zuhört, was sie zu sagen haben, auch wenn sie manchmal etwas ungeschickt formulieren. Es darf auf keinen Fall so weit kommen, dass nur diejenigen, die sprachlich topfit sind, allein unter sich ausmachen, was wichtig ist und was nicht. Ich hege ohnehin den Verdacht, dass einige Interessierte sich aus dieser Diskussion lieber doch heraushalten, weil es ihnen einfach zu viel ist, diese ganzen langen Beiträge sorgfältig durchzulesen! Auch das kann ein Grund für Schweigen sein: Man ist mit der Flut von Informationen überfordert, liest lieber nur ein paar einzelne Stücke, hält sich aber selber zurück,weil einem der Zusammenhang fehlt. Gruß, Heidi

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 27.Juni 2006 23:36
Ich denke, daß das Internet auf jeden Fall eine gewaltige Rolle spielt für den schnellen und demokratischen Informations- und Meinungsaustausch.In allen möglichen Kämpfen spielt es eine ziemlich entscheidende Rolle ob man über Ländergrenzen hinweg z.B. gemeinsame Demos organisiert, wie in der Friedensbewegung gegen den Irakkrieg oder Streikbrucharbeiten verhindert oder einfach nur den Zusammenschluß von Kollegen einzelner Konzerne herbeiführt. Entsprechend ist es auch gefürchtet von Leuten, die ihre Machenschaften lieber nicht am Tageslicht haben wollen. In China z.B. herrschen ziemlich harte Zensurbedingungen. Heidis Hinweis, daß solche Diskussionen nicht jedermanns Sache sind, finde ich ebenfalls wichtig. Sicher braucht man auch Moderatoren - aber hier beginnt auch schon das Problem. Solange es demokratisch zugeht und Kritik nicht abgeblockt wird, ist ja alles okay. Aber wenn dir der Zugang zu einem Forum verwehrt wird, weil du unangenehme Dinge auf den Tisch bringen könntest, wie das in meinem Fall sowohl bei der MLPD als auch beim Frauenverband Courage geschehen ist, dann siehst du auch die Grenzen dieser Möglichkeit. Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 29.Juni 2006 00:57
Liebe Forumsrunde, nach kurzer Verschnaufpause hat sich also der Kreis der regelmäßigen Beitragsschreiber wieder zusammengefunden und dieser würde sich selbstverständlich auch weiterhin über eine Vergrößerung durch Neuzugänge freuen. Bevor ich mich jedoch zu dem eigentlichen Forumsthema äußere, möchte ich noch etwas Persönliches bezüglich des Forums vom NCI äußern, an dem ich mich ja selbst erst seit knapp einem Monat aktiv beteilige. Da ich meine Zwischenbilanz jedoch nicht einfach mehr oder weniger zusammenhangslos irgendwo ins Forum einstellen möchte, benutze ich dieses Thema aus der Not heraus. Zu Euren letzten Beiträgen besteht dennoch ein Bezug, der unter der Überschrift Diskussion mittels Internet : Grundsätzliche Betrachtung am Beispiel des NCI stehen könnte. Mein ursprünglicher Wunsch, im Rahmen des Forums ganz bewusst neue beziehungsweise völlig fremde Menschen kennen zu lernen, mit denen ich Meinungen, Erfahrungen und Informationen mit Bezug auf das Berufsleben mehr als nur oberflächlich austauschen kann, hat sich glücklicherweise erfüllt. Sogar das von mir für meinen Einstieg ausgesuchte Forumsthema hat bei mir bereits nach kurzer Zeit mein verstärktes Interesse geweckt und macht mir inzwischen richtig ernsthaft Spaß. Dass manche Beiträge aufgrund der persönlichen Vorstellung dann doch etwas umfangreicher wurden, hat sich irgendwie so ergeben und hat hoffentlich keinen der Forumsbesucher vom Weiterlesen oder der eigenen Meinungsäußerung abgehalten. Im Alltag ist es ohnehin schon vielfach unpersönlich genug geworden, da fühle ich mich - sogar ungeachtet der Anonymität - von zahlreichen Beiträgen im Forum des NCI wesentlich persönlicher und offener angesprochen. Einerseits stellen für mich, der ich mich momentan in einer Art Isolation befinde, drei neue „BriefpartnerInnen“ eine sehr große Anzahl dar, andererseits bin ich ebenso wie INTR von der großen Zurückhaltung der anderen Forumsteilnehmer überrascht. Ich hätte ebenfalls auf eine regere Teilnahme gehofft, ungeachtet des Risikos eines anfänglich auftretenden Chaos, welches eventuell durch die spätere Erweiterung mit zusätzlichen Themenpunkten dennoch weiterhin überschaubar geblieben wäre. Die Gründe für die vorwiegend passive Teilnahme können sehr vielfältig sein: Thema, Zuordnung in die Rubrik Gewerkschaften, Beitragslänge, sachliche und persönliche Inhalte, … . Einen ebenfalls schwer einzuschätzenden Einfluss werden auch die von Heidi in ihrem letzten Beitrag angeführten Gründe besitzen. Es ist mitunter mit einem größeren Zeitaufwand verbunden, die vielfältigen Gedanken in möglichst kurzer Form und dennoch unmissverständlich in Worte zu fassen. Da verbringt man schon die eine oder anderer Stunde zusätzlich vor der Kiste, und die Familie beschwert sich dann wohlmöglich noch zu Recht. Bei mir sind längere Abende eher etwas Alltägliches. Ich bin jedenfalls nicht unglücklich darüber, einen Beitrag für das Forum schreiben zu können, anstatt mich tiefgreifend mit ERA beschäftigen zu müssen. Hatte ich anfänglich auch das Thema „Einheitsgewerkschaften“ zu einem gewissen Teil für die überschaubare Anzahl an Beitragsschreibern verantwortlich gemacht, so sehe angesichts der für mich unverhältnismäßig geringen Resonanz unter der Rubrik „Siemens Stellenabbau“ diese Vermutung als nicht bestätigt. Natürlich ist mir klar, dass der NCI nicht der einzige (verständnisvolle) Ansprechpartner für die Arbeitnehmer ist, und sich vermutlich auch außerhalb dieses Forums einiges zumindest an den betroffenen Standorten bewegt. Aber so richtig glauben kann ich es letztlich dann doch wieder nicht und würde mich deshalb auch vor Ort gern vom Gegenteil überzeugen lassen. Dass sogar bei grundlegenden Existenzfragen die Schmerzgrenze scheinbar derart hoch bei den Mitarbeitern ist, hätte ich wirklich nicht erwartet. Was könnten zum Beispiel in München die Hauptursachen für die offensichtliche Passivität sein? Ist es die Standardaussage „Da kann ich als einzelner sowieso nichts (mehr) machen.“ oder ist es die Angst davor, beim Arbeitgeber irgendwie negativ aufzufallen, was die Mitarbeiter davon abhält, selbst aktiv zu werden? Den Glauben daran, dass Vertreter anderer Organisationen oder Gremien die Interessen bereits ausreichend vertreten würden oder dieses überhaupt könnten, müssten die Arbeitnehmer doch zumindest in München bereits vor Jahren schon verloren haben. Gerade von der Mehrzahl der offensichtlich nur scheinbar gebildeteren Angehörigen der oberen Einkommensgruppen bin ich persönlich sehr enttäuscht. Viele glauben in der Tat noch daran, dass mit zunehmendem Jahresgehalt das Risiko unliebsamer Überraschungen vernachlässigbar gering wird, und dass die aktuellen Personalanpassungen beziehungsweise Umstrukturierungen vermutlich auch die letzten in ihrem Berufsleben sein werden. Diese Kollegen bezeichnen einen, der trotzdem nicht tatenlos den Missständen zusehen möchte, dann vielfach als „armen Irren“. Die auch von INTR als schwach empfundene Resonanz zu diesem Forumsthema bietet sich nun als passende Überleitung zum Forumsthema an. Als mögliche Ursache hat INTR geschrieben:„Die Basis hat keine Hoffnung auf Veränderungen mehr.“ Ich lasse diese Formulierung zu diesem äußerst komplexen und grundlegenden Thema lieber zunächst unkommentiert so stehen. „… und die Funktionäre juckt es nicht.“ Und wie es die juckt! Aber die Gründe dafür sind ebenfalls äußerst vielfältig. Die Funktionäre WOLLEN sich jedoch zumindest in ihrer Rolle als Aufgabenträger nicht äußern, und geben oftmals ein fadenscheiniges nicht DÜRFEN oder KÖNNEN als Hinderungsgrund an. Bereits aufgrund der im Zusammenhang mit ihrem Aufgabenbereich verbundenen Erfahrungen und dem (höheren) Spezialwissen müssten sich zumindest die kompetenten Funktionäre sogar ganz lautstark zu Wort melden. Sie tun es nicht, weil sie einfach MEHR als die anderen zu verlieren haben und dieses MEHR unter keinen Umständen unnötig gefährden wollen. Außerdem ist für sie kein Vorteil durch eine Äußerung oder gar eine Stellungnahme erkennbar, durch den sie dieses MEHR an Wissen, Einfluss, Einkommen oder Arbeitsplatzsicherheit zusätzlich vergrößern könnten. Auf Anhieb fällt mir jetzt nur eine einzige Ausnahme aus dem großen Kreis der mir bekannten Funktionsträger ein, und das ist verdammt wenig. Was ich selbst an Informationen, Erfahrungen, konstruktiver Kritik und Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem NCI und seinem Forum aufnehmen kann, wird auch mir glücklicherweise niemand mehr wegnehmen können, deshalb bin ich auch nicht gezwungen , es für mich alleine behalten zu müssen, sondern ich möchte es unterstützend für die Vorbereitung eines Neubeginns einsetzen. Den Vorschlag von INTR, das Internet unterstützend für eine direkte beziehungsweise unmittelbare Demokratie einzusetzen, habe ich spätestens seit seinem Beitrag vom 13.06. mit der Frage nach Heidis und Friederikes Meinung zur basisdemokratischen Kontrolle irgendwie erwartet und befürchtet. Betrachte ich zunächst das Forum des NCI und zusätzlich noch unsere Diskussionsrunde, dann liegt ein derartiger Ansatz recht nahe und es fallen mir zunächst die positiven und geradezu „grenzenlosen“ Nutzungsmöglichkeiten ein. Bei etwas gründlicherem Überlegen beschleicht mich jedoch ein nicht genau definierbares und ungutes Gefühl. Es liegt vermutlich unter anderem daran, dass ich mich mit der Thematik Mitarbeiterbefragung sowohl theoretisch als auch mehrfach praktisch recht intensiv beschäftigt habe. Zahlen faszinieren mich immer wieder und dementsprechend finde ich auch die Auswertung von Abstimmungen äußerst interessant. Auch im Hinblick auf unsere Mitleser möchte ich an dieser Stelle aber nur ganz knapp zwei Punkte anmerken. 1. Was kann durch die Einbindung des Internet erwartet werden: Erhöht oder erniedrigt sich sogar der prozentuale Anteil aktiver mündiger Mitglieder? 2. Welche Mitgliedsgruppen könnten benachteiligt werden? Mit dieser Frage möchte ich mich besonders auf Heidis letzten Beitrag beziehen. Auf die vielfältigen Möglichkeiten zur Manipulation und des Missbrauchs der irgendwie doch mittelbaren (per Internet) Unterstützungsmethode zur basisdemokratischen Kontrolle möchte ich zunächst nicht weiter eingehen. Die Notwendigkeit des Einsatzes von Moderatoren und die damit verbundene Möglichkeit der gezielten Filterung beziehungsweise Zensur von Beiträgen wurden von Euch bereits angedeutet. Interessante Beiträge, wie zum Beispiel von Friederike, die eventuell die große Mehrheit der zwar mündigen aber schweigenden Mitglieder aufwecken könnten, müssten selbstverständlich im Interesse des demokratischen Friedens vor ihrer Veröffentlichung zumindest entschärft werden können. Dieses war von mir natürlich nicht ernst gemeint. Ich musste aber auch schon Belehrungen über mich ergehen lassen, wer dazu autorisiert ist, etwas an Schwarzen Brettern auszuhängen oder sich zur Betriebsratstätigkeit zu äußern. Viele Grüße TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 29.Juni 2006 23:39
Hallo TheoRie, schön, dass Du so schnell wieder im Forum zurück bist. Hallo Heidi und Friederike, ich möchte gerne kurz auf Euren jeweils letzten Beitrag eingehen, auch wenn meine Antwort auf den vorletzten Beitrag von TheoRie noch nicht fertig ist. Es darf keine Zugangsbeschränkungen zum Forum geben. Die freie Meinungsäußerung muss jederzeit gegeben sein. Der Moderators darf sich nur auf presserechtliche Aspekte beschränken (Beleidigungen, Volksverhetzung usw.). Diese Funktion kann man sogar automatisieren (also von einem Programm ausführen lassen). Die indizierten Beiträge kommen in einen gesperrten „Giftordner“ und müssen auf Wunsch jedes Mitglieds einsehbar sein. Bei Manipulationsverdacht kann man per Mehrheitsbeschluss den Moderator abwählen (oder den Algorithmus korrigieren). Mitglieder, welche sich an solchen Diskussionsforen nicht selbst beteiligen können, bleibt es unbenommen sich durch andere vertreten zu lassen (insbesondere bei der Antragsstellung). Sie sind also nicht benachteiligt, insbesondere nicht bei der anschließenden (geheimen) Abstimmung, weil hier nach wie vor gilt: one man, one vote (und keine Begründung geschrieben werden muss). In meinen Augen sind die Rechte auf Antragstellung und auf Abstimmung viel wichtiger als die Möglichkeit auf eine geordnete Diskussion. Deswegen habe ich auch keine Angst vor chaotischen Diskussionen, denn jeder kann schnell für sich herausfinden, welchen Mitgliedern lohnt sich „zuzuhören“ und welchen nicht. Es muss auch nicht jeder bei einer Diskussion mitschreiben oder mitlesen. Hauptsache er hat die Möglichkeit sich jeden Beitrag jederzeit anzuschauen. Das wesentliche ist, dass am Schluss abgestimmt wird und der Beschluss von den Funktionären umgesetzt werden muss. NB. Selbstverständlich dürfen keine Beschlüsse gefasst werden, welche gegen geltendes Recht verstoßen. Wenn sie aber im Gegensatz zu dem Organisationsstatuten stehen, müssen die Statuten angepasst werden. D.h. das Recht steht über den Beschlüssen, aber die Beschlüsse über den Statuten. Die Möglichkeit der Manipulation/Beeinflussung der Diskussion sehen ich im Forum als viel weniger gegeben als z.B. in einer Versammlung. Wenn Hitler seine Nürnberger-Reden in einem Internetforum schrifftlich „halten“ müsste, könnte er viel weniger Menschen blenden und verführen (weil man beim Lesen die eigenen Gefühle viel besser kontrollieren kann). Dass die Zahl der aktiven Mitglieder durch ein Diskussionsforum steigen wird, hoffe ich. Aber, dass sie sinken würde glaube ich definitiv nicht. TheoRie, warum hast Du meinen Vorschlag befürchtet und woher kommt Dein ungutes Gefühl? Schöne Grüße INTR

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 30.Juni 2006 00:14
Lieber INTR, interessante Überlegung. "Das Wesentliche ist, daß am Schluß abgestimmt wird und der Beschluß von den Funktionären umgesetzt werden muß."..."Wenn sie aber in Gegensatz zu den Organisationsstatuten stehen, müsssen die Statuten angepasst werden". D.h. das Recht steht über den Beschlüssen, aber die Beschlüsse über den Statuten." Das sehe ich genau anders rum: Wenn das Statut verlangt, daß die Funktionäre sich an die Beschlüsse halten, dann darf man auf keinen Fall die Statuten ändern, wenn sie das nicht tun. Man muß untersuchen, warum sie das nicht tun. Un d man muß untersuchen, mit welchen Methoden sie den Eindruck erwecken, daß sie sich daran halten würden. Und mit welchen Methoden sie verhindern, daß aufgedeckt wird, daß sie sich nicht daran halten. bzw. mit welchen Methoden Leute ausgeschaltet werden, die das aufdecken. Oh Mann! Gruß Friederike

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von Theorie am 30.Juni 2006 02:54
Liebe Forumsrunde, leider habe ich erst am Wochenende etwas mehr Zeit für eine ausführliche Begründung für mein ungutes Gefühl, aber einfach so kommentarlos etwas in die Runde werfen und sich nicht wenigstens ein bisschen genauer dazu äußern sondern die anderen erst einmal rätseln zu lassen, das finde ich nun auch nicht fair. Deinen Vorschlag, INTR, habe ich hauptsächlich wegen der mit dieser Thematik verbundenen Komplexität bzw. der Vielfalt der noch zu klärenden Fragen und diesem komischen Bauchgefühl befürchtet. Ich habe irgendwie vermutet, dass Du Dir schon genauere Gedanken zu dem Thema gemacht haben könntest, und mit deren „geballter“ Vorstellung Du eine noch höhere Geschwindigkeit im Forum erzeugen würdest. Zwischenzeitlich sehe ich meine Vermutung auch irgendwie bestätigt. Ich bin halt nicht mehr der Jüngste und habe manchmal Schwierigkeiten damit, ein hohes Tempo über einen längeren Zeitraum durchzuhalten. Bei zunächst unbekannten und anfänglich unüberschaubaren Themen, zu denen ich noch keinen vernünftigen Zugangspfad gefunden habe, wähle ich öfters ganz bewusst eine völlig andere Zugangsrichtung. Diesmal war es der Weg über die Möglichkeiten des Missbrauchs eines derartigen Mediums. Wenn bereits mir nach kurzem Nachdenken schon viele Risiken einfallen, welche Möglichkeiten findet denn da erst ein richtiger Profi? Und schon hat’s bei mir im Bauch gezwickt. Vor meinen Augen sehe ich einen großen Haufen von Menschen mit sehr ausgeprägtem Machtstreben und fragwürdigen Moralvorstellungen. Viele von denen besäßen aber bezüglich eines erfolgreichen öffentlichen Auftretens mehr oder weniger stark hinderliche Handicaps: Aussehen, Hautfarbe, Alter, Stimme, Dialekt, Rhetorik, Schlagfertigkeit, Allgemeinbildung, und, und, und. Ja im Internet, da würde zum Beispiel selbst der langsamste Schweinehund noch sein Betätigungsfeld finden. Über Dein Beispiel mit Hitler muss ich erst noch in Ruhe nachdenken. Mir sind momentan Gedanken über die stimmlichen Qualitäten von Bob Dylan und die fortgeschrittene Uhrzeit in die Quere gekommen. Viele der Lieder von Bob Dylan gefallen mir sehr gut - wenn sie von anderen interpretiert werden. Manche Politiker könnten mich bestimmt durch reinen Text mehr beeinflussen. Ich höre jetzt lieber auf- meine Formulierungen klingen für mich jetzt auch schon irgendwie holprig. Mir fehlt jetzt schon wieder etwas Schlaf, und mit Begriffen wie Beschlüssen und Statuten hast Du vermutlich Friederike wieder an ihre Erfahrungen mit dem Liquidatorentum erinnert. Bis später dann im Forum. TheoRie

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 30.Juni 2006 18:25
Liebe Forumsteilnehmer, eine Diskussion im Internet bietet tatsächlich erhebliche Vorteile gegenüber einer Versammlung zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort. Schauen wir uns einmal die Uhrzeiten unserer Beiträge an: Wir sind keineswegs immer alle gleichzeitig online, sondern gucken rein und schreiben, wenn wir gerade Zeit haben. Für eine Versammlung müssten wir uns auf einen Zeitpunkt einigen und da hätten vermutlich sogar wir ein Problem, und größere Gruppen erst recht! Außerdem hocken wir daheim gemütlich am PC und müssen nirgendwo hinfahren. Das heißt, dass sich auch diejenigen, die nicht mobil genug sind, um an allen möglichen Versammlungen teilzunehmen, an der Diskussion beteiligen können. Diese beiden Vorteile reichen meiner Meinung nach bereits aus, um Diskussionen im Internet zu befürworten. Allerdings muss man sich schon die Zeit nehmen, alle Beiträge richtig durchzulesen und nachzufragen, falls etwas unklar ist. Da sehe ich ein Problem: Es kann leicht einer etwas missverstehen, weil sich jemand undeutlich ausgedrückt hat. Darum finde ich es wichtig, dass man auch die Möglichkeit hat, sogenannte "Private messages" zu schreiben, um ein Problem zu klären. Denn nicht jeder kann sich dazu aufraffen, öffentlich im Internet zuzugeben, dass er etwas nicht kapiert hat. Und im Zweifelsfall sollte doch ein Moderator auf Fleisch und Blut da sein, der bei Konflikten vermitteln kann, natürlich per Private Message oder E-Mail. Nicht öffentlich, denn das könnte peinlich werden. Ich glaube nicht, dass ein Computerprogramm so einen Moderator voll und ganz ersetzen kann! Allerdings gilt das genauso bei Versammlungen. Da kann es auch Missverständnisse und Streitigkeiten geben. Und auch da muss ein Diskussionsleiter für den geregelten Ablauf sorgen. Dieser Punkt spricht also nicht gegen Internet-Diskussionen. Und wer tatsächlich ein Problem damit hat, seine Gedanken in Worte zu fassen, braucht auf jeden Fall Unterstützung. Das ist im Internet sogar diskreter zu bewerkstelligen als in einer Versammlung. Es merkt ja keiner, ob jemand beim Formulieren geholfen hat!

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 30.Juni 2006 18:26
Moment mal, da hab ich mich versehentlich anonymisiert! Der obige Beitrag stammt von mir. Heidi

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 1.Juli 2006 15:46
@ TheoRie vom 18.6.06: Hallo TheoRie, meine Abneigung gegen die realexistierenden Einheitsgewerkschaften beruhen auf persönlichen Erfahrungen. Es gibt bei der IGM wunderbare Beschlüsse und Erklärungen, z.B. zu mehr Mitgliederbeteiligung oder zu Integration der Angestellten. Aber sobald ich und ein paar Kollegen daran gingen es umzusetzen und einzufordern, wurden wir durch ein paar Funktionäre ausgebremst und kaltgestellt. Da habe ich eingesehen, dass es bei den Funktionären schlicht am Willen zu Änderungen fehlt und sie innerhalb der existierenden Organisationsstrukturen auch die Macht haben es zu verhindern. Dieses Verhalten scheint allgegenwärtig zu sein (Parteien, Gemeinden, Staaten). Deswegen mein grundsätzliches Interessen an der Frage warum das so ist (ist es etwa ein „Naturgesetz“?), und wie die Strukturen einer Organisation/Gruppe sein müssten, um es zu verhindern. Die Manager-Schulen beschäftigen sich sehr viel mit Gruppendynamik, um die Unternehmenseffizienz zu steigern (s. z.B. [url href="http://www.ftd.de/karriere_management/management/86641.html"]http://www.ftd.de/karriere_management/management/86641.html[/url]). Würde mich sehr interessieren, ob es solche Forschungen auch bezüglich der Gewerkschaften gibt. Aber jetzt zurück zu Deinem Beitrag. „...Wir behandeln aber hier im Forum unsere Einschätzung des Werdegangs der Einheitsgewerkschaften in einer für die Arbeitswelt vorerst nicht besonders rosig aussehenden Zukunft...“ Da gebe ich Dir Recht. Und deswegen denke ich, wenn die Einheitsgewerkschaft den Frontalangriff nicht abwähren kann (aus externen und internen Gründen), müssen andere Strategien her, z.B. wird bei Militär auf den Partisanenkrieg ausgewichen (mit dem Ziel die Kräfte des Gegners zu binden und zu zersplittern). NB. Hier könnte man noch trefflich darüber diskutieren, wie die Organisationsstrukturen auf der Gegenseite (Arbeitgeber/Kapitalseite) heutzutage funktionieren. Sind es Einheitsstrukturen, oder gibt es einzelne Gruppen, konkurrieren oder kooperieren sie dann miteinander usw. „...Welche Kooperations- und Durchsetzungsstrategien meinst Du genau: Die innerhalb einer Ebene, die zu anderen Ebenen oder alle beide?...“ Ich habe hier nur an ein Beispiel gedacht: wenn zwei Kinder anfangen zu toben, um ein Eis zu bekommen, wird es bei manchen Familien funktionieren und bei anderen nicht, aber diese Strategie wird mit Garantie nicht in einem Tarifkonflikt funktionieren. „...Nach meinem Eindruck, scheinst Du geradezu wissenschaftlich nach einem persönlichen Optimum zu suchen, also nach einer möglichst individuell für Dich maßgeschneiderten Interessenvertretung, die Deine beruflichen Probleme und Bedürfnisse versteht....“ Ja, ich bin Ingenieur und es ist eine Berufskrankheit von uns nach optimalen Lösungen zu suchen (egal für welches Problem). Aber sucht nicht jeder Mensch nach einer „optimalen“ Lösung für sich (bewusst oder unbewusst)? Wie sich unter diesen Voraussetzungen stabile Gruppen ausbilden, ist für mich eine sehr interessante Frage. „...Zugegeben, auf den ersten Blick könnte eine Berufsgruppenvertretung für die Ingenieure mit ihrem ausgesprochenen Organisationsgeschick und ihrer ausgeprägten Teamfähigkeit als die zweckmäßigste Lösung erscheinen. Usw.“ Ja, so etwas schwebt mir vor. Aber nicht mit der Organisationsstruktur des MB (auch hier gibt es keine direkte Demokratie). „...Wenn automatisch mit Vollendung des 40. Lebensjahres die Mitgliedschaft enden würde, aber dafür zu vergünstigten Konditionen in einer Art angeschlossenen beE vielleicht für drei Jahre weitergeführt werden könnte, dann könnte das für junge Mehrleister zumindest für einen gewissen Zeitraum eine interessante Organisation sein...“ Diese Bemerkung habe ich nicht verstanden. Geht es Dir um den Generationenkonflikt? Schöne Grüße INTR

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 1.Juli 2006 15:57
Hallo Teilnehmer, hier noch ein paar Anmerkungen von mir zu Euren Beiträge nach dem von TheoRie am 18.6.06. „...Deine (Heidis) Beispiele für die Inhomogenität bei den Ingenieuren sind sehr zutreffend, wo doch gerade die Ingenieure im Laufe ihres Berufslebens deutliche Änderungen in ihrem Tätigkeits- und Aufgabenbereich bewältigen müssen. Gestern Entwicklungsingenieur – heute Projektleiter – morgen Vertriebsbeauftragter – übermorgen teurer Kostenfaktor. Derartig hohe Anforderungen an die fachliche und aufgabenbezogene Flexibilität sind mir bei den Ärzten bislang nicht bekannt. Ich bin schon gespannt, was INTR wohl dazu meint...“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass das bestehen einer Gruppe viel mehr von den psychologischen Voraussetzungen der Mitglieder abhängt als von deren (beruflichen) Fertigkeiten. Was die Ingenieure zusammenhalten könnte, hat TheoRie als Beispiel selber gegeben: „...die Abstraktion zur Erkennung von Gesetzmäßigkeiten und die Anwendung auf neue Aufgabenstellungen im technischen Bereich gehören für mich als Ingenieur zu meiner täglichen Arbeit....“ Dazu kommen weitere psychologische Merkmale, welche aus einem Menschen einen Ingenieur machen und z.B. keinen Lehrer. Diese Merkmale verstärken sich im Laufe des Lebens durch den Beruf weiter. Auch bei den Ärzten gibt es verschiedene Berufszweige: z.B. Laborarzt, Allgemeinmediziner, Psychologe. Hier sehe ich keinen Unterschied zu den Ingenieuren. Aber nichtsdestotrotz bleibt die von Heidi angesprochene Gefahr der Zersplitterung. Deswegen habe ich in einem meiner ersten Beiträge gefragt, wie groß kann eine Gruppe werden, bevor sie zerfällt. Das Problem ist eng mit der Frage verbunden, wie überhaupt aus Individuen Gruppen entstehen. Im Übriggen will ich überhaupt nicht irgendwelche künstlichen Unterschiede zwischen z.B. Arbeitern und Angestellten aufbauen, sondern die realexistierenden Zielunterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern zu Kenntnis nehmen. Schöne Grüße INTR

Re: Ist die Zeit der großen Einheitsgewerkschaften in Deutschland vorbei?

Abgeschickt von jackpeter am 2.Juli 2006 21:35
Lieber INTR, zu Deiner Frage vom 01.07.:"Dieses Verhalten scheint allgegenwärtig zu sein (Parteien, Gemeinden, Staaten). Deshalb mein grundsätzliches Interese an der Frage, warum das so ist (ist es etwa ein Naturgesetz?) und wie die Strukturen einer Organisation/Gruppe sein müßten, um das zu verhindern." Lieber INTR, ja es ist allgegenwärtig, weil in unserer Gesellschaft vorherrschend. Ich denke nicht, daß es ein "Naturgesetz" ist - wohl aber eine Gesetzmäßigkeit, die diesem Gesellschaftssystem anhaftet. Es ist die Widerspiegelung der tatsächlichen Zustände im Gehirn. Gleichzeitig gibt es aber auch das Gegenstück dazu, die andere Denkweise, die diese Zustände nicht akzeptiert. Am klarsten zeigt sich diese Polarisierung gerade an dem "Heribert-Fieber-Gedächtnis-Preis". Es ist das bewußte Festhalten und Weiterentwickeln einer Denkweise, die voll auf der Seite der Kollegen steht, die ehrlich ist und das selbständige Denken und Handeln der Kollegen fördert und wünscht. Wie die Organisationsstruktur dabei aussehen muß, kannst du ein bißchen bei NCI sehen, wobei das Entscheidende eben nicht die Struktur ist, sondern die demokratische Grundhaltung und die Bereitschaft zum Lernen und Kämpfen. Wie das auch bei Dir oder TheoRie in allen Beiträgen zum Ausdruck kommt. Gruß Friederike
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