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Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

erstellt von Heidi — zuletzt verändert: 25.08.2008 16:03
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Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 26.Mai 2008 20:38
Hier möchte ich einmal alle Teilnehmer, besonders die sehr aktiven und engagierten, zum Nachdenken anregen. Ich lese oft in diesem Forum, dass man sich immerzu bemühen muss, die Gesellschaft zu verändern und zu verbessern, dabei kann man gar nicht mutig genug vorgehen. Je mehr man erreicht, umso besser. Immer aufs Ganze gehen, keine halben Sachen. Aber bedeutet "gut gemeint" automatisch, dass man auf jeden Fall unschuldig ist, egal was letztlich daraus wird? Ein Beispiel aus meinem eigenen Erfahrungsbereich: Natürlich sind wir uns alle einig, dass gerade in muslimischen Migrantenfamilien die Frauen und Mädchen mehr Selbstbewusstsein entwickeln sollen, um sich zu Hause besser durchzusetzen. Das versuche ich zu erreichen, indem ich einzelne von ihnen ermutige, ihren Horizont zu erweitern und sich zu bilden. Mit diesen Bemühunggen stehe nicht allein da, in unserem Stadtviertel wird viel für die Integration unserer ausländischen Mitbürger getan. Allerdings hat Friederike absolut recht, wenn sie mich in einem anderen Beitrag als "gefährlich" einstuft. Wehe, wenn ich über das Ziel hinausschieße und so ein junges Ding zu aufmüpfig wird! Dann wird die Arme womöglich mit einem entfernten Vetter im hintersten Kurdistan verheiratet und weg ist sie! Passiert ist mir das Gott sei Dank noch nie, und ich bemühe mich stets, behutsam vorzugehen. Aber was wäre, wenn? Wäre ich dann unschuldig, denn ich hab's ja nur gut gemeint? Vielleicht findet hier ja noch jemand ein anderes Beispiel.

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 26.Mai 2008 23:23
Hallo Heidi, natürlich ist man/frau als "Weltverbesserer" nicht nur für seine Taten verantwortlich. Auch für sein Reden, aber nur wenn es sich um Propaganda, Indoktrination und/oder Anstiftung handelt. Wer Bildung und Aufklärung betreibt und offene Diskussionen (insbesondere ergebnisoffene!) zulässt, ist in meinen Augen für die daraus resultierenden Taten von Dritten nicht verantwortlich. Nach einer offenen Diskussion (und z.B. Hinweisen auf mögliche Gefahren und Folgen) hat der Dritte aus eigenem freien Willen eine Entscheidung getroffen für die er selbst voll verantwortlich ist. Ein Problem kann sich ergeben z.B. bei Kindern (nicht nur den eigenen) die noch nicht voll für sich verantwortlich sind. Hier habe ich keine einfache Antwort parat. Grüße INTR

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 27.Mai 2008 00:14
Liebe Heidi, gefährlich bist du nicht für die Kinder und Jugendlichen. Dazu bist du viel zu besonnen und zu erfahren. Gefährlich für Betrüger sind die Beziehungen zwischen Menschen, die ehrlich und offen miteinander umgehen. Das versuchte ich zu sagen. Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 27.Mai 2008 00:39
Lieber INTR, Kinder haben ausgesprochen feine Sensoren und sind in der Regel in der Lage, abzuschätzen, wem sie trauen können und wem nicht. Sie sind nur dann gefährdet, wenns niemanden gibt, dem sie vertrauen können. Herzliche Grüße Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 27.Mai 2008 00:49
Nachtrag: Und sie sind herrlich kritisch! Und erwarten selbstverständlich, daß man Fehler korrigiert, wie man das ja auch von ihnen erwartet. Kurzum sie sind ja schließlich auf dem Weg, ein Mensch zu werden. Und wollen das in der Regel auch. Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 28.Mai 2008 21:19
Liebe Friederike, ich weiß ja nicht, wo diese wundervollen Kinder leben, von denen du hier sprichst, aber bei uns im Hasenbergl und Harthof finde ich sie nicht! Überhaupt kann ich deine Einteilung in Gut und Böse nicht so ganz nachvollziehen. Da wo du eindeutig Schwarz und Weiß erkennst, sehe ich eine verwirrende Vielfalt von unterschiedlichen Grautönen. In der Praxis kann ich leider mit all deinen schönen Theorien nicht viel anfangen, denn die Menschen hier sind anders. Man muss unvoreingenommen auf sie zugehen, ohne sie von vornherein in irgendeine Schublade zu stecken. Man ist hier nie vor Überraschungen sicher. Aber eine Überzeugung habe ich doch gewonnen im Laufe der Jahre und die hat sich immer weiter verfestigt: Eine umfassende Allgemeinbildung ist wichtig für den toleranten Umgang miteinander. Gerade auch die angeblich unwichtigen Schulfächer wie Kunst, Musik, Geschichte oder Religion bzw. Ethik helfen Kindern und Jugendlichen, sich selbst und ihre Mitmenschen besser zu verstehen. Darum trete ich so vehement für bessere Bildungschancen ein. Was man nicht kennt, das macht einem Angst. Wenn Migranten unsere Kultur, Religion und Geschichte kennenlernen, dann werden sie vielleicht nicht alles gutheißen und übernehmen wollen, aber sie verlieren zumindest ihre Scheu vor dem Unbekannten. Dann ist Integration möglich, ohne die eigene kulturelle Identität zu verlieren. Umgekehrt müssen natürlich auch wir Deutschen uns über fremde Kulturen und Religionen informieren. Das ist auch eine wichtige Aufgabe der Schulen. Besser noch: Es sollte schon im Kindergarten anfangen. Aber dafür muss es natürlich erst mal genügend Kindergärten mit gut ausgebildeten ErzieherInnen geben, und die Gebühren dürfen auch nicht zu hoch sein. Und schon sind wir wieder beim alten Thema Kinderbetreuung. Da treffen wir uns immer wieder, egal aus welcher Richtung wir kommen.

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 28.Mai 2008 22:26
Liebe Heidi, ich habe sie sowohl in Stuttgart kennengelernt - zunächst als Schul- und Hortkameraden meines Sohnes, später als örtliche Jugendverantwortliche meiner Partei damals und zuletzt in Rostock-Lichtenhagen (sic!) als Leiterin des Studienkreis Lichtenhagen (Nachhilfeinstitut). Ich weiß schon, wovon ich rede. Aber ich gebe Dir insofern recht, daß man unvoreingenommen auf sie zugehen muß, daß es immer Überraschungen gibt. Was Du mit der Einteilung in Gut und Böse meinst, verstehe ich nun hinwiederum nicht. Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 28.Mai 2008 23:29
Nachtrag: unsere Räume waren übrigens exakt in jenem, damals, vor kurzem, durch Brand beschädigten, "Sonnenblumenhochhaus". Ich fands eine ziemliche Herausforderung - und habe die Arbeit eigentlich gerne gemacht. Nicht zuletzt, weil ich es mit Lehrern zu tun hatte, die mich völlig begeistert haben, durch ihren Einsatz, ihre Systematik und ihre Grundeinstellung. Jetzt kannst Du wieder mit Gut und Böse kommen - es war aber Fakt! Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 08:18
Hallo Friederike, mit den "feinen Sensoren" und der Kritikfähigkeit der Kinder habe ich so meine Probleme. Schließlich haben z.B. Hitler und Stalin nicht nur Erwachsene sondern auch Kinder verführt (mit Propaganda, Indoktrination und Anstiftung). Bei Kindern ging es sogar so weit, dass sie die eigenen Eltern an die SS und NKDW verraten haben. Und für diese (Un)Taten sind klar die Anstifter verantwortlich (nicht nur die Rädelsführer sondern auch die Mitläufer). Das auch die bestgemeinte Erziehung schief gehen kann, zeigen die Pfarrerstöchter, welche zu Terroristinnen wurden. Wie ich sagte, auf das Problem der Verantwortung bei Kindern habe ich keine einfache Antwort parat :( Grüße Joachim

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 14:41
Hallo Joachim, ein interessanter Beitrag. Kinder sind tatsächlich leicht zu beeinflussen und können missbraucht werden, ohne dass sie es merken. Gerade darum finde ich ja die Allgemeinbildung so wichtig. Wer einen Überblick über die deutsche Geschichte hat und sich kritisch damit auseinandersetzt, der wird auch leichter mit modernen "Rattenfängern" fertig. Die natürliche Sensibilität reicht dafür nicht aus, denn die lässt sich leider sehr leicht überlisten. Noch ein Wort an dich, Friederike: Ich wundere mich gelegentlich schon, wie zielsicher du hier im Forum einzelne Teilnehmer beurteilst. Ich bin da sehr viel vorsichtiger. Wenn ich jemanden nur aus anonymen Internet-Diskussionen kenne, dann kann ich unmöglich seinen gesamten Charakter beurteilen, sondern nur das, was er (oder sie) hier freiwillig von sich preisgibt. Das ist nur ein Teil der Persönlichkeit. Und es muss auch nicht alles vollständig der Wahrheit entsprechen. Wer will das alles denn überprüfen? Ist auch nicht so wichtig, die Diskussion ist auf jeden Fall interessant und wird hoffentlich weitergeführt.

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 22:10
Lieber Joachim, als Erziehung betrachte ich die Entwicklung zum selbständigen Denken und Handeln. Alles andere betrachte ich als Unterdrückung. Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 22:46
Liebe Heidi, wenn man über Jahre hinweg die Dinge verfolgt, kann man eine bestimmte "Denke" schon erkennen. Natürlich weiß man dann noch nicht sehr viel. Schon garnichts über das Leben des Anderen. Geschweige denn, was er / sie fühlt. Man weiß nur, wohin sie weitergehen wird. Herzliche Grüße Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 23:06
Hallo Friederike, Du sagst sehr richtig: "...als Erziehung betrachte ich die Entwicklung zum selbständigen Denken und Handeln." Aber was mache ich in der Zwischenzeit, bis die Kinder soweit sind? Nehmen wir ein aktuelles Beispiel. Tabak und Alkohol sind legale und allgemein akzeptierte Genusmitteln (oder Drogen). Aber ist ein 12, 13, 14 Jähriges Kind soweit selbständig sich dafür oder dagegen zu entscheiden? Und schon renne ich in das Dilemma der Erziehung und des "gewaltsamen Beglückens" :( Grüße Joachim

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 29.Mai 2008 23:21
Herrschaftsechser Joachim!! Du hast nur diese "Zwischenzeit" zur Erziehung! Danach läuft es völlig anders, und es zählt, was du gebracht hast! Du scheinst ziemlich theoretisch an die Dinge heranzugehen. Gruß Friederike

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 31.Mai 2008 20:57
Hallo Joachim, da sprichst du wieder ein interssantes Thema an. Man kann sehr wohl über das Ziel hinausschießen, wenn man Kinder zu mehr Selbständigkeit ermutigt. Das trifft natürlich nicht nur auf die eigenen Kinder zu, sondern auf alle, die man sozusagen "miterzieht", also beispielsweise Nachhilfeschüler oder kleine Sportler, die man trainiert, oder auch ein Kinderchor, mit dem übt. Um noch einmal auf den ersten Beitrag in diesem Thread zurückzukommen: Es ist gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen aus fremden Kulturen wichtig, nicht vorschnell über die häuslichen Verhältnisse zu urteilen. Wenn man den Eindruck hat, ein Vater unterdrückt seine Tochter und sperrt sie regelrecht ein, dann sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen, ohne die ganze Familie zu kennen. Manchmal will sich ein Mädchen mit übertriebenem Gejammer bloß wichtig machen, und in Wahrheit ist es zu Hause gar nicht so schlimm. Stachelt man dann die junge Dame dazu an, sich energischer durchzusetzen und den Eltern öfter mal zu widersprechen, löst man damit womöglich genau das aus, was man eigentlich vermeiden wollte: Die Eltern werden richtig streng und lassen der aufmüpfigen Tochter gar keine Freiräume mehr. Vernünftiger ist es, sich erst mal mit den Eltern ganz zwanglos zu unterhalten, um sie etwas besser kennenzulernen. Dafür sind bunte Abende, Straßenfeste etc. eine gute Gelegenheit. Für sowas muss man einfach Zeit haben, sonst ist das Leben nicht mehr lebenswert. Darum dürfen auch die Arbeitgeber ihre Arbeiter und Angestellten nicht allzu sehr vereinnahmen und ihnen absolut unmögliche Arbeitszeiten (z.B. 12-Stunden-Schicht) aufzwingen. Sonst kommt das gesellschaftliche Miteinander zu kurz und irgendwann rächt sich das. Du siehst also, ich kriege immer wieder die Kurve zu gewerkschaftlichen Anliegen, egal bei welchem Thema wir gerade sind. Das soll so sein, damit alle Leser merken, wie wichtig der Einsatz für menschenwürdige Arbeitszeiten und -bedingungen ist.

Re: Kann man als "Weltverbesserer" auch Schaden anrichten?

Abgeschickt von Heidi am 31.Mai 2008 22:38
Liebe Heidi, das Prinzip, sowohl die Eltern, als auch die Jugendlichen zu hören, habe ich auch stets verfolgt. Dabei war es naturgemäß, in meinem Fall (Nachhilfeproblem), so, daß die Eltern redeten wie ein Wasserfall und ihre Vorstellungen darlegten, während das Kind oftmals schweigend mit hochgezogener Braue dasaß. Manchmal mußte man den Eltern beibringen, daß ihr Kind ziemlich gut ist und eigentlich nur eine oder zwei bestimmte Schwächen hat, wozu ein Kind das Recht hat. Und selbstverständlich da auch Hilfe bekommen kann. In einem Fall hatte ich eine alleinerziehende Mutter, die es sich so angewöhnt hatte, ihre doppelt langen Flügel über ihre Tochter zu breiten, daß dieser fast die Luft zum Atmen fehlte. Es dauerte einige Zeit, bis die Mutter überhaupt zuhörte, was ich sagte. Es schien überhaupt nicht in ihre Vorstellungswelt zu passen, daß ihre Tochter Fähigkeiten hat. Die Tochter grinste nur. Ich verstand aber durchaus, wie das sich so entwickeln konnte. Und die Mutter verstands dann auch. Gruß Friederike
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