Marisa, die Emmely in der Schweiz, gekündigt von Manor
Sichtlich verärgert stehen die Chefs von Manor vor ihrem Laden und telefonieren nervös mit ihren Handys. In seiner Hilflosigkeit zerknüllt einer gar voller Wut das Flugblatt der Gewerkschaft Unia, mit dem gegen die skandalöse Entlassung einer Manor-Verkäuferin protestiert wird. Auf der andern Strassenseite zwei Mannschaftswagen der Polizei, die immer mal wieder ihren Standort wechseln und mit ihrer Präsenz deutlich machen, dass kollektiver Protest und freie Meinungsäusserung in der Schweiz heutzutage bestenfalls geduldet werden.
Ähnliche Szenen wie vor der Zürcher Manor Filiale an der Bahnhofstrasse haben sich vermutlich am vergangenen Wochenende noch an weiteren zwanzig Orten in der Schweiz abgespielt. Nach einem zweiwöchigen Protest in Genf hat die Unia die Kampagne gegen die missbräuchliche Kündigung von Marisa Pralong auf die ganze Schweiz ausgedehnt. So hatten sich die Verantwortlichen von Manor die Sache wahrscheinlich nicht vorgestellt, als sie am 18. Februar ihrer Verkäuferin und Unia-Vertrauensfrau den blauen Brief schickten. Die Kündigung war offensichtlich die Antwort auf die Forderung nach einer Personalkommission, die an einer Betriebsversammlung des Verkaufspersonals
bei Manor Genf wenige Wochen zuvor beschlossen worden war.
Mussten in Deutschland angeblich falsch abgerechnete Pfandbons im Wert von 1.30 Euro herhalten, um eine unbequeme Kassiererin loszuwerden, verzichtet man in der Schweiz grosszügig auf solche Vorwände und gibt kritische Äusserungen in der Presse zu Arbeitszeiten und Abendverkauf unverblümt als Kündigungsgrund an. Damit, so heisst es im Kündigungsschreiben, habe Marisa Pralong "eindeutig das Ansehen von Manor geschädigt". Eine exemplarische Kündigung zur Einschüchterung des Personals, das war zweifellos die Absicht der Warenhauskette. Damit allerdings hat sie Wind gesät und Sturm geernet. Und mit der missbräuchlichen Entlassung einer aktiven Gewerkschafterin hat Manor das eigene Ansehen wohl weitaus stärker geschädigt, als dies noch so kritische Äusserungen in der Presse hätten tun können.
"Die Verkäuferin Marisa setzt sich für ihre KollegInnen ein. Manor entlässt sie deshalb. Wir setzten uns für unsere Kollegin Marisa ein!" So steht es auf dem Unia-Flugblatt, mit dem am vergangenen Wochenende die Manor-Kunden in der ganzen Schweiz empfangen wurden. Eine Verkäuferin wird entlassen, Hunderte gehen auf die Strasse und protestieren gegen die Entlasssung. Das ist die Botschaft der Solidarität und eine machtvolle Antwort auf Einschüchterung und Duckmäusertum. Der Manor Chef kann soviele Flugblätter zerknüllen wie er will, diese Botschaft vermag er damit nicht zu zerstören. Ob Manor die Kündigung zurücknimmt und Marisa Pralong wieder eingestellt wird, das steht noch in den Sternen. Eines aber ist gewiss: Es darf sich für die Unternehmer nicht lohnen, gewerkschaftlich aktive MitarbeiterInnen zu entlassen! Dafür gesorgt haben die vielen solidarischen Menschen, die am letzten Wochenende vor den Manor Filialen Flugblätter verteilt haben.