GSL: Rede zur Betriebsversammlung am 02. Juli 2004
Rede zur Betriebsversammlung
GE H "Heavy Trucks"
in Salzgitter am 2. Juli 2004
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich werde Ihnen jetzt den aktuellen Situationsbericht der Geschäftseinheit "Schwere Lkw" am Standort Salzgitter vortragen.
Dabei gebe ich Ihnen zunächst einen Überblick über die aktuelle wirtschaftliche Situation der Geschäftseinheit und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Standort Salzgitter mit Hinblick auf die geplante Auslastung, die geplanten Arbeitszeitmodelle und die Entwicklung der Arbeitszeitkonten. Im Anschluß daran werde ich Ihnen einen Überblick über den Stand der angelaufenen Projekte und weitere geplante Maßnahmen im Rahmen der Neugestaltung der Organisation am Standort geben.
Bis Juni diesen Jahres wurde aufgrund des guten Auftragseinganges das Produktionsprogramm der schweren Lkw gegenüber dem Geschäftsjahr 2003 um 8.400 Fahrzeuge oder 27 % auf 39.900 Fahrzeuge angehoben. Was dieses für den Standort Salzgitter bedeutet, darauf gehe ich noch zu einem späteren Zeitpunkt ein. Der interne Umsatz der GE H betrug in den Monaten Januar bis Mai ca. 1,1 Mrd. ? und lag damit ca. 3,5 % unter dem anteiligen Planwert der Geschäftsjahresplanung 2004. Der Grund hierfür liegt in den Betriebsruhetagen im Januar, an denen nicht produziert und dementsprechend weniger ausgeliefert wurde. Entsprechend lag der Absatz an Fahrzeugen in diesem Zeitraum mit insgesamt ca. 14.900 Einheiten um ca. 2,5 % oder ca. 390 Fahrzeugen niedriger als geplant. Wir gehen davon aus, daß wir mit der Programmerhöhung in der zweiten Geschäftsjahreshälfte die geplanten Produktions- und Absatzziele erreichen werden.
Zum Stichtag 31. Mai 2004 waren in der GE H insgesamt 6448 Mitarbeiter beschäftigt. Diese setzten sich aus 956 Angestellten und 5492 gewerblichen Mitarbeitern zusammen. Dieses sind 207 Mitarbeiter weniger als zu Jahreswechsel.
In Salzgitter waren zu dem gleichen Stichtag insgesamt 1477 Mitarbeiter beschäftigt. Diese setzen sich aus 197 Angestellten und 1129 gewerblichen Mitarbeitern zusammen. Dieses sind 27 Mitarbeiter weniger als zum Jahreswechsel. Zudem waren zum Stichtag 128 Auszubildende und 19 Praktikanten bei uns beschäftigt. Darüber hinaus bestanden 4 sog. Ruhende Arbeitsverhältnisse, z. B. Mutterschutz.
Die aufgelaufenen negativen Zeitkonten betrugen zum Stichtag in der Sparte HWK-S durchschnittlich 53 Stunden und in der Sparte HWM-S 230 Stunden je Mitarbeiter.
Die bereits angesprochene positive Entwicklung beim Auftragseingang für Lkw der Baureihe TGA bedeutet für Salzgitter die Chance, daß das bisher geplante Produktionsprogramm von ca.12.300 Fahrzeugen durch eine zusätzliche Kapazitätserhöhung in der zweiten Jahreshälfte um ca. 600 Fahrzeuge auf insgesamt ca. 12.900 Fahrzeuge angehoben werden kann. Dazu wäre von August bis Dezember die Bandauflage auf arbeitstäglich 62 Fahrzeuge zu steigern. Hierzu ist wegen der technischen Kapazitäten eine Betriebsnutzungszeit je Schicht von wöchentlich 45 Stunden notwendig.
Um die Arbeitsbelastung der Mannschaft dabei in einem vertretbaren Rahmen zu halten, verhandelt die Geschäftsleitung der GE H derzeit mit dem Betriebsrat über die Anwendung neuer, sog. rollierender Schichtmodelle. Hierunter sind Schichtmodelle zu verstehen, bei denen die individuelle wöchentliche Arbeitszeit des Einzelnen von der Betriebsnutzungszeit der Fertigung abweicht. In dem konkreten Fall bedeutet dies eine Betriebsnutzungszeit von 45 Wochenstunden bei einer durchschnittlichen individuellen Wochenarbeitszeit von 40 Wochenstunden. Auf der Basis eines Schichtplanes arbeitet der einzelne Mitarbeiter 7 Werktage lang 9 Stunden täglich. In diesen 7 Werktagen werden gegenüber einer 40 Stundenwoche zusätzlich 7 Plusstunden erarbeitet. Diese 7 Plusstunden werden in Form eines freien Tages am 8.ten Werktag abgefeiert.
Mit einem solchen Schichtmodell erreichen wir nicht nur die gewünschte Kapazitätserhöhung in der Lkw-Montage, sondern wir haben zudem die Chance, den zusätzlichen Personalbedarf in HWM-S mit Personalüberkapazitäten in HWK-S oder der im Interessenausgleich zugesagten Personalübernahme aus dem Bereich des Busbaus zu decken.
Darüber hinaus werden bei diesem Modell die negativen Zeitkonten der Mitarbeiter aus HWM-S bis zum Jahresende deutlich entlastet. Wir gehen von einer kurzfristigen Einigung mit dem Betriebsrat zu den diskutierten Arbeitszeitmodellen aus. Die Wochenarbeitszeit in den Bereichen von HWK-S, in denen dreischichtig gearbeitet wird, verbleibt bei 37,5 Wochenstunden.
Durch die vorgenannten Maßnahmen ergäben sich in der Sparte HWM-S zum Jahresende hin Zeitkontenstände von durchschnittlich ca. minus 215 Stunden pro Mitarbeiter, also eine Reduzierung um ca. 15 Stunden, und in HWK-S von durchschnittlich ca. minus 52 Stunden pro Mitarbeiter, also kein weiteres Anwachsen der negativen Zeitkonten.
Die Entwicklung des Unfallgeschehens im laufenden Geschäftsjahr ist ausgesprochen positiv. Die Vielzahl der noch in 2003 eingeleiteten und umgesetzten Maßnahmen zeigt nachhaltig Wirkung. So konnte beispielsweise die Anzahl der meldepflichtigen Unfälle im Bereich der Achsmontage in den Monaten Januar bis Juni um 78 % gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum reduziert werden. Die Verbandbucheintragungen reduzierten sich im Vergleichszeitraum ebenfalls um 38 %. Insgesamt reduzierte sich das Unfallgeschehen gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum in der GE H um weitere 27 %. Somit sind wir in der GE H unserem gesetzten Ziel "das MAN-Werk mit der geringsten Unfallquote im GJ 2004 zu werden" einen weiteren Schritt näher gekommen.
Die bisher in der Geschäftseinheit erzielten Produktivitätssteigerungen betragen in den einzelnen Sparten zwischen 7 % und 8 %. Damit haben wir die Halbjahresziele des Standortes Salzgitter für das Geschäftsjahr 2004 erreicht. Wir gehen davon aus, das wir mit den geplanten und besprochenen Maßnahmen die angestrebte Produktivitätssteigerung von 10 % gegenüber dem Vorjahr erreichen werden. Zu diesem Erfolg haben Sie, meine Damen und Herren, durch Ihr aktives Mitarbeiten bei der Verbesserung der betrieblichen Abläufen den vielen durchgeführten Workshops und Projektgruppen maßgeblich beigetragen. Die persönlichen Gespräche im Anschluß an die verschiedenen Workshops haben mir gezeigt, daß die eingeschlagene Vorgehensweise bei der gemeinsamen Gestaltung der betrieblichen Abläufe richtig ist. Für die offenen und ehrlichen Gespräche und die vielen Anregungen möchte ich mich persönlich bei den Beteiligten bedanken.
Ich weise an dieser Stelle bewußt nochmals alle Skeptiker und Kritiker dieser Maßnahmen darauf hin, daß alle bisher erarbeiteten Vorschläge vom KVP-Team erfaßt und gemäß der gültigen Betriebsvereinbarung bewertet wurden. Nach der Umsetzung der Vorschläge wurden den Einreichern die entsprechenden Prämien ausgezahlt.
Ebenso wurde bisher kein Mitarbeiter wegen der eingeleiteten Maßnahmen entlassen. Somit sind vereinzelt getroffene Aussagen, die Geschäftsleitung ziehe die Mitarbeiter doch nur über den Tisch, nicht nur haltlos, sondern entsprechen auch nicht der gelebten Realität und der Denkweise dieser Geschäftsleitung. Die betreffenden Personen möchte ich bitten, ihre Einstellung zu überdenken und die Veränderungsprozesse, die zwingend notwendig sind, engagiert zu begleiten.
In der letzten Betriebsversammlung habe ich darauf hingewiesen, daß die durchgeführten Kostenanalysen und -planungen gezeigt haben, daß wir im Bereich der Achsteilefertigung in der heutigen Form nicht wettbewerbsfähig sind. In mehreren Gesprächen konnten wir die Konzernleitung davon überzeugen, daß es für die Umgestaltung der Achsteilefertigung in Salzgitter ein zukunftsfähiges Konzept gibt. Wir haben den Auftrag erhalten, noch in diesem Jahr einen Stufenplan für die Umsetzung dieses Konzeptes bis Ende 2005 zu erarbeiten. Wir wollen dieses in Abstimmung mit den Beschäftigten und dem Betriebsrat tun und haben dazu auch schon erste Gespräche mit dem Betriebsrat geführt.
Das Konzept beinhaltet die Ausrichtung der Fertigung auf anspruchsvolle Bauteile mit einem mittleren bis hohen Stückzahlvolumen, idealerweise Bauteile für die hiesigen Achs- und Lkw-Montagelinien. Dabei wollen wir das vorhandene Facharbeiterpotenzial und das Spezialwissen in den Bereichen Arbeitsorganisation, Arbeits-/Prozessplanung, NC-Programmierung und Werkzeugtechnologie nutzen.
Das Konzept bedeutet aber auch, daß wir uns von der Bearbeitung einer Vielzahl technologisch anspruchsloser Teile mit geringen Fertigungsinhalten und kleinen Stückzahlen trennen müssen. Die Kosten für die Arbeitsplanpflege / NC-Programmierung, die Instandhaltung und Lagerung von Vorrichtungen sowie den Aufwand für die Steuerung der Aufträge und die Beschaffung der Rohteile für diese Bauteile sind nicht durch entsprechende Marktpreise zu decken. Somit müssen diese ungedeckten Kosten kalkulatorisch auf die restlichen Bauteile umgelegt werden. Hierdurch werden deren Fertigungskosten negativ beeinflußt und somit Fortbestand der Fertigung dieser Teile gefährdet.
Diese Bereinigung des Teilespektrums allein wird aus heutiger Sicht jedoch nicht ausreichen, die wirtschaftliche Fertigung des verbleibenden Teilespektrums mittelfristig zu sichern. Hierzu ist eine Vielzahl von organisatorischen Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität und Senkung der Prozeßkosten notwendig. Hierzu zählen beispielsweise die Einführung von Gruppenarbeit in neugestalteten Fertigungsbereichen, Mehrmaschinenbedienung, Erhöhung der Maschinenverfügbarkeit durch laufzeitparalleles Rüsten, Erhöhung der Maschinennutzungszeiten auf mindestens18 Wochenschichten und die Integration von indirekten Tätigkeiten in die Arbeitsgruppen.
Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Wirtschaftlichkeit nachhaltig zu steigern, werden wir uns auch über die Gestaltung von Arbeitszeitmodellen und Entlohnungssystemen unterhalten müssen.
Erste Schritte für eine Umgestaltung der Fertigungsabläufe unter Berücksichtigung des vorgenannten Konzeptes sind bereits eingeleitet. So werden derzeit die Bearbeitungsmaschinen für die großvolumigen Achsbauteile in den Bereich des ehemaligen Presswerks, Halle 5, umgezogen. Zudem werden noch in diesem Jahr weitere BAZ in den Bereich der Schweißerei integriert, um die zeitnahe Fertigung von Kleinteilen für Tragachsen und Frontquerträger in unmittelbarer Nähe zu den verbrauchenden Schweißprozessen zu ermöglichen. Somit konzentrieren wir alle Fertigungsprozesse für die Herstellung der unterschiedlichsten Achsmittelstücke in diesem Hallenbereich und erreichen damit einen kurzen, geradlinigen Materialfluß in Nord-Süd-Richtung der Halle 5.
Durch die Demontage des alten Vorrichtungslagers im Innenhof haben wir zudem die Voraussetzung dafür geschaffen, das bis Ende diesen Jahres an dieser Stelle neue Büroräume und kombinierte KVP-/Pausenplätze für die Mitarbeiter der Kurbelwellen- und Teilefertigung entstehen und bezogen werden können.
Über den weiteren Fortschritt des Projektes werden wir Sie regelmäßig im Rahmen der Projektgespräche, per Aushang an den Informationspunkten und auf den Betriebsversammlungen informieren.
Die Planungs- und Realisierungsmaßnahmen zu Projekt "Salzgitter 18.000 Plus" laufen planmäßig. Derzeit entsteht südlich der Lkw-Montage die Hallenerweiterung für die Einrichtung des Rahmenbaus und des Prüfzentrums. Parallel finden in der Halle 20 die Umbau- und Einrichtungsmaßnahmen für den neuen Nachmontage- und Endausrüstungsbereich statt. Der erste Bauabschnitt wurde bereits fertiggestellt. Der zweite Bauabschnitt soll bis zum vierten Quartal diesen Jahres abgeschlossen werden.
Die Auftragsvergabe für den Neubau der Chassislackierung an Fa. Dürr ist erfolgt. Derzeit laufen noch die Vergabeverhandlungen für die Stahlkonstruktion zur Aufnahme der Applikationstechnik und der Abluftbehandlungsanlage. Die neue Lackieranlage soll zum Jahreswechsel 2005/2006 den Serienbetrieb aufnehmen.
Mit Abschluß des in Auftrag gegebenen Brandschutzgutachtens für die von der GE H genutzten Hallenbereiche beginnen die Abstimmungsgespräche mit den örtlichen Behörden und der Feuerwehr. Nach gemeinsamer Festlegung der feuerpolizeilichen und baubehördlichen Auflagen kann die Gestaltung der Gebäudehülle erfolgen. Auf der Grundlage bereits durchgeführter Grundsatzuntersuchungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen werden die gebäudetechnischen Maßnahmen zur Be- und Entlüftung der Hallenschiffe sowie die Nutzung des Tageslichtes zur natürlichen Ausleuchtung der Arbeitsbereiche, z. B. durch Installation von RWA im Dach, detailliert.
Für die räumliche Zusammenführung der Bereiche Materialmanagement und Qualitätswesen wird gerade ein Bürokomplex aus Industriecontainern an der Nordseite des Lkw-Lagers aufgebaut. Der Bezug des Gebäudes soll bis Ende Juli erfolgen. Im Anschluß an dieses Gebäude entstehen Meßräume und Labore für das Qualitätswesen. Die bisher von diesem Bereich genutzten Räume im Süden der Halle 4 werden der Lkw-Montage im Rahmen Salzgitter 18.000 Plus zugeschlagen bzw. zu Büroräumen und kombinierten KVP-/Pausenplätzen für die Bereiche Achsmontage und Rahmenbau Lkw umgebaut.
Die Summe aller von mir genannten notwendigen Veränderungen und zugehörigen Maßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil zum Erhalt und Ausbau des Standortes. Die aufgezeigten Baumaßnahmen und die geplanten Investitionen sind ein Indiz für den wirtschaftliche Erfolg der GE H am Standort.
Der Standort genießt wegen seiner Leistungsfähigkeit innerhalb des Teilkonzerns und bei der Konzernleitung mittlerweile ein sehr hohes Ansehen. Darauf können wir stolz sein, denn dies war nicht immer so.
Ich gebe jedoch zum Abschluß meiner Ausführungen, gerade auch im Hinblick auf die anstehenden Planungen zur Umgestaltung der Achsteilefertigung, folgendes zu bedenken. Die Fortführung der positiven Entwicklung der GE H am Standort wird nur dann erreicht werden, wenn es uns gelingt, daß wir uns auch zukünftig den Markterfordernissen im Hinblick auf Lieferzeiten, Liefermengen, Qualität und Kosten anpassen. Hierzu kann die Geschäftsleitung technische, organisatorische und bauliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen schaffen. Der wirtschaftliche Erfolg des Standortes hängt jedoch maßgeblich von der gemeinsamen Überzeugung ab, daß es auch zukünftig richtig ist, alle Aspekte und Handlungsalternativen zur nachhaltigen Verbesserung der Erfolgsfaktoren miteinander zu diskutieren und dann das dazu Notwendige und Machbare einvernehmlich umzusetzen Auch wenn es zunächst von dem einen oder anderen als einseitige oder ungerechte Belastung empfunden wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!