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Ansprache zur Kündigungsklagenübergabe

erstellt von dave — zuletzt verändert: 29.06.2011 08:58
Auszug aus der Ansprache zur Übergabe der ersten Kündigungsklagen bei der Demo am 10.12.2003

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Wir kämpfen nicht um unsere Arbeitsplätze, weil es Spaß macht, sondern weil es um unsere Existenz geht, um die Existenz und Zukunft unserer Kinder und Familien.

Stellenabbau bedroht die Region, selbst den Wirtschaftsraum Deutschlands.

Es wird die soziale Grundordnung angegriffen. Die Arbeitgeber wollen sich aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung schleichen.

Es ist leider eine Tatsache, dass die Jobsuche ab einem gewissen Alter oder mit einer Behinderung nahezu aussichtslos ist, selbst mit Zeitarbeit ist es schwierig.

Die Selbständigkeit z.B. als IchAG ist geprägt von Konkursen und den Verlust des sozialen Netzes.

Jeder weiß nach einen Jahr Arbeitslosigkeit, steht die Sozialhilfe vor der Tür. Ein Vergnügen Sozialhilfeempfänger zu sein, war es noch nie, unter den geänderten gesetzlichen Bedingungen ist es das erst recht nicht.

Wir sollten freiwillig in eine externe Beschäftigungsgesellschaft, genannt Transfergesellschaft gehen oder den uns wichtigen Arbeitsplatz per Aufhebungsvertrag und Abfindung aufgeben. Wir konnten diese Bedingungen, u.a. wegen Unterhaltsverpflichtungen nicht akzeptieren, auch nicht unter Druck. Nur weil ein freiwilliges und unverlangtes Angebot nach reiflicher Überlegung und Abwägung nicht angenommen wird, wurde jetzt mit den angedrohten arbeitsrechtlichen Konsequenzen begonnen.

Die „Erste Welle“ wurde zur Abschreckung gekündigt. Soviel zur freien Entscheidungsmöglichkeit und der Achtung der Grundrechte durch den Arbeitgeber.

Oder war dies ein unmißverständlich Angebot von schwarz gekleideten Herren, wie wir sie aus einigen Hollywood-Filmen kennen? Ja, wo leben denn die Entscheidungsträger? Welches Rechtsempfinden haben die denn?

Du darfst dich für das Entscheiden, was ich, dein Arbeitgeber dir vorschreibe?

MAN / NEOMAN kündigt, nicht der Betriebsrat, nicht die Verwaltungsstelle Salzgitter. Aber warum ziehen alle an einem Strang? Empfehlen sogar den offensichtlichen Rechtsbruch bei der Sozialauswahl hinzunehmen.

Hinnahmen von Rechtsbruch bedeutet aber, dass Rechtsbruch normal wird, dass die Rechte von Arbeitnehmern mehr und mehr zu Makulatur werden; und das sind die Rechte aller Arbeitnehmer, nicht nur der Gekündigten.

Wir vertrauen auf die Gerechtigkeit, die Unabhängigkeit des Hauses im Hintergrund und auf das, was es verkörpert.

Der drohende Stellenabbau hat bekanntlich seine Ursachen im schwächelnden Markt, in der Verlagerung von Arbeit in Billiglohnländer, Profitstreben / Umsatzrendite im zweistelligen Bereich, aber nicht in der Haltung von den Betroffenen, die als „Verweigerer“ beschimpft werden.

Das wir hier vor den Arbeitsgericht stehen ist eine Reaktion auf diese Personalabbau-Methoden und nicht deren Ursache.

Friedrich Merz hat sich im Deutschen Bundestag zum Arbeitnehmer- und Tarifrechte geäußert:

„In Deutschland kann eine nach kanonischem Recht geschlossene katholische Ehe leichter geschieden, als ein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden.“

Sollen im Rahmen der Reformen, das Kündigungsschutzgesetz durch das deutsches Scheidungsrecht ersetzt werden? Wäre ein kreativer Ansatz und würde in unser Reformhaus Deutschland passen:

  • Zerrüttungsprinzip – 1 Jahr getrennt leben
  • Vermögensauskunft wegen Zugewinnausgleich
  • Versorgungsauskunft wegen Versorgungsausgleich
  • Der wirtschaftlich Stärkere schuldet dem wirtschaftlich Schwächeren nach der Scheidung Lebensunterhalt bis an das Lebensende.

Dies alles wäre eine Verbesserung gegenüber dem Arbeitsrecht, jeder der Geschieden ist, kann dies nachvollziehen. Dazu als Vergleich die Eckdaten des Arbeitsrechts:

  • maximal 7 Monate Kündigungsfrist
  • geringe Abfindungszahlungen – außer man ist Vorstand
  • keine spätere Verpflichtung

Auszug aus dem Geschäftsbericht MAN Nutzfahrzeuge AG 2002 zur Erinnerung

"Entwicklung des Personalstandes

Zum 31.12.2002 waren in der MAN Nutzfahrzeuge Gruppe 34 398 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ohne Auszubildende und Leiharbeitnehmer) beschäftigt. Dies waren 1 348 weniger als im Vorjahr. Der im Geschäftsjahr 2002 aus konjunkturellen und strukturellen Gründen durchgeführte Stellenabbau betraf überwiegend die Belegschaften in den produzierenden Geschäftseinheiten einschließlich der englischen Tochtergesellschaft ERF und der deutschen Bus-Gesellschaften. Die Reduzierung der Belegschaft erfolgte planmäßig und weitgehend sozialverträglich durch den Auslauf befristeter Arbeitsverträge, den Abschluss von Aufhebungsverträgen und Vorruhestandsregelungen, durch Altersteilzeitverträge sowie durch den Aufbau von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften in Salzgitter und Berlin. Im Rahmen unserer Bus-Reorganisation erfolgte ein Aufbau von Arbeitsplätzen vor allem in den Werken in Polen (+379) und in der Türkei (+307). Auf Verschiebungen im Produktionsprogramm innerhalb des Geschäftsjahres konnte flexibel mit entsprechenden Schichtsystemen durch Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeiten im Rahmen der mit den Betriebsräten vereinbarten Arbeitszeitkontenregelungen reagiert werden."

Was sich so gut für Aktionäre und Banker liest, sehen wir hier in der Realität:

  • Entzug der Erwerbsmöglichkeit
  • Aussonderung von älteren Mitarbeitern
  • Diskriminierung von Behinderten
  • Willkürliche, nicht nachvollziehbare Auswahl aus einem Betriebsteilbereich
  • Zerstörung der sozialen Grundlagen

Jedes Jahr immer mehr Mitarbeiter - Salamitaktik.

Heute wir – nächste Jahr andere

Wenn ich auf den Korb mit den Schriftsätzen zur Klageerhebung sehe, macht mich dies traurig, dass es so weit kommen musste.

  • Das Managementfehler wiedermal die Beschäftigten ausbaden müssen.
  • Das zur Gewinnoptimierung, den Manager nur Entlassungen einfallen.
  • Das Kenngrößen, wie ProKopfgewinn wichtiger sind, als motivierte Mitarbeiter.
  • Das von sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung gesprochen wird und gleichzeitig langjährige Mitarbeiter aus der Firma gedrängt werden.
  • Das über hohe Soziallasten der Arbeitgeber debattiert wird und diese gleichzeitig zur Gewinnsteigerung diese in Anspruch nehmen. In Beschäftigungsgesellschaften wird strukturiertes Kurzarbeitergeld in Hohe des Arbeitslosengeldes bezahlt und die Mitarbeiter ohne Ansehensverlust entsorgt.

Aber ich bin auch Stolz.

Auf die Runden, wo wir gemeinsam über Lösungsmöglichkeiten diskutiert haben.

Das es Kollegen und Kolleginnen gibt, die den Mut haben gegen Ungerechtigkeit vorzugehen und Position beziehen.

Auf den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung.

Ich hoffe, das wir dies ebenso eindrucksvoll bei den anstehenden Terminen zeigen, wie beim Gütetermin letzter Woche für unserem fristlos gekündigten Ersatzbetriebsrat.

Der nach meiner persönliche Überzeugung nur mit vorgeschoben Gründen, wegen seiner öffentlichen gewerkschaftlichen Arbeit abgestraft worden ist.

Wir haben erlebt was Solidarität bewirken kann.

Wir haben schon einiges Umdenken erreicht.

Wir befinden uns nicht auf dem Kriegspfad, sondern auf dem Rechtspfad.

Der Arbeitgeber kann jederzeit kündigen. Das ist sein gutes Recht. Nur ob Kündigungen deshalb Rechtens sind, dies ist eine andere Frage. Wir haben nicht nur das Recht, sondern sogar die gesetzliche Verpflichtung eine ungerechtfertigte Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Deshalb sind wir hier.

Wir haben berechtigte und ernsthafte Zweifel, dass die ausgesprochenen Kündigungen korrekt durchgeführt wurden.

Wir wollen Arbeiten.

Wir wollen nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegen.

Diese Kündigungen waren unnötig und stellen kein „ultima ratio“ dar.

Wir kennen die Risiken unseres Handelns. Wir haben uns informiert. Wer kämpft, der kann verlieren – Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Wer nichts mehr zu verlieren hat, kann nur noch gewinnen. Wir haben uns für diesen Weg entschieden. Freiwillig und nach reiflicher Überlegung. Wir hätten gerne darauf verzichtet, aber uns wurde gekündigt. Dies lag nicht in unserer Entscheidungsmöglichkeit.

..... (Harry K)

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