BS310304

erstellt von manoman zuletzt verändert: 18.08.2008 10:11

Vorwort:
Das nachfolgende ergangene Urteil des Arbeitsgerichtes Braunschweig steht sinngemäß für alle am 31.03.2004 vergleichbaren Termine. Es ist eine Ergänzung zu den Gerichtsberichten.

Es wurde die vollständige Wiedergabeform gewählt, weil Ausschnitte oder Zitate einen sinnentstellende neuen Text oder aus dem Zusammenhang gerissenen Vortrag ergeben können. Kommentierung wurden auch deshalb unterlassen, um keine Meinungsbildung vorzuprägen.
BGH 20.5.1958 (Fn 91) BGHZ 27, 284, 288: "schon durch Kürzungen den Sinnzusammenhang entstellen"
BVerfG 15.12.1999 - 1BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 = NJW 2000, 1021, 1022 [I 1b, bb]: Änderung des Sinngehalts der Aussagen

Zum Schutz beteiligter und/oder betroffener KollegInnen sind wenige Angaben durch xxxxx ersetzt worden. Die Umsetzung aus der Papierform wurde mit Sorgfalt durchgeführt, doch Fehler sind nicht vollständig auszuschließen.


URTEIL Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Xxxxxxxxxx, 38xxx Xxxxxxxxxx

  • Kläger –

Prozessbevollmächtigte/r:
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

gegen

Firma NEOMAN Bus GmbH, vert.d.d. GF Wolfgang Fahrnberger, Wolfgang Andrich, Ernö Bartha, Bengt Hamsten und Martin Scharrer, Heinrich-Büssing-Str. 1, 38239 Salzgitter

  • Beklagte –

Prozessbevollmächtigte/r:
GF Casper, Assin Schulte-Schrepping, Ass. Langelotz, Assin Fasterding und Ass. Kieper, Verband der Metallindustriellen Niedersachsens e.V., Landesverband Braunschweig, Güldenstraße 19/21, 38100 Braunschweig

Wegen Feststellung

hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 31.03.2004

durch den Richter am Arbeitsgericht Bertram
als Vorsitzenden
und die ehrenamtlichen Richter H. Meyer und A. Leunig
als Beisitzer

für Recht erkannt:

1) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.11.2003 nicht beendet worden ist.

2) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum 30.06.2004 zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Xxxxxx weiter zu beschäftigen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4) Der Streitwert wird auf xxxx EUR festgesetzt.

TATBESTAND:

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am xx.xx.19xx geborenen, xxxxx und gegenüber x Personen zu Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem xx.xx.19xx als Xxxxxx zu einem Bruttomonatsvergütung von x.xxx Euro beschäftigt. Mit Bescheid vom xx.xx.200x hat das Versorgungsamt Braunschweig einen Grad der Behinderung von xx % seit dem xx.xx.200x festgestellt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

Die Beklagte unterhält mit verschiedenen Gesellschaften 7 Produktionsstandorte. Im Jahr 2003 waren bei der Beklagten 1241 produktive Beschäftigte tätig. Ein für die Beklagte zuständiger Betriebsrat ist gebildet.

Das Ergebnis der Beklagten wies für die Geschäftsjahre 2001 und 2002 Verluste von 77 und 85,5 Mio. Euro aus. Die Geschäftsleitung entwickelte eine strategische Unternehmensplanung (kurz SUP), die von der Mutergesellschaft, der MAN Nutzfahrzeuge AG im November 2002 verabschiedet wurde. Nach diesem Konzept sollen in Salzgitter die Stadt- und Reisebusse ab dem 01.01.2004 nicht mehr vollständig dort, sondern in einem Fertigungsverbund erfolgen (Bereich Busausbau). Der Standort Salzgitter soll das Zentrum zur Montage von Bodengruppen und Fahrgestellen werden (Bereich Chassis und Bodengruppen). Schließlich soll in Salzgitter ein Produktionstechnologiezentrum „Pro Tech“ für Stadtbusse mit 34 Mitarbeitern errichtet werden (Bereich Pro Tech). Der Bereich „Vor-Teilefertigung einschl. CKD“ mit 102 Mitarbeitern bleibt unberührt. Neu geschaffen wurden zum 01.01.2004 50 Arbeitsplätze bei der Beklagten im Lager in dem ein fremdvergebener Auftrag zurückgeholt wurde.

Hintergrund des Konzeptes sind geringere Lohnkosten in Polen und Tschechien, die zu einem Ergebnisbeitrag von 41 Mio. Euro bis zum Jahr 2005 führen sollen. Seit dem Jahr 2002 wurden verschiedene Produktionsvorrichtungen nach Polen bzw. Tschechien verlagert.

Die Beklagte plant für das Jahr 2004 mit einem Personalbedarf von 650 Beschäftigten im produktiven Bereich. Sie legt dabei pro Mitarbeiter 1436 Arbeitsstunden pro Jahr zugrunde (Bl. 100 d.A.). Die in Ansatz gebrachten Fertigungsstunden beruhen auf Erkenntnissen im Rahmen der REFA Methode, die Stückzahlen auf Markteinschätzungen und Marktanalysen.

Die Beklagte und die MAN Nutzfahrzeuge AG schloss am 30.04.2003 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich im Hinblick auf den geplanten Personalabbau. Wegen des Inhalts neben Protokollnotizen und Ergänzungen vom 04.06.2003 wird auf die Bl. 67 – 81 d.A. Bezug genommen.

Zum Zeitpunkt des 07.11.2003 waren noch 1081 produktive Mitarbeiter beschäftigt. Zur Vermeidung 100 weiterer betriebsbedingter Kündigungen vereinbarten die Betriebsparteien 100cproduktive Beschäftigte durch die Absenkung der tariflichen Arbeitszeit weiterzubeschäftigen.

Am 21.11.2003 vereinbarten die Betriebsparteien eine Auswahlrichtlinie (Bl. 84 d.A.) und auf der Basis des Interessensausgleichs vom 30.04.2003 Korrekturmaßnahmen wegen eines laut der Präambel noch bestehenden Personalüberhangs von 381 produktiven Beschäftigten (Bl. 85 – 87 d.A.). Wegen der auf der Grundlage der vereinbarten Auswahlrichtlinie von der Beklagten erstellten Namensliste wird auf die Bl. 29 – 48 d.A. Bezug genommen. Die Liste enthält 828 Arbeitnehmer, die die Beklagte in die Sozialauswahl einbezogen hat. Die Liste weist den Kläger mit xx Punkten aus.

Mit Schreiben vom 21.11.2003 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer Kündigung des Klägers an (Bl. 50 – 66 d.A.) der der Betriebsrat am 27.11.2003 zustimmte. Am 28.11.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und sowie weitere 60 Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern, die einem Wechsel in die gebildete Transfergesellschaft nicht zugestimmt hatten.

Mit der am 11.12.2003 beim Arbeitsgericht Braunschweig erhobenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung.

Er behauptet, er könne auf anderen Arbeitsplätzen bei der Beklagten bzw. der MAN Nutzfahrzeuge AG weiter beschäftigt werden. Er rügt die vorgenommene Sozialauswahl als nicht ordnungsgemäß und meint hierzu, das Punkteschema sei unausgewogen. Ferner bestreitet er die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates insbesondere im Hinblick auf die Mitteilung der Sozialdaten vergleichbarer Mitarbeiter.

Der Kläger beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.11.2003 nicht beendet wird,

2) im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum 30.06.2004 zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Montagexxxxx weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ab dem Jahr 2004 erfolge der Rohbau von Bussen im Gegensatz zum Jahr 2003 in Tochterwerken in Polen. Insgesamt ergebe sich im Jahr 2004 ein Personalbedarf im Bereich Busausbau einschließlich Personalreserve von 255 Mitarbeitern, im Bereich Chassis und Bodengruppen von 269 Mitarbeitern sowie 136 Mitarbeiter in den Bereichen Pro Tech und Vor-Teilefertigung einschließlich CKD. Im Bereich Busausbau ginge der Bedarf von 817.701 auf 351.811 Fertigungsstunden zurück. Wegen der Berechnung der Beklagten wird auf die Bl. 19 – 21 d.A. Bezug genommen. Die Stückzahlen für den Chassisfertigung seien rückläufig. Entgegen dem rechnerischen Personalbedarf im Bereich Chassis und Bodengruppen von 291 Arbeitnehmern seien aufgrund einer vom Vorstand eingeplanten Produktivitätssteigerung von 7 % nur 270 Mitarbeiter einzuplanen. Am Stichtag 18.11.2003 habe noch ein Personalüberhang von 276 Mitarbeitern bestanden. Sie habe allen Mitarbeitern mit laut Namensliste weniger als 67 Punkten gekündigt bzw. werde diesen kündigen. Die Arbeitsplätze im Lager seien nur mit Mitarbeitern mit mehr als 67 Punkten besetzt werden. Sie habe den Betriebsrat die Namensliste mit vergleichbaren Mitarbeitern vorgelegt.

Wenn des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die zulässige Klage ist begründet

Die Kündigung der Beklagten vom 28.11.2003 ist unwirksam. Die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 2 KSchG.

Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, da der Kläger länger als 6 Monate bei der Beklagten tätig ist (§ 1 Abs. 1 KSchG) und bei der Beklagten regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind (§ 23 Abs. 1 KSchG).

Die Kündigung ist nicht aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Eine auf die Beendigung des Arbeitsverhältnis gerichtete Kündigung des Arbeitgebers ist aus betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG dann gerechtfertigt, wenn in entsprechendem Umfang ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist. Eine Kündigung ist aus betriebsbedingten Gründen somit dann gerechtfertigt, wenn entweder unmittelbar infolge Umsatz-/Auftragsrückgangs oder aber infolge gestaltender – insbesondere organisatorischer – und dem Gericht nicht auf Zweckmäßigkeit zu prüfende Entscheidung des Arbeitsgebers der Arbeitsanfall so zurückgeht, dass auf einen oder mehrere Arbeitnehmer verzichtet werden kann. Es muss hinsichtlich der verbliebenen Arbeitsmenge ein Überhang an Arbeitskräften entstanden sein. Auf den Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes kommt es nicht an, sondern auf den Rückgang der Arbeitsmenge innerhalb eines Beschäftigungsbereiches (vgl. BAG v. 07.12.1978 und 24.10.1979, AP Nr. 6 und 8 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 15.06.1989, Seite 65)

Auch die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, stellt grundsätzlich eine vom Gericht hinzunehmende unternehmerische Entscheidung dar, die nur darauf zu überprüfen ist, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber hat zunächst regelmäßig nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast im Einzelnen darzulegen, dass und wie die von ihm getroffene Maßnahme durchgeführt werden soll. Er hat darzulegen, in welchem Umfang die maßgeblichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, so dass nachvollziehbar ist, dass und wie die Arbeiten zukünftig mit dem reduzierten Personalbestand ausgeführt werden können. Dabei steigen die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers, je näher die unternehmerische Entscheidung an den eigentlichen Kündigungsentschluss heranrückt (BAG v. 17.06.1999, 2 AZR 141/98, DB 1999, S. 1909; BAG v 17.06.1999, 2 AZR 522/98, DB 1999, S. 1910).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze hat die Beklagte die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht nachvollziehbar dargelegt. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen.

Die Beklagte stützt die Kündigung zum einen auf eine unternehmerische Entscheidung, deren Kern aus der Verlagerung gewisser Produktionsabschnitte ins Ausland besteht. Zum anderen stützt die Beklagte ihre Personalbedarfsplanung zumindest im Bereich Chassis auf zurückgehende Stückzahlen, also außerbetriebliche Gründe.

a)

Die Beklagte hat nach Auffassung der Kammer bereits rechnerisch den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Beklagte behauptet, es müssen insgesamt 591 Arbeitsplätze abgebaut werden bzw. zum Zeitpunkt des 07.11.2003 noch 431 Arbeitsplätze.

Ein entsprechender Wegfall von Arbeitsplätzen kann nicht nachvollzogen werden. Nach den Angaben der Beklagten fallen im Bereich Busausbau im Jahr 2004 gegenüber dem Jahr 2003 465.890 Fertigungsstunden weniger an. Dies entspricht bei 1436 Fertigungsstunden pro Mitarbeiter und Jahr einem Minderbedarf von 325 Arbeitnehmern. Im Bereich Chassis legt die Beklagte einen Rückgang der Fertigungsstunde um 8.965 und im Bereich Bodengruppe einen Anstieg der Fertigungsstunden um 89.376 dar. Es ergibt sich insgesamt ein Mehrbedarf an Fertigungsstunden unter Berücksichtigung der behaupteten Produktivitätssteigerung von 7 % von 74.782 Fertigungsstunden. Dies entspricht 52 Mitarbeitern.

Es ist nicht ersichtlich, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten bzw. die von ihr vorgetragenen verminderten Stückzahlen zu einem darüber hinausgehenden Wegfall von Arbeitsplätzen führen. Vielmehr wurden im Lagerbereich durch das Zurückholen eines Auftrags 50 Arbeitsplätze geschaffen und es wird der bisher wohl nicht vorhandene Bereich „Pro Tech“ mit 34 Arbeitnehmern geschaffen.

Die Beklagte genügt ihrer Darlegungslast nicht, in dem nur der zukünftige Bedarf von 650 Mitarbeitern erläutert wird, ohne dass nachvollzogen werden kann, dass in dem behaupteten Umfang Arbeitsplätze wegfallen.

b)

Darüber hinaus ist der Wegfall von 21 Arbeitsplätzen im Bereich Chassis- und Bodengruppen von der Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Zur Begründung trägt die Beklagte eine Vorgabe des Vorstandes vor, in dem Bereich eine Produktivitätssteigerung von 7 % einzuplanen.

Hierbei handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die dem Kündigungsentschluss im Hinblick auf 21 Mitarbeitern gleichkommt. Die Beklagte hat entgegen den oben genannten Grundsätzen nicht im Einzelnen dargelegt, auf welchen Überlegungen diese angenommene Produktivitätssteigerung beruht und wie die Umsetzung erfolgen soll. Die Durchführbarkeit dieser Entscheidung und damit der dauerhafte Wegfall von 21 Arbeitsplätzen kann nicht nachvollzogen und überprüft werden.

c)

Schließlich ist nach Auffassung der Kammer bereits der Ansatz der Beklagten, bei dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten nicht nach Berufsgruppen zu unterscheiden nicht nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung kommt es auf den Rückgang der Arbeitsmenge in einem Beschäftigungsbereich an. Die Beklagte legt ihrer Darlegung einen einheitlichen Beschäftigungsbereich nämlich den gesamten produktiven Bereich zugrunde. Beschäftigt werden bei der Beklagten aber nicht einheitlich qualifizierte Mitarbeiter, sondern wie gerichtsbekannt ist, Mitarbeiter als z.B. Montage-Schlosser, Lackierer, Tischler oder Polsterer. Dementsprechend hat die Beklagte als Anlage eine Aufstellung vorgelegt, aus der sich die benötigten Qualifikationen für einzelne Fertigungsabschnitte/Kostenstellen beim Fertigungsdurchlauf eines Busses ergeben. Diese Aufstellung steht im Widerspruch zu dem Ansatz der Beklagten, wonach alle Mitarbeiter überall einsetzbar sind. Es ist nicht vorstellbar und jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt, dass beispielweise ein Schlosser innerhalb von 4 Wochen die Arbeit eines Elektrikers oder Tischlers ausüben kann.

Widersprüchlich zu der Argumentation der Beklagten, der eine universelle Einsetzbarkeit der Mitarbeiter zugrunde liegt ist auch der Umstand, dass über 200 Mitarbeiter, somit fast ein Drittel der zukünftig Beschäftigten, aus der Sozialauswahl auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG herausgenommen wurden. Dazu muss die Weiterbeschäftigung u.a. wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegen. Dies spricht dafür, dass tatsächlich eine universelle Einsetzbarkeit nicht gegeben ist, sondern eine bestimmte Anzahl Arbeitnehmer mit bestimmten Qualifikationen benötigt werden. Hierzu hat die Beklagte unabhängig von der insoweit gegebenenfalls fehlenden Unterrichtung des Betriebsrats – nicht dargelegt, wie sich die oben genannte unternehmerische Entscheidung bzw. der Auftragsrückgang konkret auf die Arbeitsplätze von Lackierern, Montage-Schlossern oder Tischlern etc. auswirkt.

Die Kündigung ist darüber hinaus gem. § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt.

Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitsgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung aus diesem Grund als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen, wobei die Grundsätze der abgestuften Darlegung- und Beweislast zur Anwendung kommen. Hiernach hat auf die Rüge des Arbeitnehmers der Arbeitgeber zunächst die aus seiner Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer mit den entsprechenden Sozialdaten zu benennen. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer zu benennen, bzw. Bereiche zu bezeichnen, in denen vergleichbare und nicht in die Sozialauswahl einbezogene Mitarbeiter beschäftigt sind.

Abweichend davon ist die Darlegungslast verteilt, soweit sich der Arbeitgeber auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG beruft. Hiernach sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Hinsichtlich solcher Arbeitnehmer obliegt dem Arbeitgeber aufgrund des Ausnahmecharakters die primäre Darlegungs- und Beweislast, deren Nichterfüllung das Obsiegen der Klagepartei im Kündigungsschutzprozess zu Folge hat (BAG v. 10.02.1999, NZA 1999, S. 702; LAG Baden-Württemberg v. 22.12.199, 12 Sa 58/99; ErfK/Ascheid, 4. Auflage, § 1 KSchG Rdnr. S19).

Die Beklagte hat vorliegend nach eigenen Angaben eine Sozialauswahl unter 828 Arbeitnehmer durchgeführt. Sie hat somit über 200 Mitarbeiter hiervon ausgenommen. Dem Betriebsrat teilte die Beklagte mit, es seien grundsätzliche alle produktiven Beschäftigten in die Sozialauswahl einzubeziehen (zu den Zweifeln an diesem Vorgehen siehe oben). Die Einschränkung erfolgte unter Berufung auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ( C II. der Betriebsratsanhörung). Danach ist es der Beklagten nunmehr im Prozess verwehrt, sich auf eine etwaige fehlende Vergleichbarkeit einzelner Mitarbeiter zu berufen.

Die Beklagte ist der ihr nach der Rüge der ordnungsgemäßen Sozialauswahl obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie hat nicht substantiiert zu den über 200 Arbeitnehmern die Gründe gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vorgetragen.

Nach allem war dem Feststellungsantrag stattzugeben, ohne dass es auf die übrigen geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe ankommt.

II.

Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB verlangen, während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum 30.06.2004 tatsächlich weiterbeschäftigt zu werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, wenn auf eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist (BAG v. 27.02.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Antragsgemäß war der Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum 30.06.2004 zu beschränken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte gem. den §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 ArbGG, 3, 5 ZPO in Höhe von 3 Bruttomonatseinkommen für den Feststellungsantrag und nach Auffassung der Kammer einen halben für den zeitlich beschränken Weiterbeschäftigungsantrag.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Urteil kann Berufung eingelegt werden.

a) wenn sie im Urteil des Arbeitsgerichtes zugelassen worden ist
oder
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt
oder
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.

Soweit die Voraussetzungen zu a); b) oder c) nicht vorliegen, ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; an seiner Stelle können Vertreter der Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglied Partei sind.

Die Berufungsschrift muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Siemensstraße 10, 30173 Hannover eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Berufung gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Ihr soll ferner eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.

Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils in gleicher Form begründen.

Dabei ist bei nicht zugelassener Berufung der Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen; die Versicherung an Eides Statt ist insoweit nicht zulässig.

Die für die Zustellung an die Gegenseite erforderliche Zahl von beglaubigten Abschriften soll mit der Berufungs- bzw. Begründungsschrift eingereicht werden.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen bittet darum, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung in 5-facher Ausfertigung, für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr, einzureihen.

Bertram

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