UPS Ditzingen: Management verzögert Neuwahl des Betriebsrats
Am 19.10. fand vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart eine ganztägige Verhandlung mit 70 Prozessbeobachtern statt. UPS fuhr fünf Manager auf (M.Betz, H.J. Heuer, U.Niggetiet, V.Mals und U.Socha), die in eidesstattlichen Versicherungen erklärt hatten, dass der Betriebsratsvorsitzende UPS angeboten habe bei einer Abfindung von 130.000 bis 150.000 Euro sein Arbeitsverhältnis mit UPS zu lösen und darüber hinaus jede Betriebsvereinbarung unterschreibe, die UPS wolle. Zudem behaupteten die UPS-Manager, M. Gemili hätte gesagt, die Arbeitnehmer würden ihnen eine Scheißdreck interessieren und es gehe ihm am Arsch vorbei, wenn UPS den Standort Ditzingen dichtmache. Zusätzlich zu diesen Zeugen aus dem Management ließ sich UPS in dem Verfahren gleich von zwei Rechtsanwälten vertreten.
Komplott gegen Betriebsratsvorsitzenden
Doch der Prozess verlief anders als sich UPS das vorgestellt hatte. Gleich zu Beginn machte der Rechtsanwalt der ver.di-Betriebsräte, Uwe Melzer, UPS den Vorhalt, dass sich das UPS-Management komplottartig zusammenschließe, um einen Betriebsratsvorsitzenden und die Betriebsräte, die hinter ihm stehen, fertig zu machen. Die Betriebsräte und ihr Rechtsanwalt konnten nachweisen, dass es bereits 1994 ein ähnlich konstruiertes Verfahren gegen Kollegen bei UPS Ditzingen gegeben hat. Bei ihren Zeugenaussagen verhedderten sich die UPS-Manager in gravierende Widersprüche. Es kam ans Tageslicht, dass UPS-Manager Betz seine eidesstattliche Versicherung um drei Wochen zurückdatiert hat. Es konnte auch keine einzige Betriebsvereinbarung genannt werden, die als Gegenleistung für die Abfindung hätte unterschrieben werden können. Im Frühjahr 2003 stand keine einzige Betriebsvereinbarung an.
Wer nötigt und erpresst hier wen?
Am Ende des Prozesses brachte Rechtsanwalt Uwe Melzer den bis dahin aalglatten und selbstsicher auftretenden Personalchef Volker Mals völlig aus der Fassung und lies ihn rot anlaufen. Er zitierte aus dem versehentlichen Mitschnitt eines defekten Anrufbeantworters des Betriebsrats, aus dem hervorgeht, dass nicht Mahmut Gemili die Firma nötigte und erpresste, sondern UPS den Betriebsratsvorsitzenden. Er belegte dies mit der mündlichen Widergabe des Inhalts eines Anrufs von Volker Mals an Mahmut Gemilis Arbeitsplatz am 17.11.03.
Das Abspielen dieser Aufzeichnung vor Gericht lehnte UPS kategorisch ab. Bei der Vernehmung von Mahmut Gemili wurde auch geklärt, dass dieses Telefonat nicht illegalerweise aufgenommen wurde, sondern Ergebnis eines defekten Anrufbeantworters war, dessen Ersatz durch ein neues Gerät UPS abgelehnt hatte. Zweieinhalb Seiten des 40-seitigen Gerichtsprotokolls beschäftigen sich nur mit der Frage des defekten Anrufbeantworters, der willkürlich ansprang bzw. Gespräche mitschnitt.
Trotz dieses Sachverhalts gab UPS einen Tag nach dem Landesarbeitsgerichtstermin eine Mitarbeiterinformation (PCM) heraus, in dem UPS den Mitschnitt des Telefonats als „ungeheuerlichen Vorgang“ bezeichnete. UPS behauptete sogar, dass die Aussagen von Mahmut Gemili in Bezug auf den defekten Anrufbeantworter „in sich widersprüchlich und wenig glaubhaft“ waren. Weiter heißt es in der Mitteilung von UPS an die „geehrten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: “ Einmal mehr hat sich an diesem Tag gezeigt, dass Herr Gemili nicht nur die Unwahrheit sagt. Ihm scheint mittlerweile jedes Mittel recht zu sein, seine persönlichen Interessen durchzusetzen. Wir sind deshalb mehr denn je davon überzeugt, dass zumindest die Entscheidung der Ersten Instanz bestätigt wird.“ Aus dem zufälligen Mitschnitt des Anrufbeanworteres konstruierte UPS eine weitere – mittlerweile die dritte Kündigung gegen Mahmut Gemili. Kündigungsgrund: illegaler Mitschnitt eines Telefonats. Diese Kündigung wird am 21.2.06 beim Arbeitsgericht verhandelt.
Landesarbeitsgericht entscheidet gegen UPS
Anders als von UPS erwartet, kam das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 30.11.05 zu der Schlussfolgerung, dass „ die beiden untersuchten Sachverhalte eine Auflösung des Betriebsratsgremiums und eine Ausschließung von einzelnen Betriebsratsmitgliedern nicht rechtfertigen.“ Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es „nach Vernehmung der Zeugen Betz und des Betriebsratsvorsitzenden Gemili nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Betriebsratsvorsitzende im Gespräch mit Herrn Betz am 25.04.05 die von der Arbeitgeberin behauptete Äußerung getan hat.“.. Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen Betz ergeben sich für die Kammer insbesondere daraus, dass der Zeuge entgegen dem Datum 26.04.05 seine eidesstattliche Versicherung erst geraume Zeit später, vermutlich erst in der zweiten Maihälfte diktiert hat und deshalb beim Diktat nicht mehr die durch das Datum angedeutete Nähe zu dem Vorfall am 25.04.2005 gehabt haben kann. Zum andern sind auch die widersprüchlichen Angaben des Zeugen zum Ort des Vier-Augen-Gesprächs geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der vom Zeuge zitierten Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden aufkommen zu lassen.“ In dem schriftlichen Beschluss des Landesarbeitsgerichts heißt es weiter: „ Nach Vernehmung der Zeugen Heuer, Niggetiet, Mals und Socha und des Betriebsratsvorsitzenden ist die erkennende Kammer allerdings nicht der Überzeugung...,dass der Betriebsratsvorsitzende in den unstreitig stattgefundenen Abfindungsgesprächen rechtswidrige Gegenleistungen angeboten hat...Die Kammer erkennt in den umfangreichen Aussagen der vier zu diesem Sachverhalt vernommenen Zeugen erhebliche Unterschiede und Widersprüchlichkeiten im Hinblick auf die entscheidende Frage, ob der Betriebsratsvorsitzende verwerfliche Gegenleistungen angeboten oder in Aussicht gestellt hat. Dabei übersieht und verkennt die Kammer nicht auch die Widersprüchlichkeiten und Unsicherheiten in den Vernehmungen des Betriebsratsvorsitzenden Gemili.“
Die Schlussfolgerung des Gerichts ist, dass es keine Rechtfertigung für die Auflösung des Betriebsrats und eine Ausschließung einzelner Betriebsratsmitglieder gibt. Die Untersuchung des Vorwurfs „Aufruf zum Bummelstreik am 18.09.03 wurde auf einen weiteren Gerichtstermin am 10.05.06 vertagt. Das Auftreten der UPS-Manager, ihre widersprüchlichen Aussagen und die Ablehnung das aufgezeichnete Telefonat über ein Abfindungsangebot als Beweis anzuerkennen, drängt den Verdacht auf, dass die UPS-Manager falsche eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben und sich damit strafbar gemacht haben. Um von diesem Verdacht abzulenken, stellt die UPS-Geschäftsleitung in einer Mitarbeiterinformation vom 30.11. 05 den Verlauf der Gerichtsverhandlung und den Beschluss des Gerichts völlig falsch dar. Im Gegensatz zum Gerichtsbeschluss behauptet UPS, dass, „aus unserer Sicht sämtliche Zeugen in sich widerspruchsfreie Aussagen gemacht hatten.“ UPS behauptet weiter, das Gericht hätte festgestellt „auf beiden Seiten – einschließlich der Aussage von Herrn Gemili – seien die Aussagen in sich widersprüchlich und unterschiedlich gewesen.“ Es wird dabei unterschlagen, dass das Gericht im Falle der fünf UPS-Manager „erhebliche Unterschiede und Widersprüchlichkeiten“ feststellt. Glatt gelogen ist die Darstellung von UPS, dass das Gericht „den Vorwurf der Nötigung/Erpressung nicht genügend bestätigt hätten, um unseren Anträgen jetzt schon statt zu geben.“ Fakt ist, dass der Vorwurf der Nötigung/Erpressung vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen wurde. Die Sache ist beim Gericht vom Tisch. Was übrig bleibt ist der Vorwurf Bummelstreik. Und dafür wurde die Verhandlung im Mai 2006 angesetzt.
Außenstehenden drängt sich der Verdacht auf, dass UPS mit seinem Versuch, Mahmut Gemili Ende 2003 zu bestechen, gescheitert ist und deshalb die Sache Erpressung und Nötigung konstruiert hat um Mahmut Gemili mit juristischen Mitteln loszuwerden. Interessante Randnotiz des Prozesses. Rechtsanwalt Uwe Melzer stellte V. Mals die Frage „Trifft es zu, dass Sie veranlasst haben, dass der Herr Gemili und seine Tochter im Juli 2004 durch einen Privatdetektiv überwacht wurden. Der Zeuge Mals: Ich weiss jetzt nicht, was für ein Zusammenhang das ist. Gehört das dazu?“ Nachzulesen im Gerichtsprotokoll Seite 32/33. Die Antwort auf die Frage blieb Mals dem Gericht und den anwesenden 70 Prozessbeobachtern schuldig. In dem Fall ist das auch eine Antwort. Sie heißt: ja es wurde eine Privatdetektei eingeschaltet.
Neuwahl des Betriebsrats
Mahmut Gemili und seine ver.di-Betriebsratskollegen zogen aus dem Verfahren am 19.10. die Schlussfolgerung, dass bei UPS „eine ordentliche Interessenvertretung für die Belegschaft um jeden Preis verhindert werden soll“. Um sich dem Vertrauen der Belegschaft zu stellen und um eine neue Basis für die Betriebsratsarbeit aufzubauen, traten die Kollegen am 28.10. zurück und organisierten vorgezogene Neuwahlen. Der Wahltermin wurde für den 22.12.05 festgesetzt. UPS zog alle Register um diesen Termin zu verhindern. Erst wurde ein kleiner Formfehler genutzt. Dann kam UPS auf die Idee, dass sich am besten Zeit schinden lässt, wenn man vom Betriebsrat verlangt, dass er die Vorabinformation über die Betriebsratswahl in mindestens 10 im Betrieb vertretene Sprachen übersetzen lassen muss. Damit hat UPS erreicht, dass der Wahltermin auf Februar 2006 verschoben werden musste. Nach der Niederlage vor Gericht und dem dadurch für die Manager entstandenen Imageschaden, will UPS offensichtlich erst mal Zeit gewinnen. Zeit, um sich neue Tricks und Schikanen gegen die Betriebsräte und Mitarbeiter bei UPS auszudenken.
Eine Betriebsversammlung am 3.12., bei der der ver.di-Geschäftsführer Bernd Riexinger klar gegen das UPS-Management und für die ver.di-Betriebsräte aufgetreten ist, hat das Kräfteverhältnis im Betrieb erst mal zuungunsten der UPS-Manager verschoben. Damit die Betriebsratswahlen zu einem Erfolg für die ver.di-Betriebsräte und die Belegschaft werden, brauchen die Kollegen in Ditzingen die volle Unterstützung des ver.di-Apparats und bundesweite Solidarität.
...und hier geht´s zum Interview mit dem Anwalt des Stuttgarter Betriebsrats
Diese McFress und WalMart Mentalität eurer Geschäftsleitung ist einfach eklig und bekämpfenswert.
Leider setzt sich eine solche Art, mit Menschen umzugehen, weltweit immer mehr durch.
Man muß sich endlich dagegen wehren und die, die es am schlimmsten treiben als abschreckendes Beispiel für die anderen bestrafen.
UPS ist für mich ein klarer Kandidat für eine Kampagne für Menschenrechte in der Arbeitswelt.
Macht weiter so, ihr Galeerenruderer! Ahoi!