Es ist ein Hilferuf, wie Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) ihn nicht jeden Tag bekommt. Er hat 56 Unterzeichner, deren Alter zwischen Mitte 40 und Anfang 60 liegt. Die meisten von ihnen sind verheiratet und haben Kinder, sie sind gut ausgebildet, etwa als Diplom-Ingenieure, Elektrotechniker oder Mathematiker - und trotzdem sind sie allesamt arbeitslos.
Gemeinsam ist ihnen außerdem, dass sie einst alle bei Nokia Siemens Networks (NSN) gearbeitet haben, einem Gemeinschaftsunternehmen der zwei Konzerne, das inzwischen nicht mehr so existiert. Im Frühjahr 2012 verloren sie im Zuge von Sparmaßnahmen ihren alten Job und mussten in eine sogenannte Transfergesellschaft wechseln. 1300 Mitarbeiter von NSN waren damals in München betroffen, Ziel sollte sein, ihnen über diesen Weg eine neue Arbeit zu verschaffen. Doch genau dieses Anliegen sei weitgehend gescheitert, meinen die Unterzeichner des Schreibens an Zeil. An die 1000 Kollegen seien "trotz intensiver Stellensuche noch immer ohne Job", heißt es in dem Brief, der sich als dringender Hilfeappell liest.
Aus Sicht des Unternehmens stellt sich die Lage etwas anders dar, auch wenn man sich dort der Problematik durchaus bewusst ist. Laut NSN-Sprecherin Victoria Main sind ungefähr 40 Prozent der Mitarbeiter in neuen Jobs, bei den über 50-Jährigen seien es immerhin 30 Prozent. Zudem zahle man 197 Münchnern Zuschüsse zur Existenzgründung. Main betont, dass viele ehemalige Mitarbeiter sehr stark auf die Telekommunikationsbranche spezialisiert seien - und damit auf einen problematischen Markt, was die Jobsuche erschwere. Zudem sei mancher zu wenig mobil. Die Einkommensstufe, von der viele kämen, sei hoch und die Bereitschaft, Abstriche zu machen, eher niedrig.
Michael Leppek, Unternehmensbeauftragter der IG Metall, sieht das ähnlich. Unter anderem zu BMW, EADS und Daimler hätten Mitarbeiter vermittelt werden können, wenn auch nicht immer zu den Konditionen, die die Betroffenen gewohnt gewesen seien. "Es gibt Licht und Schatten", sagt Leppek. Eindeutig zu den Schattenseiten zählt er das Verhalten von Siemens. Erst kürzlich hat der Konzern seine Hälfte an NSN an Nokia verkauft. Aber auch vorher, sagt der Gewerkschafter, habe der Konzern sein Versprechen nicht eingehalten, ehemalige NSN-Mitarbeiter bevorzugt über den internen Stellenmarkt zum Zuge kommen zu lassen. "Ein ganz kleiner Haufen" hätte so Arbeit gefunden, mehr nicht. "Siemens hat sich komplett der Verantwortung entzogen", so Leppek.
"Wir sind natürlich schon gespannt"
Siemens selbst sieht das völlig anders. Man habe bis September vergangenen Jahres etwa 60 ehemalige NSN-Mitarbeiter eingestellt, das sei deutlich mehr als eine Handvoll, sagt ein Sprecher. "Die Qualifikation muss stimmen, aber es muss auch einen passenden Job geben." Die ehemaligen NSN-Mitarbeiter jedenfalls schreiben an Wirtschaftsminister Zeil, sie hätten "im letzten Jahr wirklich alles unternommen, was nur möglich war, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden" - "Alles leider ohne Erfolg." In dem Schreiben nehmen sie Bezug auf eine Kampagne Zeils, die unter dem Motto "Return to Bavaria" um Fachkräfte aus dem Ausland wirbt. Der Slogan "Bayern braucht kluge Köpfe" treffe den Nagel auf den Kopf, nur leider könne man "keinen nachhaltigen Umgang mit dieser Ressource feststellen", kritisieren die Verfasser.
Zeil hat bisher nicht persönlich geantwortet. "Wir sind natürlich schon gespannt, was da kommt", sagt Günther Graf, einer der Verfasser. Immerhin habe eine Mitarbeiterin aus dem Wirtschaftsministerium angerufen und übermittelt, dass Zeil helfend tätig werden will. Man sei grundsätzlich bereit, mit den Betroffenen zu reden, bestätigt auch das Ministerium, dämpft jedoch allzu große Erwartungen. Für gezielte Förderprogramme sei eigentlich das Arbeitsministerium zuständig, für die Arbeitsvermittlung die Bundesagentur für Arbeit. Das Hauptaugenmerk des Ministeriums liege darauf, die Situation für Ältere "durch die richtigen politischen Weichenstellungen zu verbessern", sagt ein Sprecher. Die NSN-Mitarbeiter erhoffen sich mehr. "Wir könnten Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu potenziellen Arbeitgebern gebrauchen", sagt Graf. Wenn es erst einmal gelinge, zu den Fachabteilungen durchzudringen, stießen sie durchaus auf Interesse. Häufig scheitere man bereits an der Personalabteilung.