Kämpfen um die Abfindung

Werksschließung: Arbeiter wollen Ford nicht billig davonkommen lassen

  • Von Rudy Verhaelen, Amsterdam
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Bänder im Ford-Werk im belgischen Genk liegen still. Anlass des Streiks ist die Höhe der Entlassungsprämie, wenn die Fabrik 2014 schließt. Die Gewerkschafter verließen die Verhandlungen aus Unzufriedenheit mit dem Angebot der Unternehmensleitung.

Die Europadirektion des Autoherstellers Ford und die Gewerkschafsvertreter in Genk stehen sich weiter ohne Aussicht auf eine Einigung gegenüber. Ende vergangener Woche lehnten die Gewerkschaften einen Vorschlag der Direktion über die Entlassungsprämie ab. Er sei »schlichtweg lächerlich, und die Menschen sind wütend«, sagte Gewerkschaftssprecher Erik Verheyden. Die Belegschaft schaltete am Donnerstagabend die Bänder ab. Auch bei den vier größten Zulieferbetrieben wurde die Arbeit niedergelegt.

Am Freitag stellte Verheyden in Aussicht, die Arbeit würde möglicherweise im Laufe des Tages wieder aufgenommen, allerdings nicht in vollem Umfang. Am Vormittag liefen die Bänder kurz, nur um wenig später erneut stillzustehen. Verheyden berichtet, in der Belegschaft gebe es »viele Fragen und Wut«. Wenn die Gespräche über einen Sozialplan für die Fabrik in Brüssel wieder aufgenommen werden, hoffe man auf ein »anständiges Angebot«, so die Tageszeitung »De Morgen«.

Der Direktionsvorschlag sah vor, jedem Arbeiter zusätzlich zur gesetzlichen Entschädigung eine Bruttoprämie zu zahlen. Diese sollte je nach Betriebszugehörigkeit 3400, 6800 oder 13 600 Euro betragen. Nach 30 Jahren sollte der Gesamtbetrag demnach bei rund 69 000 Euro liegen. Die Gewerkschaften orientieren sich dagegen an den bei Ford üblichen Entlassungsprämien von 75 000 Euro, so die Regionalzeitung »Het Belang van Limburg«.

Die Schließung des Werks in Genk, 50 Kilometer von Aachen entfernt im Dreiländereck Belgien, Niederlande und Deutschland gelegen, wurde im Oktober 2012 bekannt gegeben. 4500 Arbeiter stehen damit vor der Entlassung, hinzu kommen 1300 bei den Zulieferern. Die Produktion der Ford-Modelle Mondeo, S-Max und Galaxy wird ins spanische Valencia verlegt. Entgegen einem Abkommen der flämischen Regionalregierung mit der Europäischen Konzernleitung von 2010 werden auch die neuen Typen dieser Modelle nicht mehr in Genk gefertigt.

Für die Region war der Beschluss ein harter Schlag. Genks Bürgermeister Wim Dries sprach von einem »Alptraum«. Die Stimmung ist angespannt. Bereits im Januar hatte eine Blockade des Ford-Werks sowie der Zulieferer den Betrieb stillgelegt.

Zuletzt gab es in der Stadt Befürchtungen, die Autoproduktion solle bereits nach dem ersten Quartal 2013 stoppen. Ford Europa-Direktor Stephen Odell betonte dagegen letzte Woche, man wolle bis Ende 2014 bleiben. Im Juni soll das Zweischichtsystem jedoch auf eine Schicht umgestellt werden, was die Verhandlungen über einen Sozialplan noch dringlicher macht.

Nicht nur in Genk ist die anstehende Schließung ein heikles Thema: Dem belgischen Automobilsektor steht damit der zweite Verlust eines Standorts in kurzer Zeit ins Haus. Erst Ende 2010 wurde das Opel-Werk in Antwerpen geschlossen. Dabei verloren 4700 Arbeiter ihre Stellen. Auch in anderen Branchen ist die Stimmung angespannt. So stehen ArcelorMittal-Stahlwerk in Lüttich über 1000 Jobs vor dem Aus.

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