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40 Jahre Ford-Streik: Würdiges Gedenken und aktuelle Kämpfe

erstellt von autobauer zuletzt verändert: 03.10.2013 19:48
In einer zweitägigen Veranstaltung beschäftigten sich ehemalige und aktive Kollegen aus der Autoindustrie und viele Unterstützer am 27. und 28. September mit dem Ford-Streik vor vierzig Jahren. Am 24. August 1973 waren zu Anfang der Spätschicht tausende Arbeiter bei Ford in den Streik getreten - die meisten von ihnen sogenannte "Gastarbeiter", die zum ersten Mal kollektiv gegen ihre unerträglichen Arbeits- und Lebensbedingungen kämpften. Mehr als 150 Gäste kamen zur Auftaktveranstaltung am Freitagabend, bei denen Aktivisten von damals über die Umstände und den Verlauf des Streiks sowie über die Arbeit linker Aktivisten innerhalb des Betriebs berichteten.
40 Jahre Ford-Streik: Würdiges Gedenken und aktuelle Kämpfe

Erster Aufstand der "Gastarbeiter"

Ford-Streik 1973

Bis heute seien über den Streik drei Legenden im Umlauf, referierte ein damals Beteiligter. Einer dieser Legenden zufolge hätten "6 Kommunisten" die Gastarbeiter zum Arbeitskampf verführt. Eine weitere Legende behaupte, der Streik sei völlig spontan entstanden. Die dritte Legende besagt, es habe sich um einen von der damaligen KPD (Aufbauorganisation) organisierten Streik gehandelt.

Auch wenn alle diese Legenden Zerrbilder seien, gebe es in allen einen wahren Kern, so der Referent. In Wahrheit habe es nicht 6 Kommunisten im Betrieb gegeben, sondern "wir waren ca. 50 Genossen, zur Hälfte deutsche Betriebsinterventionisten und zur Hälfte Migranten.". Diese hätten - organisiert in der Gruppe der "Kölner Fordarbeiter" - den Streik sit Amfamg des Jahres vorbereitet. Als dieser jedoch - früher als geplant - ausbrach, seien es vielmehr die politischen Aktivisten gewesen, die den streikenden Gastarbeitern hinterhergelaufen seien und nicht umgekehrt. Der wegen seiner natürlichen Führungsbegabung anerkannte Streikführer sei tatsächlich in Kontakt mit K-Gruppen gewesen.

Lebensumstände der Gastarbeiter

Besondere Aufmerksamkeit richteten die Veranstalter auf die Lebensumstände der Gastarbeiter in der Nachkriegs-BRD. Diese seien nicht nur von der monotonen und körperlich schweren Arbeit am Band in der Fabrik geprägt gewesen (die Y-Halle bei Ford Köln galt damals nicht umsonst als "Vorhölle"), sondern ebenso von der Unterbringung in engen Wohnlagern, in denen sich jeweils bis zu 12 Arbeiter ein Zimmer teilen mussten. Die Gastarbeiter seien aus Sicht des Konzerns dazu da gewesen, für kleines Geld als Anlernkräfte im Akkord zu schuften. Gesellschaftlich waren sie ausgegrenzt.

Mit dem kollektiven Ford-Streik haben sie sich erstmals eigenständig zu Wort gemeldet und damit ihre Menschenwürde eingefordert und erkämpft, wie mehrere Zeitzeugen betonten. Die Reaktion der Firma, des Staates, der Medien und der Gewerkschaft war eine rassistische Hetze und Schaffung einer Pogromstimmung innerhalb und außerhalb des Werks, die in der blutigen Niederschlagung des Streiks durch von der Firma und dem Betriebsrat organisierten Schlägertrupps gipfelte.

Der Streik, der Teil einer ganzen Welle zu Beginn der siebziger Jahre war, hat dazu geführt, dass sich migrantische KollegInnen in Deutschland einen Platz in der Gewerkschaft und der Gesellschaft erkämpft haben. Dass dieser Platz bis heute umkämpft ist, zeigen die Nazi-Morde des NSU, die nur mit Hilfe staatlicher Behörden geschehen konnten. Dieser Zusammenhang ist schon an den Biographien der Referenten zu sehen: So arbeitete Mitat Özdemir in den siebziger Jahren als Sozialarbeiter im Wohnheim bei Ford und berichtete über die Zustände dort. Inzwischen hilft er als Vorsitzender der IG Keupstraße, den Opfern des staatlichen Rassismus eine Stimme zu verschaffen.

Wilde Streiks in Bochum und Aulnay

Am zweiten Tag der Veranstaltung diskutierten etwa 80 KollegInnen von Ford und anderen Betrieben der Autoindustrie über verschiedene Aspekte der heutigen Situation. Kollegen von der Betriebsgruppe "Offensiv" bei Opel Bochum berichteten von ihrem wilden Streik zwei Wochen zuvor und dass sie sich auf einen eigenständigen Kampf gegen die Werkschließung vorbereiten. Ein anderer Kollege referierte über die militant geführten Arbeitskämpfe - isbs. der afrikanischen Leiharbeiter - bei PSA im französischen Aulnay.

Aktion der belgischen Kollegen

Schon in der Diskussion am Freitag hatten viele Diskussionsteilnehmer eine Parallele zwischen dem Ford-Streik von 1973 und der Aktion der belgischen Ford-ArbeiterInnen aus Genk am 7. November 2012 gezogen. Eine Aktion, die nach Meinung vieler die Notwendigkeit der internationalen Solidarität über Standort- und Unternehmensgrenzen hinweg vorbildlich zum Ausdruck bringt.

Dies scheint auch die Gegenseite so zu sehen: Die damalige Eskalation wurde durch das Fehlverhalten der Polizei ausgelöst und zog eine völlig aufgebauschte Berichterstattung in den Medien über einen "Aufstand bei Ford" (Express vom Folgetag) nach sich. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungsverfahren gegen 15 belgische Gewerkschafter und einen solidarischen Kollegen aus Köln eingeleitet. Der Vorwurf lautet auf "Rädelsführerschaft" in einem "besonders schweren Fall von Landfriedensbruch". Die Strafandrohung darauf lautet auf Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Eine klare Antwort darauf finden Ford-KollegInnen und UnterstützerInnen, die sich zum "Solidaritätskreis 7. November" zusammengefunden haben: "Wir sagen: Das wahre Verbrechen besteht nicht in angeblichen Böllerwürfen. Das wahre Verbrechen besteht darin, Fabriken und Firmen zu schließen, tausende Menschen auf die Straße zu setzen und ihnen ihre Existenz zu rauben. Der Widerstand gegen Arbeitsplatzvernichtung ist voll und ganz gerechtfertigt. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir für unsere Arbeitsplätze kämpfen.

Deshalb fordern wir die Einstellung aller Ermittlungsverfahren!"

In der Kölner Lokalzeit vom 28. September 2013 findet sich im Kompaktteil ein Filmbericht über die Veranstaltung (von Minute 19:26 bis Minute 20:03 im Nachrichtenteil).

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