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Kerner kämpft für die entlassene Kassiererin

Fristlose Entlassung von Berliner Kaiser's Kassiererin rechtens Fristlose Entlassung von Berliner Kaiser's Kassiererin rechtens
Die Kassiererin E., entlassen wegen Pfandbons im Wert von 1,30 Euro
Quelle: DDP
Selten haben zwei Pfandbons für soviel Schlagzeilen gesorgt. Doch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin-Brandenburgs gab Kerners Runde neues Feuer. Wegen 1,30 Euro kann einer Kassiererin nach 31 Jahren fristlos gekündigt werden. Das ist nun rechtens. Doch ist es auch gerecht?

"Das Gericht hat die Kündigung heute vor wirksam erachtet“ – so spricht man unter Juristen. „Frau E. verlor nach 31 Jahren ihren Job als Kassiererin, wegen 1,30 Euro“ – so wird der Fall ein paar Stunden später bei Kerner aufgerollt. Rechtsauffassung trifft auf Gerechtigkeitsgefühl – nicht immer ist das deckungsgleich. Selten aber klafft es so stark auseinander, wie in diesem Fall. Nicht erst seit der Lidl-Spionage und den Bespitzelungen bei der Deutschen Bahn nistet sich das Gefühl ein, dass Arbeitnehmer hierzulande nichts mehr wert sind. Dass sie ausgebeutet und beobachtet werden und dass es nur allzu wenige gibt, die sich dagegen wehren.

Frau E. ist da anders. Sie hat sich gewehrt, hat gestreikt gegen ihren Arbeitnehmer und die Bedingungen unter denen sie beschäftigt war. Nun hat sie ihren Job verloren. Besteht da ein Zusammenhang? Ja, sagt ihr Anwalt. Die Bons seien seiner Mandantin untergeschoben worden, weil sie unbequem war. Er sagt das laut und in die Kamera, weil es die einzige Chance ist, Frau E. jetzt noch Gehör zu verschaffen. Am Ende steht er auch auf dafür, hält eine flammende Rede, für die er eine Menge Applaus erntet. Sein einziger Erfolg?


Vor ein paar Wochen erst warf ein "Tatort" im Ersten ein kurzes Scheinwerferlicht auf die Arbeitsbedingungen in Discountern, anschließend diskutierten ein paar Experten bei Anne Will über das Problem. Auch dort fand der Fall von Frau E. Erwähnung, auch dort war man entsetzt. Wie kann es sein, dass sich ein Arbeiter in Deutschland über Jahre Schikanen seines Arbeitgebers gefallen lassen muss, beim kleinsten Vergehen dagegen kompromisslos gekündigt wird? Rudolf Dreßler sprang damals für Frau E. in die Bresche und auch diesmal, nach ihrer Niederlage vor Gericht, hat sie viele Fürsprecher. Was aber kann solch ein Echo auslösen?

„Eine Kassiererin hat eine wichtige Vertrauensposition“, argumentiert die Gegenseite, die Verteidigung des Tengelmann-Konzerns, der seine Mitarbeiterin nun erfolgreich loswurde. Wer dieses Vertrauen missbraucht, ist nicht länger tragbar – so begründet die Dame den Standpunkt ihres Mandanten. Eine sympathische Rolle spielt sie in dieser Runde zweifellos nicht. Aber ist sie wenigstens glaubwürdig?

Schaut man sich den Begriff „Vertrauen“ näher an, wird man doch stutzig. Wenn ein Konzern seinen Kassiererinnen so sehr vertraut, wie kommt er dann auf einen Schwindel von zwei Kassenbons. Oder erstaunlicher noch: Wieso installiert er dann Kameras in seinen Filialen? Lässt Mitarbeiter von Detektiven ausspionieren? Verfolgt persönliche Gespräche?

Wohl kaum, um großen Betrügereien auf die Schliche zu kommen. Immense Verluste zu verhindern. Sondern um Macht zu behalten. Immer wieder deutlich zu machen: Man kann sich über Jahrzehnte tadellos benehmen, beim kleinsten Vergehen ist man weg. Dann stehen 31 Jahre Arbeit gegen 1,30 Euro – dem Lohn einer Viertelstunde.

Dass Deutsches Recht dies zulässt, ist verstörend. Dass wenige Arbeitnehmer den Weg von Frau E. gehen dagegen verständlich. Diese Kassiererin hatte den Mut und ging in die Öffentlichkeit. Dennoch steht sie jetzt ohne Job da. Ihr Arbeitgeber wollte ein Exempel an ihr statuieren, sagt die Klägerin. Er hatte Erfolg damit, zeigt das Ergebnis. Und so wird dieses Urteil kaum einen Arbeitnehmer dazu motivieren, selbst aufzustehen und zu protestieren. Zumindest aber sollte es die Politik mobilisieren: Arbeitnehmergesetze, die dazu führen, dass Recht und Gerechtigkeit so weit auseinander klaffen, bedürfen der Überarbeitung. Dringend.

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