Anatomie eines Streiks
Nachbetrachtung zum Betriebskampf bei AEG
Der Kampf der AEG-Belegschaft 2005 bis 2007 steht in einer Reihe mit den Streiks bei Opel Bochum, Gate Gourmet, Bosch-Siemens-Hausgerätewerk Berlin und der Bewegung gegen Hartz IV. Im Blickpunkt der Nachbetrachtung steht der spontane, unkontrollierte Widerstand der Arbeiter gemeinsam mit Linksradikalen und Aktivisten Sozialer Bewegungen.
Die Ergebnisse werden zwei Jahre später unterschiedlich bewertet. Diese Stimmen haben die Druckwächter als Herausgeber gesammelt. Druckwächter, das sind nicht nur wichtige Regulatoren in Waschmaschinen, sondern so hieß auch eine besonders aktive Betriebsgruppe bei AEG-Siemens, die unabhängig von der Frage der Gewerkschaftsmitgliedschaft auf Selbstorganisation setzte.
Während des Arbeitskampfes versorgte die Gruppe die Streikenden mit Informationen, die in den Publikationen der IG-Metall nicht zu lesen waren. Mit ihrer Forderung nach dem Erhalt der Fabrik waren die Druckwächter näher an der Stimmung großer Teile der Belegschaft als die Gewerkschaften, die einen sozialverträglichen Sozialplan forderten. Sie schlugen auch von Beginn an den Bogen vom betrieblichen Kampf zu den Aktivitäten der sozialen Bewegungen in Nürnberg und Umgebung, die ebenfalls in dem Buch zu Wort kommen.
Beispielsweise die Nürnberger Erwerbslosengruppe, die mit der Parole »Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit beginnt in den Betrieben« mobilisierte. Oder das Nürnberger Sozialforum, das den Boykott von AEG-Produkten propagierte. Das Buch bietet den Vorteil, die unterschiedlichen Sichtweisen zu den Auseinandersetzungen nebeneinander zu stellen.
Der Streikabbruch nach dem von der IG-Metall durch Vermittlung der bayerischen Landesregierung erreichten Kompromiss sorgte bei Teilen der Belegschaft und der Unterstützer für Enttäuschung.
Wäre bei einer offensiven Strategie mehr zu erreichen gewesen? Diese Frage bleibt offen. Die Motivation, diesen Streik auszuwerten lag eher darin, der Frage nachzugehen, welche Bedingungen können einem solchen Kampf zum Erfolg verhelfen? Sie steht gerade in Zeiten einer infolge der Krise um sich greifenden Welle von Entlassungen, von Lohnverzicht und Kurzarbeit auf der Tagesordnung. So ist das Buch auch zwei Jahre nach dem Ende des Nürnberger Arbeitskampfes sehr aktuell.
Redaktion Druckwächter (Hg.), »Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir! Akteure berichten über den Arbeitskampf bei AEG/Electrolux in Nürnberg 2005-07«, Berlin 2009, Die Buchmacherei, 290 Seiten, 12 Euro, ISBN 978 3-00-026803-3
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