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VW Betriebsversammlung 10.03.2005

erstellt von Wolfram Polar zuletzt verändert: 18.08.2008 11:29
Gastrednerbeitrag bei der Betriebsversammlung des VW-Werkes Braunschweig

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich heiße Volker Sxxxx und bin Bertriebsratsvorsitzender bei der Braunschweiger Zeitung. Euer Betriebsrat hat mir in betriebsübergreifender Solidarität die Möglichkeit gegeben, hier etwas über die Situation bei der Braunschweiger Zeitung zu sagen. Diese betriebsübergreifende Solidarität hat übrigens schon eine lange Geschichte und geht zurück auf den gemeinsamen Kampf um die 35-Stunden-Woche im Jahre 1984.

Ich spreche der Einfachheit halber über die Braunschweiger Zeitung. Es handelt sich eigentlich um den Braunschweiger Zeitungsverlag, der hier in der Region die Braunschweiger Zeitung, die Wolfsburger Nachrichten, die Gifhorner Rundschau, die Salzgitter Zeitung und die Peiner Nachrichten herausgibt.

Was ist nun bei der Braunschweiger Zeitung geschehen? Am 3. November 2004 hat die Geschäftsführung den betroffenen Kolleginnen und Kollegen und dem Betriebsrat schlagartig eröffnet, dass drei Abteilungen bei der Braunschweiger Zeitung geschlossen werden und 74 betriebsbedingte Kündigungen anstehen. Natürlich sind die Mitarbeiterzahlen bei der Braunschweiger Zeitung sehr viel kleiner als bei euch. Auf eure größeren Zahlen umgesetzt würde eine solche Aktion bei euch bedeuten, dass 600 bis 700 Mitarbeiter hier in Braunschweig gehen müssen. Die Geschäftsführung der Braunschweiger Zeitung hat in keiner Weise auch nur ansatzweise mit dem Betriebsrat über Alternativen geredet. Der Betriebsrat hat diese Alternativen immer wieder angeboten und gefordert. Aber schon die Verhandlungen hierüber hat man uns verweigert. Hierzu muss man wissen, das die Lage in einem Zeitungsbetrieb für den Betriebsrat noch etwas schwieriger ist als in anderen Betrieben. Die Geschäftsführung kann rechtlich nicht zu einem Interessenausgleich gezwungen werden. Als einige Möglichkeit hat man den Betroffenen angeboten, in eine Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln. Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen bei der Braunschweiger Zeitung hätte der Wechsel in die Beschäftigungsgesellschaft bedeutet, dass sie spätestens Ende Januar nächsten Jahres arbeitslos gewesen wären, wenn sie bis dahin keine Stelle gefunden hatten. Also praktisch nur eine Durchgangsstation in die Arbeitslosigkeit. Die große Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen hat sich dann entschieden, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, sei es nun durch Herstellung von Öffentlichkeit und das Führen von Kündigungsschutzprozessen. Dabei muss man bedenken, dass wir es noch viel schwerer haben als die Mitarbeiter anderer Firmen, diese Öffentlichkeit herzustellen.In der Braunschweiger Zeitung wird des Öfteren positiv berichtet, dass es Geschäftsführung und Betriebsrat in anderen Betrieben geschafft haben, Kündigungen zu vermeiden. Die Berichterstattung über unsere Situation hat sich sehr in Grenzen gehalten, um es vorsichtig auszudrücken, weil der Braunschweiger Zeitungsverlag natürlich Partei ist. Deswegen werden alle Möglichkeiten wahrgenommen, um Öffentlichkeit herzustellen. So kann jeder unter www.netzwerkit.de den aktuellen Stand über die Auseinandersetzung bei der Braunschweiger Zeitung erfahren. Es wurden eine Reihe von Demonstrationen in Braunschweig durchgeführt. Regelmäßig stellen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen morgens am Eingang zur Braunschweiger Zeitung, Mittelweg, zwischen 7:30 und 9:30 Uhr eine Mahnwache. Die nächste Demonstration findet übrigens an diesem Samstag um 11 Uhr vom Eiermarkt in der Braunschweiger Innenstadt aus statt. Wir würden uns freuen, wenn eine Reihe von hier versammelten Kolleginnen und Kollegen mit uns demonstrieren würden. Ich möchte euch an dieser Stelle auch dafür danken, dass wir eine große Zahl von Unterschriften aus den VW-Werk Braunschweig erhalten haben, mit denen ihr euch mit uns solidarisiert habt.

Der eigentliche empörende Hintergrund dieser ganzen Aktion bei der Braunschweiger Zeitung ist die Tatsache, dass nicht die Arbeit an sich weggefallen ist, sondern die Arbeit an Anbieter aus Magdeburg und Cottbus ausgelagert worden ist. Das heißt: Mitarbeiter bei der Braunschweiger Zeitung, die zu großen Teil seit Jahrzehnten für die Zeitung tätig sind, verlieren ihre Arbeitsplätze und ihre Arbeit geht an Billiganbieter. Dort wird die gleiche Arbeit gemacht unter viel schlechteren Bedingungen. Dabei entsteht kein neuer Arbeitsplatz. Für uns ist diese Situation empörend. Für uns ist empörend, dass so etwas rechtlich in Deutschland überhaupt möglich ist. Das es möglich ist, dass Geschäftsführungen innerhalb unseres Landes eigene Mitarbeiter über die Klinge springen lassen können, obwohl die Arbeit vorhanden ist und es dem Unternehmen nicht schlecht geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bei der Braunschweiger Zeitung sind ein mittelständischer Betrieb. Letztlich geschieht bei uns aber das Gleiche wie auch in großen Unternehmen. Es sei hier nur das Stichwort Deutsche Bank genannt. Wenn wir es als Arbeitnehmer in diesem Land nicht schaffen, uns gegen diesen Trend zu solidarisieren, werden wir in Zukunft nur noch die Getriebenen sein. Und das meine ich auch in Richtung Politik. Die Politik ist es, die die Spielregeln festlegt, die es den Unternehmensleitungen erst ermöglicht, so vorzugehen wie sie vorgehen.

Danke

Es gilt das gesprochenen Wort.

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