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EV060705

erstellt von Wolfram Polar zuletzt verändert: 18.08.2008 11:29
LAG 06.07.2005 11:00 - Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung BetrVG § 102 Abs. 5

LAG Niedersachsen/Hannover, Termin: 06.07.2005 11:00 Uhr, 6. Kammer mit dem vorsitzender Richter Herr Becker und ehrenamtlichen RI, Aktenzeichen: 6 Sa 727/05, 21 Zuhörer im 1. Stock in der Siemensstraße 10
Bekl: Braunschweiger Zeitungsverlag, Druckhaus Albert Limbach GmbH & Co. KG, Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig, BeklV: Herr RA Weberling mit Herr Teschke, Leiter Personal und Recht der Bekl
Kl: Sven M. mit Herrn RA N. Koch

RI Becker ruft den Termin um 11:30 Uhr auf. Im einleitenden Sachvortrag wird ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.04.2005 gekündigt. Der Kammertermin ist für den 02.08.2005 festgelegt. Der Kl Sven M. ist ab Kündigungszeitpunkt 01.02.2005 sofort freigestellt worden. Die Kündigungsfrist endete im April 2005. Urteil des Arbeitsgerichtes Braunschweig , gegen das Beschwerde eingelegt wurde. Die formalen Voraussetzungen werden geprüft und sind erfüllt.

RA Koch: Der Kündigung wurde formgerecht und fristgerecht durch den Betriebsrat qualifiziert widersprochen. Die vertragsgemäße Beschäftigung soll bis zum Abschluss der Kündigungsklage fortgesetzt werden. Dem widerspricht der BeklV und versucht Argumentativ die Kündigungsschutzklage vorwegzunehmen.
Anmerkung: Gleiches taktisches Vorgehen wie beim ArbG.

RI Becker: Ob die Widerspruchsgründe tatsächlich bestehen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen, dafür hat der Gesetzgeber ein anderes Verfahren vorgesehen. Das Gericht beschränkt sich nur auf die nötigen Fakten für den Anspruch auf ein einstweiliges Verfügungsverfahren der Weiterbeschäftigung.
Der Schreiber deutet diesen richterlichen Hinweis derart, dass es hier nicht darum geht, ob die Kündigung berechtigt erfolgt ist, sondern ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung zur Weiterbeschäftigung gegeben sind.
Der Richter versucht gleich zu Beginn eine gütliche Einigung zu erreichen, um diesen Termin und ggf. gleich die anhängige Kündigungsschutzklage einvernehmlich zu beenden. Es sind schon fünf Monate vergangen, vielleicht hat sich an der Situation etwas geändert?

BeklV: Die Beklagte hat in der Vergangenheit Gekündigte auf freie Stellen im Unternehmen gesetzt oder wieder eingestellt. Aber nur MitarbeiterInnen die jeweils auf die freien Stellen genau passen. Dies ist bei dem Kl nicht der Fall. Er versucht erneut, wie im Kammertermin in Braunschweig, die berufliche Eignung von Sven M. anzugreifen. (Taktikziel: Unbrauchbar für alles, keine Eignungen und nicht Entwicklungsfähig, also das Absprechen jeglicher Qualifikation)

RA Koch: Wir bestreiten, dass in der Kündigungsfrist noch freie Stellen mit gekündigten MitarbeiterInnen besetzt wurden. Der Kl hätte auf freie Stellen beschäftigt werden können. Denn es waren freie geeignete Stellen zum Kündigungszeitpunkt und während der Kündigungsfrist vorhanden. Entsprechende Bewerbungen wurden nicht berücksichtigt.

BeklV: Der Kl hatte die Möglichkeit in eine Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft zu wechseln oder den Sozialplan in Anspruch zu nehmen. Beides lehnte der Kl unverständlicherweise ab. Eine Beschäftigung bei der Bekl ist nicht möglich.

RI Becker fragte die Bekl gezielt nach einer Beschäftigungsmöglichkeit zum jetzigen Zeitpunkt.

Der BeklV beantwortete diese Frage knapp mit, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit. Als Begründung folgte noch, dass der Kl keine kaufmännische Ausbildung oder Werbeerfahrungen hat. Die Braunschweiger Zeitung hat schon vor einem Jahr die Kriterien für Stellenausschreibungen anzuheben.
Anmerkung: Gesucht wird ein Wunderkind, der alles kann, lange Berufserfahrung hat, unter 25 Jahre alt ist und eine minimale Bezahlung will - Weihnachten ist immer. Soviel zu dem vorgebrachten Hinweis auf die unternehmerische Freiheit bei den Anforderungsprofilen von Stellenausschreibungen.

RA Koch: Es gibt einen Sozialplan und sein Mandant kennt diesen. Er möchte aber Weiterbeschäftigt werden. Die Kündigung ist angefochten. Der Arbeitsplatze hat einen Mehrwert.

BeklV erwidert darauf: Dem Kl wurde die Möglichkeit eröffnet bei MSC, einem externen Dienstleister der BZV, zu arbeiten. Ein Vorstellungsgespräch hat stattgefunden und der Arbeitgeber hat einen Arbeitsplatzwechsel dringlich nahegelegt. Dies ist auch eine vorrangige Dienstleistung der angebotenen Beschäftigungsgesellschaft. Der Kläger hat diese Stelle aber nicht angenommen und klage nun auf eine Weiterbeschäftigung im Pressehaus.

RA Koch: Der Sozialplan ist gut, das wird hier nicht bestritten. Für den Kl kommt nur eine Weiterbeschäftigung in Betracht. Keine Abfindungsregelung aus dem Sozialplan.

BeklV: Für den Arbeitgeber kommt jede Form einer Weiterbeschäftigung nicht in Betracht. Andere MitarbeiterInnen haben von den Bemühungen der Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft schon profitiert. Nur weil das Angebot vom Arbeitgeber kommt, muss es nicht schlecht sein.

RA Koch spricht eine Weiterbeschäftigung nach weiterer Qualifizierung des Klägers an. Der Kl ist lernbereit und -fähig.

BeklV: Wir können keine Wiedereinstellungsversprechen geben. Es ist keine Stelle frei und untermauert dies mit allgemeinen Lebensweisheiten. Je mehr sich der Kl aber in die geforderte Richtung qualifiziert, umso besser seien seine beruflichen Perspektiven am Arbeitsmarkt. Eine Arbeitsplatzgarantie kann natürlich nicht geben werden.

RA Koch trocken: Auf Basis von „Good-will-Erklärung“ kommen wir nicht weiter.

BeklV: Der Kläger ist erst seit 1992 im Unternehmen. Es gibt Mitarbeiter, die schon sehr viel länger dabei sind. Also Vorrang hätten, wenn es eine Beschäftigungsmöglichkeit gäbe.

RA Koch versucht dem Gericht zu erklären, dass es sich bei den vorgetragenen Gekündigten um Leute handelt, die ebenfalls nicht über eine nunmehr geforderte kaufmännische Ausbildung verfügen. Die Beschäftigungsdauer ist nur ein Kriterium bei der Sozialauswahl. Der Kl hat aufgrund seiner Sozialdaten eine hohe Schutzbedürftigkeit. Diese hätte schon bei der Kündigung Berücksicht werden müssen.

Der BeklV erklärt, dass für die besagten Tätigkeiten eine lange Praxis Voraussetzung ist. Gleichzeitig stellt der BeklV dem Kl die Frage, warum dieser in der Freistellung keine Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt hat? (Taktisches Vorgehen: Verteidigung durch Angriff? – Keine Ahnung wie seit Hartz IV solche Maßnahmen genehmigt werden oder wie man mit Arbeitslosengeld dies selbst Finanzieren soll – Typische Killerphrase)

Richter Becker versuchte weiter eine gütliche Einigung zu erreichen und bot den Parteinen eine Unterbrechung an, damit vor der Tür beraten werden kann.

RA Koch: meinte jedoch, es hätte keinen Sinn, da noch 40 Fälle anhängig sind. Hat er damit nur die Kündigungsschutzklagen und/oder auch die folgenden Weiterbeschäftigungsanträge gemeint?

BeklV korrigiert diese Zahl auf ca. 30 Prozesse (Aufrunden oder Abrunden, wie man es braucht) und unterstellt gleichzeitig dem Kl, dass er nur auf mehr Geld aus sei. Auch in Anbetracht der anwesenden Prozesszuhörer kann es kein Vergleichangebot mit höheren Abfindungen geben.
Anmerkung: Hat er Probleme mit dem Öffentlichkeitsgebot von Gerichtsverhandlungen oder uns Zuhörern bzw. Mitschreibern?

Richter Becker stellt RA Koch nun Fragen zu den gestellten Anträge auf vertragsgemäße Beschäftigung aus dem Schriftsatz. Nach dem Einstellungsvertrag liegt ein erweitertes Direktionsrecht vor, was auch bei der Antragstellung zu berücksichtigen ist. Die gestellten Anträge greifen unzulässiger Weise zu Tief in dieses Direktionsrecht ein, indem er zu bestimmend formuliert wurde. Auch an Auswirkungen bei einer Zwangsvollstreckung muss dabei schon gedacht werden. Der Antrag muss ohne Festlegung der Haupttätigkeit oder abgestuften Tätigkeiten gestellt werden.

RA Koch stellt den entsprechend abgeänderten Antrag aus dem Schriftsatz vom 29.04.2005 um vertragsgemäße Beschäftigung gemäß dem Anstellungsvertrag vom 12.10.1992. Der BeklV verweist auf den gestellten Antrag.

Richter Becker weist die Parteien erneut darauf hin, dass diese Kammer nicht zu prüfen hat, ob die Widerspruchsgründe überhaupt vorliegen und verkündet, dass sich die Kammer beraten muss. Nach kurzer Beratung wird mitgeteilt, dass ein Urteil am Ende des Sitzungstages verkündet wird. Damit ist dieser Termin beendet.

Nachdem der Kl das Ende des Sitzungstages abgewartet hat, wird nach Herstellung der Öffentlichkeit das Urteil verkündet und kurz begründet. Ergebnis: gewonnen

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