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erstellt von Wolfram Polar zuletzt verändert: 18.08.2008 11:29
02.08.2005 09:30

Termin 02.08.05, 09:30 Uhr: Kammertermin – Betriebsbedingte Kündigungen

RIin Frau Steinke mit den ehrenamtlichen RI Hr. J. Brase und Hr. J. Schuster, 5. Kammer, Sitzungssaal D, ArbG BS

PV/Bekl Dr. Johannes Weberling mit Hr. Teschke (Personal und Recht) für Braunschweiger Zeitungsverlag ./. PV/Kl RA Joachim Clemens mit Cornelia S. Aktenzeichen: 5 Ca 67/05, Marco-Dominik L. Aktenzeichen: 5 Ca 75/05, Ute B. Aktenzeichen: 5 Ca 116/05, zeitweise 45 Zuhörer im Saal bei den heutigen Kammertermine bis 14:50

Um 9:25 werden die schon zahlreich vorhandenen Zuhörer durch die RI ermahnt, etwas leiser zu sein, da dieses störend bis in den Beratungsraum durchdringt. Die Zuhörer haben zwischenzeitlich die vorhandenen drei Sitzreihen (21 Stuhle) durch mehrere Reihen aus einem Nachbarraum verstärkt, damit jeder einen Sitzplatz hat.

Mit Kommen vom RA Clemens, wird die herrschende Stille wieder unterbrochen, zumal er sich noch vor Ablegen der Tasche sich bei PV über dessen späte Schriftsätze auslässt. Er habe schlecht geschlafen, da er bis Nachts um ½3 die Schriftsätze durchgearbeitet habe, um die vermeintlich genialen Schachzüge zu ermitteln.
Anmerkung: Kurzfristige Schriftsätze mit 18 – 27 Seiten sollen eine Spezialität von Dr. Weberling sein.

Die Kammer kommt um 9:40 aus dem Beratungsraum. Die Kammerverhandlung beginnt mit dem gleichzeitigen aufrufen der Parteien. Die Verhandlungen werden aber getrennt geführt.

Begonnen wird mit Cornelia S. Des folgt ein kurzer Sachvortrag und die Anträge werden präzisiert. Kurz nach Ausspruch der Kündigung wurde diese durch die Bekl zurückgenommen und eine Vereinbarung unterzeichnet.

RA klärt seine Vorgehensweise mit der Aufrechthaltung der Kündigungsschutzklagen mit Entscheidungen des BAG. Eine ausgesprochene Kündigung kann nicht einfach so zurückgezogen werden. Sie bleibt auch bei Rückzug weiter gültig. Deshalb muss dies hier geklärt werden.

PV erweitert diesen Vortrag, dass eine Kündigung eine einseitige Willenerklärung ist. Hier es sich aber um eine Vereinbarung handelt und damit die Sachlage ganz eine andere ist. Frau Cornelia S. hat eine von drei angeboten Stellen angenommen.

RA sieht noch Handlungsbedarf, weil der neue Einsatzort Helmstadt ist und seine Mandantin 3 Stunden pendeln muss. Vielleicht kann hier noch was vereinbart werden, bevor die Klage ggf. zurückgenommen wird.

RI schließt sich der Meinung an, dass diese Vereinbarung eine rückwirkende Wirkung hat und die Kündigung quasi damit nicht erfolgt ist. Daraufhin erklärt der RA / die Kl die Rücknahme der Kündigungsschutzklage.

PV fasst mit dem Schriftsatz vom 27.05.2005 nach, indem er diese hier vertieften Punkte bereits bestätigt haben will.

RI unterbricht seinen anfangenden weiteren Vortrag und protokolliert die Erledigung der Kündigungsschutzklage durch die getroffene Vereinbarung und der Klagerücknahme. Der Streitwert wird mit ca. 10.000,- € festgesetzt.

Vor den Sachvortrag für Marco-Dominik L. gibt ein ehrenamtlicher RI eine Erklärung ab, worin er erklärt, dass ihm der Kl persönlich bekannt sei. Die RI prüft ob es Bedenken von Seiten der Parteien gibt. Nachdem dies durch den PV verneint wird, geht es mit dem Sachvortrag weiter. Allgemeine Gründe für die Beendigung durch die unternehmerische Entscheidung ist bei einem Mitarbeiter der Poststelle schwer auszumachen, zumal dieser Bereich nicht in der Betriebsratsinformation genannt wurde. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist sehr allgemein gehalten und muss präzisiert werden. Dies sollte die Arbeitsbedingungen und die Bearbeitung innerhalb der Poststelle umfassen. Der RA hat keine Bedenken gegen eine Präzisierung.

Der PV verweist mehrfach auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit im Hause wortreich hin. Jetzt zaubert er aber eine Stelle aus dem Hut: Der Vertriebsleiter Hr. Nitsche bietet eine Vollzeitstelle bei der Tochtergesellschaft MVA an. Eine Position im Personalbereich, wobei SAP/HR3 Voraussetzung sei. Die Betriebszugehörigkeit wird anerkannt und der Verdienst soll nur um 10 % weniger sein. Das mit dem Urlaub konnte akustisch nicht mehr mitverfolgt werden. Aber auch dort sollen Reduzierungen erfolgen. Durch den Wechsel bleibt die Sozialplanabfindung von ca. 30.000,- € erhalten. Unter dieser Berücksichtigung ist diese Stelle voll gleichwertig. Diese Stelle zeigt eine Perspektive auf und kann nur hier und jetzt angeboten werden.

Die RI fragt nach, ob über dieses Angebote etwas schriftliches vorliegt. Diese Frage wird vom PV mit dem Vorliegen einer Vollmacht und dem hochheben einer beschrieben Seite beantwortet. Ob es wirklich eine Vollmacht war konnte so nicht verifiziert werden.

RA versucht zum eigentlichen Thema wieder zurückzufinden und mahnt die Kurzfristigkeit der Schriftsätze und die darin stattgefundene Umkehr der Sozialauswahl an. Diese Vorgehensweise deckt sich mit dem gerade erlebten überfallartigen Vortrag des Arbeitsplatzangebotes.

PV versucht diesen ernsten Vorwurf mit allgemeiner Rechtsanwaltrhetorik abzuschwächen und fragt nach, ob über Schriftsätze geplaudert werden soll oder ernsthaft über eine Lösung. Das Angebot ist eine 100 % Tochtergesellschaft mit Anerkennung der Betriebszugehörigkeit. Das ist doch eine Lösung.

RA: Es ist nicht mal ersichtlich, ob der derzeitige Arbeitsplatz entfallen ist. Anstelle des Schriftsatzes hätten Sie besser ein nachlesbares Angebot geschickt. Immer bekomme ich von Ihnen einen Tag vor Termin die Schriftsätze.

RI fragt PV ob das schriftlich vorliegende Angebot nicht unterbreitet werden kann. Der PV zeiht sich zurück, dass das Angebot nur als Mail vorliegt. Bin dafür, dass die Anträge gestellt werden.

Der RA schließt sich an, wenn das Gericht es auch so sieht. Es sollte aber eine Bedenkzeit von 3 Wochen vorgesehen werden, nach Vorliegen eines unfassenden schriftlichen Angebots.

Die RI bietet eine Terminfreistellung an. Suche nach einem Verkündungstermin. RA dringt auf eine genaue Beschreibung der vorgetragenen Stelle als Entscheidungsgrundlage.

Die RI protokolliert und geht noch mal auf die Schriftsätze ein. Als Ergebnis wird ein Verkündungstermin am 01.09.2005 festgelegt. Die Parteien wollen bis 11.08.2005 über eine gütliche Einigung verhandeln. Um dies den Parteien zu erleichtern, fasst die Kammer ihre Sichtweise kurz zusammen. Es werden einige Probleme beim Wegfall der Tätigkeit gesehen, zumal die unternehmerische Entscheidung nicht die Poststelle umfasst. Die Klage hat durchaus Aussicht auf Erfolg.

Weiter geht es nun mit Ute B.

Im Rahmen des Sachvortrages, sieht die Kammer Informationsunterschiede bei den Tätigkeitsbeschreibungen. Die Vereinbarung mit der Fremdfirma wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen und die unternehmerische Entscheidung zum Kündigungszeitpunkt kann deshalb angezweifelt werden. Die Protokollierung der Antrage ist hier einfacher, zumal einige Detail bereits zu vor abgeklärt wurden. Wie üblich wird eine Klageabweisung durch die Bekl gestellt.

Der späte Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wird durch den PV mit organisatorischen Gründen erklärt. Dies wurde im Schriftsatz unter Zeugenbeweis vorgetragen.

Vom RA wird dies bezweifelt, weil ihm entsprechende Informationen Hörensagens vorliegen. Es gibt nach Anzeichen der Arbeitsverdichtung. Zum Zeitpunkt der Kündigung wurden zusätzliche 400,- €- Kräfte eingesetzt.

PV erklärt dies als eine Übergangslösung wegen dem zu erwartenden Zusatzaufwand in der Umstellungsphase. Die Arbeit ist neu verteilt worden. Die Vertretungstätigkeiten sind entfallen.

RI zitiert aus den Schriftsätzen der Bekl und weist auf die erkennbare Mehrarbeit hin

PV sieht keine Probleme, da dies zulässig sei, weil es eine Arbeitsverdichtung auf die vorhandenen Arbeitskräfte erfolgt. Als Ausgleich bei Problemen sind die 400,- € - Kräfte vorgesehen. Die Tätigkeit der Kl ist mit den Anforderungen an diese Kräfte nicht vergleichbar. Es hat in diesem Bereich ein Sozialauswahl gegeben. Diese ist sehr eng gewesen und leider zu Lasten der Kl ausgefallen. Die Kl hat ein auch außerhalb gefragtes Berufsfeld und eine hohe Abfindung. Diese Kompetenzen sind am Markt gefragt.

Die RI fragt gezielt den PV nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit. Dies wird durch den PV mit „Nein, keine Möglichkeit“ beantwortet. Weiter verweist er auf eine hohe Abfindung. Weitere Zuschläge sind möglich. Ferner kann eine Beschäftigung über das Kündigungsende 31.08.2005 wegen Hartz hinaus bis zum 31.12.2005 vereinbart werden. Dies alles soll einer Abfindungssumme vom ca. 116.000,- € entsprechen.
Anmerkung: Vom Verfasser nicht nachvollziehbar – ggf. Schöngerechnet

RA weist auf viele offene Punkte hin und lehnt dieses Angebot ab. Wird aber dieses im Hinterkopf behalten. Wechsel nun zu dem Beispiel von zwei Betroffenen, die in die AutoVision gewechselt haben und nun wieder Weiterbeschäftigt werden.

PV weist eine Vergleichbarkeit mit Frau X wortreich ab.
(Anmerkung: Gelächter im Zuhörerbereich, mit prompter Ermahnung durch die RI.)
Aber es wird noch besser, denn nun sucht der PV die Arbeitsbelastung des Arbeitsgerichtes als Argumentationsgrundlage heranziehen. Den 21 der Gekündigten haben sich mit dem Arbeitgeber sich geeinigt und machen dem Gericht keine Arbeit. Diesem Beispiel sollten doch die heutigen Kläger folgen.
(Anmerkung: Hier wird in den Zuschauerreihen das Lachen unterdrückt, wollen nicht des Saales verwiesen werden.)

Die RI fragt den RA, ob ein weiter Lösungsvorschlag denkbar wäre, oder ob man den gleichen Weg gehen soll wie bei Marco-Dominik L. zuvor? RA: Ja, wir sind Einverstanden und die RI protokolliert unter Bezugnahme des Textes diesen Vergleich auf Widerruf. Der Verkündungstermin wird auf den 01.09.2005 festgesetzt.

Jetzt folgt eine kleine Debatte zwischen RA und PV, wer ein Vergleichsvorschlag vorlegt. Dr. Weberling wollte diese Arbeit dem RA aufdrängen, doch der delegierte diese schlagfertig zurück.

Damit ist der erste Teil des Sitzungstages um 10:25 Uhr beendet und die Kammer zieht sich zur Vorbereitung der nächsten Termine in den Beratungsraum zurück. Zu diesem Zeitpunkt hat der RA bedauert, das gar keine richtige Diskussion mit dem PV aufgekommen ist, wobei er sich doch die halbe Nacht darauf vorbereitet hat.
(WB)

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