Antwort EU Kommissar Spidla
Antwort vom 10.5.07
Sehr geehrter Pressesprecher,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23. März 2007. Die Europäische Kommission und ich persönlich verfolgen die Entwicklungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt sehr genau und ich habe mich wiederholt zu einigen Fällen geäußert.
Umstrukturierung ist für die betroffenen Arbeitnehmer immer eine Phase der Unsicherheit und bei Arbeitsplatzverlust oft schwer zu verkraften. Bedingt durch die Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt sind Umstrukturierungen mitunter jedoch notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Fortbestand von Unternehmen und damit letztlich Beschäftigung zu gewährleisten. Die Kommission achtet deshalb darauf, dass bei notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen das Recht der Europäischen Gemeinschaft eingehalten wird, insbesondere die Richtlinien der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, über Massenentlassungen und über den Europäischen Betriebsrat.
Die Kommission legt zudem besonderen Wert auf das Flexicurity-Konzept, das die Kombination von Flexibilität und Sicherheit am Arbeitsplatz verfolgt. Das bedeutet konkret, dass es nicht in erster Linie gilt, den Arbeitsplatz zu schützen, sondern den Arbeitnehmer. Dieser muss im Falle eines Arbeitsplatzverlustes aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen in die Lage versetzt werden, sich so schnell wie möglich eine neue Lebensgrundlage verschaffen zu können. Daher hat die Europäische Union zum l. Januar 2007 den EGF, den "Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung" geschaffen. Der EGF wird mit bis zu 500 Mio. EUR jährlich die Wiedereingliederung von Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt unterstützen, die aufgrund von Veränderungen im Welthandelsgefüge arbeitslos geworden sind. Zwischen 35.000 und 50.000 Arbeitnehmer in der EU sollen jährlich aus dem Fonds unterstützt werden. Als Maßnahmen der Unterstützung sind z. B. vorgesehen: Hilfe bei der Stellensuche, personalisierte Umschulung, Förderung des Unternehmertums und Unterstützung bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, spezielle vorübergehende Einkommensbeihilfen für Beschäftigte sowie Zulagen an über 50-jährige Arbeitnehmer. Die Unterstützung kann für höchstens 18 Monate geleistet werden.
Um die Auswirkungen der Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft auf die Arbeitswelt zu meistern, muss das Arbeitsrecht weiterentwickelt werden. Hierzu hat die Kommission das Grünbuch "Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" vorgelegt, mit dem in der EU eine öffentliche Debatte darüber eingeleitet worden ist, wie durch Weiterentwicklung des Arbeitsrechts positive Wirkungen im Hinblick auf das Ziel der Lissabon-Strategie erzielt werden können, nachhaltiges Wachstum und gleichzeitig mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Die Kommission ist derzeit dabei, die zahlreichen Beiträge im Rahmen der Konsultation auszuwerten.
Eine weitere Maßnahme der Kommission ist die Gründung eines "Restructuring Forums". Dieses Forum wird gemeinsam organisiert von der Generaldirektion (GD) Arbeit, Soziales und Chancengleichheit, der GD Regionalpolitik, der GD Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission sowie dem Ausschuss der Regionen. Es wurde 2005 gegründet mit dem Ziel, den Dialog zu fördern in Bezug auf Veränderungen in der Wirtschaft und die damit einhergehenden Umstrukturierungen. Die Tagungen dieses Forums sind öffentlich und jedermann zugänglich. Die 3. Tagung fand am 4. und 5. Dezember 2006 statt.
Ich hoffe, dass es mir mit diesen Ausführungen gelungen ist, die Rolle der EU-Kommission und somit auch meine Aufgabe als EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit etwas verständlich zu machen. Die Kommission - in Zusammenarbeit mit den anderen EU-Institutionen - ist intensiv darum bemüht ist, Lösungen zu finden, damit wir in Europa gemeinsam die sozialen Herausforderungen dieses Jahrhunderts und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt nachhaltig meistern können.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Spidla
*ADRESSE : EUROPÄISCHE KOMMISSION, B-1049 BRÜSSEL*
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