Untergetauchte Neonazis
Verfassungsschutz war detailliert über Zwickauer Zelle informiert
Hinweise auf Verstecke, Berichte von geplanten bewaffneten Überfällen: Verfassungsschützer wussten bis 2001 genau über die Aktivitäten der untergetauchten Neonazis Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Bescheid. Das geht aus einem Geheimbericht hervor, der dem SPIEGEL vorliegt.
Neonazis Böhnhardt, Mundlos auf BKA-Fahndungsbild: Verfassungsschutz war früh im Bilde
Foto: dapd
Hamburg - Der Verfassungsschutz war wesentlich besser über die Aktivitäten von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund informiert als bislang bekannt. So hatten die Beamten schon im Frühjahr 1999 verlässliche Hinweise, dass sich das Trio in Chemnitz versteckt hielt. Sie wussten auch, dass es bewaffnete Überfälle plante. Das räumt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem amtlich geheimgehaltenen Untersuchungsbericht ein, der dem SPIEGEL vorliegt.
Das Trio war 1998 untergetaucht. Es soll für die Morde an neun ausländischen Kleinunternehmern in den Jahren 2000 bis 2006, für den Tod der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 und für zahlreiche Banküberfälle verantwortlich sein.
Dem Geheimbericht zufolge war der Verfassungsschutz den Neonazis mehrmals auf der Spur, versäumte es aber zuzugreifen. Bei den Ermittlern "verdichteten sich spätestens seit Mitte März 1999 die Informationen, dass sich die Gesuchten im Raum Chemnitz aufhalten sollen", heißt es in dem Untersuchungsbericht. Die im Frühjahr 2000 gestartete "Operation Terzett" der Verfassungsschützer aus Thüringen und Sachsen führte die Fahnder sogar bis zu einer Wohnung in der Bernhardstraße in Chemnitz, in der zwei mutmaßliche Unterstützer wohnten und die Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe besuchten.
Aus dem Untersuchungsbericht geht auch hervor, dass die Verfassungsschützer schon früh Hinweise darauf hatten, dass das Trio im Untergrund kriminell aktiv war. Dabei belastet der Bericht den derzeit in Untersuchungshaft sitzenden Rechtsextremisten Ralf Wohlleben schwer.
Der V-Mann Tino Brandt meldete dem Verfassungsschutz im April 2001, Wohlleben habe eine Geldspende mit der Aussage abgelehnt, "nach seinen Informationen" brauchten die Untergetauchten kein Geld mehr, weil sie mittlerweile "schon so viele Sachen/Aktionen gemacht hätten". Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass Wohlleben zumindest zeitweise über die kriminelle Karriere im Untergrund informiert war.
Der Geheimbericht nennt zudem eine weitere Verbindung zwischen der NPD und dem Umfeld des Trios, die eine Rolle bei einem neuen NPD-Verbotsverfahren spielen könnte. Demnach hat der spätere stellvertretende Landesvorsitzende der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten", Carsten S., 1999 als Kontaktperson in den Untergrund fungiert. Der Verfassungsschutz bezichtigt ihn, Geld nach Sachsen für das Leben in der Illegalität überwiesen zu haben.