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Abschlußkonzert des 30. Quedlinburger Musiksommer

erstellt von valter zuletzt verändert: 09.09.2010 13:38
Die Solisten Christine Wolff, Anna-Clara Carlstedt, Martin Petzold spielen mit dem Quedlinburger Oratorienchor, dem Kammerorchester" Musica juventa" unter KMD Gottfried Biller aus der Missa sacra von Robert Schumann sowie den "Lobgesang" von Felix Mendelssohn Bartholdy
Wann 11.09.2010
von 19:00 bis 22:00
Wo Quedlinburg, Stiftskirche St. Servatii
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Robert Schumann: „ Missa sacra“ opus 147

Am 2. September 1850 siedelte die Familie Schumann von Dresden nach Düsseldorf über, wo Robert Schumann auf Vorschlag von Ferdinand Hiller ( 1811 - 1885 ) dessen Nachfolger als Städtischer Musikdirektor antrat. Er war somit Nachnachfolger von Felix Mendelssohn, der vdiese Stelle von 1833-1835 innehatte. Robert Schumann hatte in Düsseldorf das Berufsorchester des „Allgemeinen Musikvereins“ sowie den sich aus Laiensängern der bürgerlichen Mittel – und Oberschicht zusammensetzenden Gesangsverein zu leiten. Der „Allgemeine Musikverein“ veranstaltete zehn Abonnementskonzerte pro Wintersaison, die Schumann leitete. Er war darüberhinaus jährlich zu vier Kirchenmusiken in katholischen Gottesdiensten verpflichtet. Auch die Ausrichtung des bedeutenden alljährlichen „ Niederrheinischen Musikfestes“ gehörte zum Aufgabenbereich des Musikdirektors. So führte Schumann Georg Friedrich Händels „ Israel in Ägypten“, „ Josua“ und den „Messias“ sowie Johann Sebastian Bachs „ Johannespassion“ und im April 1852 Bachs „ Matthäuspassion“ im Rahmen der Abonnementskonzerte auf. 1851 kam an Fronleichnam Joseph Haydns „ Missa S. Bernardi de Offida“ sowie in den beiden folgenden Jahren Ludwig van Beethovens C-Dur Messe zur Aufführung.

Die zunächst glückliche Zeit in Düsseldorf wurde zunehmend von einem immer krisenhafteren Gesundheitszustand abgelöst: Zittern, Mattigkeit, Kälte in den Füßen, Schlaflosigkeit, Angst vor hohen Bergen und Wohnungen, vor metallenen Werkzeugen, Schwindelanfälle, Gehörhalluzinationen. Dazu kommen Unzufriedenheit von Sängern und Musikern über seine mangelnde Fähigkeit, diese zu motivieren und anzusprechen. Er stößt die Menschen vor den Kopf durch seine Kompromisslosigkeit und sein hohes Qualitätsdenken. 1853 – in der Entstehungszeit der Messe – wird in Düsseldorf gegen Schumann die Kampagne eines „ Antimusikvereines gegen schlechte und schlecht aufgeführte Musik“ aufgezogen. Schumann ist am Ende: am Rosenmontag, dem 29. Februar 1853, verlässt er bei Regenwetter in Filzschuhen und Schlafrock seine Wohnung und begibt sich zur Rheinbrücke, deren Mittelstück gerade wegen eines durchfahrenden Schiffes hochgezogen ist, und stürzt sich in den Fluss. Die Brückenwärter können ihn in schneller Reaktion retten. Schumann wird in die Nervenheilanstalt nach Endenich bei Bonn gebracht und nach damaligem Usus vollständig isoliert. Auch Clara lässt man nicht zu ihm, sie trifft ihn nur noch einmal: einen Tag vor seinem Tod am 29.Juli 1856.

Die Tatsache, dass Schumanns Leben ab 1854 zwei Jahre lang in der Nervenheilanstalt langsam und still verdämmerte, legt auf die kurz davor entstandenen Werke das Verdikt der Vorausahnung der nahenden Krankheit. Ein Grund, weswegen viele Werke Schumanns in der posthumen Gesamtausgabe, die von seiner Witwe Clara Schumann und dem Freund Johannes Brahms herausgegeben wurde, gar nicht erst aufgenommen wurden. Was die Messe betrifft: diese verschien dort erst, nachdem Clara Schumann das Werk in einer Aufführung in Aachen erlebte. An Brahms schrieb sie danach: Meine Reise nach Aachen hat mich nicht gereut, und habe an der Messe große Freude gehab. Du glaubst nicht, wie schön das alles klingt.Tief ergreifend ist das Kyrie und wie aus einem Gusse, im Sanctus einzelne Sätze von so wundervoller Klangwirkung, daß es einem kalt über den Rücken rieselt. ... Ich habe natürlich keine Bedenken mehr, es drucken zu lassen.

Die Verbindung der „ heilige(n) Würde der alten Musik mit dem reichen Schmuck der neueren“, in seiner späten Kirchenmusik versucht Robert Schumann genau dieser Idee gerecht zu werden.

Kyrie:

Die majestätische Kyrie – Anrufung kann festlich prunkend sein, wie z.B. in Mozarts „ Krönungsmesse“, oder eine in reuiger Zerknirschung vorgetragene Bitte, wie in Bachs h-moll Messe. Alles das klingt auch bei Schumann in seinem punktierten Kyrie Motiv an. Aber: mit einer entscheidenden Veränderung: der erste Ton wird stark gedehnt und in die Länge gezogen: Es ist, als würde man es zunächst gar nicht wagen, seinen Gott um Vergebung zu bitten, oder als würde man gar nicht an die Möglichkeit der Gewährung der Bitte glauben. Hinzu kommt der düstere und depressive Klangeindruck des Stückes.

Gloria:

Im zweiten Satz – dem Gloria – fallen zunächst vor allem die ausufernden Wiederholungen der ersten vier Worte“ Gloria in excelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe“ auf. Sonst sind Textwiederholungen in den textreichen Sätzen Gloria und Credo eher selten, hier sind es am Beginn 52 ( ! ) Takte. Und damit nicht genug: am Ende des Glorias werden ndiueselben Worte nochmals aufgegriffen, ganz unliturgisch ist das – aber: diese exzentrischen Wiederholungen der immer gleichen Worte haben ihr Vorbild bei Beethoven, der in seiner „ Missa solemnis“ das selbe tut. Außerdem hören wir im Gloria zum ersten Male eine Solostimme, den Sopran und die Posaunen bei der Stelle „ Domine Deus, rex coelestis“, eine Stelle, die , nicht zuletzt wegen des Instrumentariums , sehr an die Priesterchöre aus Mozarts „Zauberflöte“ erinnert. Die Behandlung der Posaunen bei Schumann verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie werden von Schumann sehr sparsam verwendet und setzen immer besondere Akzente.

Credo:

Der dritte Satz ist der merkwürdigste. Ein Satz ohne zunächst große Kontraste: acht Minuten nur Chor, ohne Solostimmen, und das ganze in nur einem Tempo. Keine Stimmungsänderung, wenn von der Geburt Christi, der Kreuzigung und der Auferstehung die Rede ist. Gott wird – für Schumann eine Katastrophe , der größtmögliche Abstieg eines Gottes. Nach diesem Satz gönnt uns Schumann eine Entspannung im Offertorium „ Tota pulchra es, Maria, einem Zusatz zur Messe, gesungen während der Bereitung der Gaben.

Es folgt der vielleicht schönste Satz der Messe, das „ Sanctus“, das ganz geheimnisvoll und verhalten beginnt und mit einer gänzlich unliturgischen Amen- Fuge endet. Mit dem letzten Satz, dem „ Agnus Dei“, greift Schumann die Stimmiung des Anfangs wieder auf. In den Mittelstimmen zitiert er außerdem die Violinfigur des „ et incarnatus est der h-moll Messe von Bach, ehe er in der dritten Strophe beim „ dona nobis pacem – verleih uns Frieden“ zum lichten C-Dur wechselt uns seinem Werk ein wahrhaft friedliches Ende gibt.

Die Entstehungsgeschichte der Messe ist nicht bekannt, kein interessanter Auftraggeber, keine legendenumwobene Wirkungsgeschichte, kein publizistisches Nachleben. Nur ein großer Komponist, der zwei Jahre später in der Nervenheilanstalt lsandete, inb der er, wiederum nach zwei Jahren in einem Zustand des verdämmernden Schlafes starb. Auch einen Anlass für die Komposition der Messe gab es nicht. Keine Bewerbung um ein kirchenmusikalisches Amt und die Idee einer neuen Kirchenmusik, von Hoffmann noch 40 Jahre vorher gefordert, war längst gestorben. Die Kirche hatte daran kein Interesse gehabt, einfache Gebrauschsmusik war ihr lieber. Warum schrieb Robert Schumann seine Messe? Wir wissen es nicht. 1851 schreibt er: „ Der geistlichen Musik die Kraft zuzuwenden, bleibt ja wohl das höchste Ziel mdes Künstlers. Aber in der Jugend wurzeln wir ja alle noch so fest in der Erde mit ihren Freuden und Leiden; mit dem höheren Alter streben wohl auch die Zweige höher. Und so hoffe ich, wird auch diese Zeit meinem Streben nicht zu fern mehr sein.“ War seine Messe also ein persönliches Werk? Eine Auseinandersetzung mit Gott der ganz eigenen Art? Ein Werk – wie Anton Bruckner das sagte – „ dem lieben Gott gewidmet“? Oder blieb etwa bestehen, was er als 20 –jähriger über sich selbst schrieb:“ Religiös aber ohne Religion“ ? ( Gottfried Biller nach anonymer Quelle)

Felix Mendelssohn Bartholdy

Die Uraufführung des Lobgesanges fand am 25. Juni 1840 in der Leipziger Thomaskirche statt, sie war ein beachtlicher Erfolg. Schumanns Kritik der Uraufführung erschien am 4. Juli in der Neuen Zeitschrift für Musik. Er schätzte darin, daß über fünfhundert Musiker an der Aufführung mitgewirkt hatten. Die Kritik lobte das Werk grundsätzlich und teilte mit, daß es vom Publikum begeistert aufgenommen worden war. ...

So beschreibt der Übergang von der Finsternis zum Licht sowohl das Erlebnis des Hörers wie auch das des Komponisten. Nach eineinhalb Jahrzehnten des Mißerfolges, in denen es Mendelssohn nicht gelang, ein mehrsätziges symphonisches Projekt zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen, wurde er durch die vom Auftraggeber bestimmte Kombination eines symphonischen Werkes mit Chor, durch den Anlaß, für den er zu komponieren hatte, und den Text , der durch den Anlaß bestimmt war, in die Lage versetzt, eine künstlerische Synthese von Form und Inhalt, von Stoff und Mitteln zu finden. Mendelssohn löste im Lobgesang ein typisch ästhetisches Problem der Romantik er fand eine gültige Form für das Zusammenwirken von Poesie und Musik. Diese wird nicht nur durch einfaches Nebeneinanderstellen von Text und Tönen erreicht. Wie so oft bei Vertonungen zeigt hier der musikalische Prozeß an mehreren Stellen die zentrale poetische Bedeutung des Textes auf. Umgekehrt offenbart der Text bei der Eröffnung des ersten Chorsatzes die Bedeutung des musikalischen Materials, das bereits ausführlich entwickelt war. ...

Die Texte regten Mendelssohn im Verlauf des Werkes zu einer Vielfalt musikalischer Ausdrucksformen für den Aufstieg aus der Finsternis zum Licht an. Einige davon sind auf kleinem Raum abgeschlossene Bilder, andere entstehen in weitgespannten musikalischen Prozessen. Zu den Beispielen gehört eine offensichtliche Aufhellung der Musik durch einfache und sinnfällige musikalische Veränderungen. In Nr. 8 , „ Nun danket alle Gott“, ist die erste Strophe fünfstimmig gesetzt, die >Singstimmen sind ohne Begleitung vorwiegend homophon angelegt. Darauf folgt die zweite Strophe , „ Lob ehr und Preis sei Gott, in einem Unisono –Satz mit aufwendig verzierter Orchesterbegleitung. Im Schlußsatz entsteht der Eindruck des hervorbrechenden Lichtes beim Übergang von einer vergleichsweise dunklen Mollfärbung zum Glanz und zur Wärme der gleichnamigen Dur-Tonart. ...

Es ist möglich, dass der Lobgesang eine Art Wendepunkt in Mendelssohns Gesamtwerk darstellt, da dessen Vollendung ihm wahrscheinlich dazu verhalf, sein Selbstvertrauen wiederzugewinnen und einige seiner aufgegebenen großen Pläne aus den Jahren zwischen 1830 und 18490 doch noch zu verwirklichen. Der Lobgesang war Mendelssohns Opus 52. Kurz nachdem die Arbeit daran abgeschlossen war, wurde die seit langem liegengelassene „ Schottische“ Symphonie in a-moll schließlich vollendet und als Opus 56 veröffentlicht. Mendelssohns Vertonung von Goethes Text Die erste Walpurgisnacht,1832, wurde überarbeitet und erschien als eine zweite Symphoniekantate mit der Opuszahl 60, ein weltliches Gegenstück zum Lobgesang.

Wie die biblischen Sprecher, deren Worte er im Lobgesang vertonte, wußte Mendelssohn, was es bedeutet, in der Finsternis zu irren, und mit welchen Gefühlen Offenbarung erlebt wird. Bei der Komposition des Lobgesangs fand er einfache und komplexe Bilder für den Aufstieg von der Finsternis zum Licht, ihn gelang die gegenseitige Erhellung von usik und Dichtung, und sicherlich trat er aus dem entmutigenden Schatten seiner eigenen künstlerischen Zweifel heraus in ein helles, neues Stadium der Erleuchtung. ....

Douglass Seaton/ Helgard Ullrich – Tallahassee, Florida ( USA) – März 1989

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